Stellen Sie sich vor, sie haben als Abteilungsleiter seit zwei Jahren keinerlei Erfolge mehr, die Sponsoren ziehen sich zurück, die Leistungen ihres Teams stimmen schon lange nicht mehr, das Image geht gegen Null und Sie müssen dennoch nicht persönlich zum Qualifikationsgespräch antraben. Dann sind Sie beim Deutschen Fußball-Bund genau richtig. Sie besitzen nämlich einen mit fast 4 Millionen Euro pro Jahr dotierten Anstellungsvertrag bis zur WM 2022 und mit Oliver Bierhoff einen direkten Vorgesetzten, der ihnen gerne diesen schweren Gang abnimmt, während Sie weiterhin im südbadischen Au-Wittnau einen feinen Espresso trinken können. Joachim Löw befindet sich seit dem peinlichen 0:6 seines Teams in der vergangenen Woche gegen Spanien in einer vom Arbeitgeber DFB auferlegten Quarantäne und soll sich Gedanken machen, ob er das angeschlagene Team weiterhin trainieren will und kann. Schon einmal hatte der ehemalige Kicker des VfB Stuttgart, Karlsruher SC und SC Freiburg eine Denkpause bekommen und gewollt. Nach dem Debakel vor zweieinhalb Jahren in Russland und dem Vorrunden-Aus war er zwei Monate von der Bildfläche verschwunden und grübelte dann vor der versammelten Medienwelt Sami Khedira als Bauernopfer weg und sagte zwar nicht „Wir schaffen das”, aber sinngemäß „Weiter so!”
Doch ein „Weiter So!” wird es nicht mehr geben, wenn sein Spezi Oliver Bierhoff am 4. Dezember beim DFB vorstellig wird und dem Gremium seine Notizen verlegt, die er gemeinsam mit Präsident Fritz Keller paar Tage zuvor ausgearbeitet hat. Die Frage ist auch, ob Oliver Bierhoff, der gemeinsam mit Joachim Löw vor der WM 2006 von Jürgen Klinsmann zum größten Sportverband der Welt gelotst wurde, noch für den Trainer spricht, oder eher nur an seine Zukunft denkt. Bierhoff hat immerhin ein Arbeitspapier bis 2024 und weiß, dass ein Rauswurf des Bundestrainers auch eine vorzeitige Auflösung des eigenen Vertrages bedeuten würde. Denn Löw allein trägt keine Schuld am aktuellen Zustand des Nationalteams, sondern es ist eine Anhäufung zahlreicher Fehler, die seit dem WM-Titel in Brasilien vor mehr als sechs Jahren gemacht wurden.
„Die Bestimmung des Platzierungspreises von Aktien im Vorfeld einer Börsenneueinführung – Eine vergleichende ökonomische Analyse am Beispiel des Börsenganges von Fußballvereinen” – so lautete die Diplomarbeit von Oliver Bierhoff aus dem Jahr 2002. Vorausgegangen waren 26 Semester wirtschaftswissenschaftliches Studium an der Fernuniversität Hagen. Somit ist dann schon alles gesagt, wenn man das Wirken des mächtigen DFB-Direktors sieht. Als Strahlemann stand er Joachim Löw gerne vor der Sonne und wehrte jede Kritik am Bundestrainer und dessen Wirken gekonnt ab. Er schuf den Marketingtitel „Die Mannschaft” und nach außen hin Unnahbarkeit für Team und Staff. Der Weltmeister von 2014 avancierte zum Premiumprodukt und in der Welt des Milliardengeschäfts vergaßen die Macher, sich um die Basis und den Nachwuchs zu kümmern. Zwar blühte die Akademie unter der Ägide von Oliver Bierhoff auf, doch innerhalb des A-Teams beließ es der einstige Stürmerstar von Udine oder Monaco bei einem lauen Lüftchen was die Strukturen betrifft. Innovative Co-Trainer, Scouts, Psychologen oder Mediziner sucht man beim Team vergebens. Anmerkungen und Anregungen von außen sind nicht gefragt.
Das ist leider alles Schnee von Gestern und auch hier hätte der Bundestrainer aufs Gaspedal drücken müssen. Letztendlich wird von ihm als oberstem Trainer des Verbandes erwartet, dass er Erfolge hat. Hier hätten Joachim Löw und seine Experten frühzeitig mahnen können. Stattdessen hat sich der Bundestrainer immer rarer gemacht und nur dann kommuniziert, wenn es unbedingt sein musste. Falsch verstanden fühlte er sich vielleicht schon immer und der WM-Titel hat vieles kaschiert. Jetzt läuft sein persönlicher Countdown. Der D-Day naht.
Es geht ans Eingemachte und Joachim Löw und Marketingexperte Oliver Bierhoff müssen sich am 4. Dezember verantworten für die letzten Jahre nach dem Titel von Rio. Schon jetzt dürfte klar sein, dass der Ton rauher wird, nur nicht der vom Präsidenten. Fritz Keller wurde nämlich beim Amtsantritt die “sogenannte Richtlinienkompetenz samt Verantwortlichkeit „für die Belange der Nationalmannschaft” aus der Satzung gestrichen. Unglaublich, aber wahr. Laut Paragraph 34 der DFB Satzung ist „für die Personalauswahl hinsichtlich des Bundestrainers” ein Gremium aus 18 Männern und einer Frau verantwortlich. Vielleicht trifft dieser Rat endlich eine richtige Entscheidung. Folgerichtig wäre auf jeden Fall eine Kündigung für Joachim Löw, Oliver Bierhoff und Konsorten. Rechtzeitig vor der EM und drei Spielen im März muss dieses Kapitel endlich Geschichte werden, denn sowohl bei den Fans als auch bei ihm selbst ist der Geduldsfaden gerissen. Die Zeit des Umbruchs ist da. Vielleicht wäre eine Übergangslösung mit Hansi Flick bis nach der EURO perfekt und endlich.
Doch jetzt sollte man beim DFB Nägel mit Köpfen machen, um auch den Fans wieder ein wenig Hoffnung zu geben und den weltbekannten Spruch von England-Stürmer Gary Lineker wieder aufleben zu lassen: „Fußball ist ein einfaches Spiel: 22 Männer jagen 90 Minuten lang einem Ball nach, und am Ende gewinnen die Deutschen.“