„Fassungslos.“ Die Männer und Frauen in der Brummi-Branche sind bekannterweise sonst eher wenig zimperlich, doch diesmal zeigen sie sich geradezu entgeistert.
Deutschlands Transportunternehmer und ihre Mitarbeiter seien vereint in Existenzsorgen und Wut über die „Geringschätzung“ durch die Ampel-Regierung, sagt Dirk Engelhardt. Unzählige Hilferufe von betroffenen Kollegen würden ihn täglich erreichen, erklärt der Vorstandssprecher vom Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL).
Zwar ist die Klage der Gruß des Kaufmanns. Doch in diesem Fall sind Angst und Empörung der Menschen, die täglich für die Versorgung unseres Landes sorgen, durchaus verständlich. Denn die rot-grün-gelbe Bundesregierung hat sich über das „Gesetz über die Erhebung von streckenbezogenen Gebühren für die Benutzung von Bundesautobahnen und Bundesstraßen“ gebeugt. Und wie bei fast allem, was die Ampel anfasst, ist das nahezu schlechteste denkbare Ergebnis herausgekommen.
Zusätzlich müssen viel mehr LKW eine Maut bezahlen als bisher. Die Freigrenze wird zum 1. Juli 2024 abgesenkt (dem „technisch frühestmöglichen Zeitpunkt“). Ab dann sind grundsätzlich alle Nutzfahrzeuge ab 3,5 Tonnen – statt wie bisher erst ab 7,5 Tonnen – zulässiger Gesamtmasse mautpflichtig. Nur Handwerksbetriebe werden ausgenommen.
„Wir (…) setzen damit einen starken Anreiz für die Branche, auf klimafreundliche Fahrzeuge umzusteigen“, lobt sich Minister Wissing selbst. Besagte Branche sieht das allerdings als schlechten Scherz, über den niemand lachen mag. Denn auf dem LKW-Markt gibt es schlicht kaum emissionsfreie Fahrzeuge im Angebot, auf die ein Fuhrunternehmer umsteigen kann – selbst, wenn er das wollte (und auch bezahlen könnte). Auch fehlt es an den Bundesfernstraßen nahezu völlig an der benötigten Tank- und Lade-Infrastruktur.
Unter diesen Umständen nennt der BGL die Maut-Verdoppelung, durchaus nachvollziehbar, eine „Steuererhöhung, die nicht vermieden werden kann“.
Die Zeche zahlt, Überraschung, der Verbraucher. Denn natürlich werden die drastisch erhöhten Transportkosten auf die per LKW transportierten Waren umgelegt. Die werden also teurer. Das heizt die Inflation weiter an, und diesmal trägt niemand anderes dafür die Verantwortung als die Regierung selbst.
Allerdings wird längst nicht jeder Spediteur die gestiegenen Mautkosten einfach an seine Kunden durchreichen können. „Dort, wo nach den Kostenexplosionen in den letzten Jahren weitere Preissprünge nicht machbar sind – vor allem auf dem Land –, fürchten viele Mittelständler, ihre Betriebe aufgeben zu müssen“, weiß BGL-Präsident Engelhardt.
Branchen-Sterben, powered by your Ampel-Regierung
Den Beschluss hat das Kabinett schon Mitte Juni gefasst. Doch in der Öffentlichkeit wurde dieser bemerkenswerte und folgenreiche Vorgang fast komplett überlagert vom Ukraine-Krieg, von Habecks Heizungsdesaster und von den – immer wieder gern zur Ablenkung von den wirklich wichtigen Dingen aufgeblasenen – queeren Erregungswellen.
Inzwischen allerdings verbreitet sich das Thema auch in den Sozialen Medien wie ein Lauffeuer, und die Regierung kommt nicht gut dabei weg.
Minister Wissing geht erst einmal in Deckung und schickt andere vor, damit die sich mit der Kritik an seinem Vorhaben herumschlagen. Durch die Maut-Verdoppelung für LKW werde nichts spürbar teurer, behauptet sein Parlamentarischer Staatssekretär Oliver Luksic, nebenbei auch Vorsitzender der FDP im Saarland: Der „Effekt auf Preise eines Gutes ist minimal“.
Diese Erkenntnis hat Lukic ziemlich exklusiv. Vielleicht verzichtet er deshalb darauf, für seine Behauptung eine Quelle anzugeben. So oder so hofft die Ampel auf einen Geldregen für ihre eigene Kriegskasse. Allein im kommenden Jahr sollen sich die Mauteinnahmen praktisch verdoppeln: von 7,8 Milliarden auf 15,2 Milliarden Euro.
Zur Besänftigung des Klimagotts sind der Ampel auch bisher eherne Gesetze der ordentlichen Haushaltsführung nicht mehr heilig: Der Grundsatz „Straße bezahlt Straße“ wird abgeschafft. Mit den absehbar erheblichen zusätzlichen Maut-Einnahmen sollen nicht die Schlaglöcher auf den Autobahnen, sondern vor allem die Finanzlöcher bei der Bahn gestopft werden.
Ob zumindest das dann tatsächlich passiert, kann aber auch niemand sicher wissen. Es wären nicht die ersten Milliarden, die dem Verkehr versprochen wurden – dann aber weder auf den Straßen noch auf den Schienen landen, sondern irgendwo im großen und unersättlichen Berliner Sumpf versickern.