Jenseits von Bonn und Münster werden nur die wenigsten Thomas Kutschaty kennen: Der 53-Jährige ist Jurist und kandidiert für den WDR um das Amt des Ministerpräsidenten in Nordrhein-Westfalen. Nein, er kandidiert für die SPD. Der WDR macht lediglich kein Geheimnis draus, wie gut er das findet.
Der Kandidat hat der WDR-Radiowelle „1Live“ ein Interview gegeben. Der Sender packte Zitate in eine Kachel und veröffentlichte diese unter anderem auf seinem Instagram-Account, dem über 400.000 andere Accounts folgen. Zwar haben die Sender bei diesem Vorgehen Spielraum, ob sie einen Interviewten gut oder schlecht aussehen lassen wollen. Im Falle von Kutschaty entschieden die Macher sich – Überraschung – für gut aussehen lassen. Grundsätzlich ist dieses Vorgehen aber normal.
1Live erntet Kritik für seine offenkundige Parteinahme: „Der #WDR zeigt wieder, wie einseitiger #Agendajournalismus geht“, schreibt Carsten Brennecke auf Twitter. Er ist laut Selbstauskunft Rechtsanwalt und Mitglied der Grünen. Er kommt zu dem Schluss: „So einen öffentlichen Rundfunk braucht niemand.“ Der stellvertretende Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Manuel Ostermann, schreibt: „Wir sollen Gebührenerhöhungen akzeptieren, dann bitte auch dementsprechend liefern. So ganz sicher nicht.“ Und der CDU-Bundestagsabgeordnete Matthias Hauer kommentiert: „1Live macht mit deinen Gebühren Wahlwerbung für Thomas Kutschaty.“
Dem SPD-nahen Sender springt nur die SPD bei. Dafür packt die NRW-SPD das beste und liebste Stück aus: die Nazikeule. Wer Mitarbeiter des öffentlichen-rechtlichen Senders an ihre Pflicht zur Neutralität erinnert, betreibt aus Sicht der SPD „fortwährende Einschüchterung“. Für sie sind das „ungarische Züge“. Der WDR indes beweist, dass er mit der Reaktion auf eigenes, unjournalistisches Verhalten viel Routine besitzt. Auf Instagram werden die Spuren gelöscht und auf Twitter gibt es eine pflichtgemäße Entschuldigung: „Was die Reaktionen auf User:innen-Posts unter unserem Instagram-Post zu Thomas Kutschaty angeht, wurde diese Distanz nicht ausreichend gewahrt. Über diese unangemessenen Kommentare sind alle Beteiligten der Redaktion bereits in intensivem Austausch … Dass wir unserem journalistischen Anspruch in diesem Fall nicht gerecht geworden sind, bedauern wir.“
Der Entschuldigung schickt der WDR Grundsätzliches voraus: „Journalistische Unabhängigkeit und Distanz sind die Grundlagen unserer Berichterstattung.“ Dieser Hinweis ist wohl für die, die von der journalistischen Unabhängigkeit nichts wissen – oder im real-existierenden Programm nichts erkennen können.