Tichys Einblick
Plasbergs gestrige Runde: Spiegelbild einer Nicht-Debatte

Weder hart noch fair

Den harten Fragen hinter engagierten Bürgerstimmen ging Plasberg nicht nach, die naheliegenden Antworten blieben daher aus. Fair den Bürgern gegenüber ist das nicht.

Flüchtlinge lernen Deutsch mit Angela Merkel. Was fehlt? Die Raute. Screenshot "hart aber fair", Höhe 0:50/1:14:42

Stimmen aus dem wirklichen Leben einzuspielen, ist eine gute Methode, um Mitglieder der Parallelgesellschaft Politik, Industrie & Co. zu erden. Auch gut, dass Stimmen und Gesichter dabei waren, die sonst im Dunkeln bleiben. Lenkt Moderator Frank Plasberg aber wie gestern mit einer Bürgerstimme von der anderen ab, bleiben die wirklichen Fragen ungestellt und kommt keine Diskussion unter den Teilnehmern der Runde zustande. Das war weder hart noch fair.

Vertriebene kamen in ein Land im Wiederaufbau

Die junge Frau erinnert an die wenig freundliche Aufnahme der Vertriebenen nach 1945: Wo bleibt der Blick auf zwei gravierende Unterschiede?

Wo bleiben die zwingenden Nachfragen? Kann es sich um Verfolgung und Bedrohung handeln, wenn der schwächere Teil der Familie in der Heimat leben bleiben kann – selbst unter Umständen, die unseren Maßstäben nicht gerecht werden?

Klassische Einwanderung

Der junge Mann aus Ghana, den eine deutsche Familie aufgenommen, in die deutsche Sprache eingeführt und ihm eine Lehrstelle besorgt hat, der aber von einer seelenlosen Bürokratie in die Migranten-Unterkunft zurückgezwungen wird: Wo bleiben Fragen, die sich aufdrängen?

Wo ist die Flexibilität, von der die Kanzlerin spricht?

Jene Behörde, die Flexibilität, der Kanzlerin neue deutsche Tugend, nicht zuletzt verwirklichen soll, verbietet einem Migranten zu arbeiten, weil die Bäckerei nur den Mindestlohn statt des höheren ortsüblichen Entgelts zahlt.

Flexibilität als Zwischenschritt ist gut, die Neuausrichtung der staatlichen Verwaltung auf den Dienst am Bürger ist besser: Heute ist der Bürger für die Vorschriften und ihre Verwalter da. Morgen sollte es umgekehrt sein – Chancen der Krise an jeder Ecke.

Dass der junge Mann aus Ghana in der christlichen deutschen Familie deutsche Worte mit einer Lernhilfe erfährt, die Merkels Gesicht trägt, erzählt eine Geschichte, die jeder selbst weiterspinnen kann. Wie das Gesicht der deutschen Gesellschaft sich verändert, kann noch niemand zuverlässig vorhersagen. Aber dass es schon in zehn Jahren ein anderes sein wird als heute, scheint mir unabweisbar. Ob sich dann noch jemand an Merkels „freundliches Gesicht zeigen“ als Bedingung für „ihr Land“ erinnern wird?

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