Tichys Einblick
"Wir wollen, dass das Wählen aufhört"

Was Trump wirklich gesagt hat

Trump steht mal wieder als der Böse da. Viel zu früh habe er sich zum Sieger erklärt. Will er jetzt die Demokratie abschaffen und sich im Weißen Haus einschließen? Wir haben uns seine Rede genauer angehört.

imago Images/ZUMA Wire

Gestern morgen kündigte Donald Trump an, ein Statement zum Wahlgeschehen im Weißen Haus abzugeben, wenige Minuten später folgte ein weiterer Tweet: „Wir sind GROSS, aber sie versuchen, die Wahl zu stehlen. Wir werden es niemals zulassen. Nach Abschluss der Umfragen können keine Stimmen abgegeben werden!“. Erst ca. eine Stunde später ist die Rede live zu verfolgen. Das gab den Medien ungefähr eine Stunde Zeit, um über den Inhalt der anstehenden Rede zu spekulieren.

Dass Trump eine Niederlage nicht akzeptiert, hat er ja schon vor Monaten gesagt. Das gab den Medien schon damals Grund zur Annahme, Trump könnte sich unabhängig von den Wahlgebnissen zum Sieger ernennen und im Weißen Haus verbarrikadieren. Dass Trump dann auch noch behauptet, die Demokraten wollten die Wahl stehlen, schien die Tagträume vieler Journalisten wahr gemacht zu haben, bevor der Präsident sich selbst an das Volk richtete.

Twitter markiert Trumps Tweet mit dem Hinweis: „Einige oder alle der Inhalte, die in diesem Tweet geteilt werden, sind umstritten und möglicherweise irreführend in Bezug auf die Beteiligung an einer Wahl oder einem anderen staatsbürgerlichen Prozess“. Dieses Detail schlägt ein – Medien fühlen sich bestätigt.

Schaut man sich die entsprechende Twitter-Richtlinie zu dieser Kennzeichnung an, stößt man auf einem Wiederspruch. Der erste Satz der „Richtlinie zur Integrität staatsbürgerlicher Prozesse“ (die interessanterweise den Zeitstempel Oktober 2020 trägt) lautet: „Es ist nicht erlaubt, die Dienste von Twitter mit dem Ziel zu nutzen, Wahlen oder andere staatsbürgerliche Prozesse zu manipulieren oder zu beeinträchtigen.“ Der Tweet wurde um 06:49 Uhr veröffentlicht. Zu dieser Zeit waren bereits fast alle Wahllokale in den USA geschlossen, bis auf Teile in Alaska, die 11 Minuten später schlossen.

Der demokratische Prozess der Stimmabgabe war zu dieser Zeit also weitestgehend vorbei. Nur für elf Minuten hätte die Nachricht von Trump die wenigen Wähler beeinflussen können, die in den Teilen von Alaska leben, in denen Wahllokale noch aufhatten, und erst in den letzten 11 Minuten zur Wahl gingen oder danach noch anstanden. Und selbst dann lässt sich noch darüber streiten, ob der Inhalt tatsächlich manipulativ ist. Als Beispiele für eine solche Manipulation nennt Twitter „falsche Angaben zum Termin, Ort oder Ablauf“ einer Wahl. Aber Trump hat weder behauptet, dass die Wahl abgeschlossen ist, noch dass sie plötzlich in Mexiko stattfindet, oder, dass die Stimmzettel ausschließlich per Brieftaube eingeschickt werden müssen.

Was ist Meinung, was Ernennung?

Nur für den Fall, dass nach Ende der Wahl noch Wähler in den Wahllokalen anstehen, ist Trumps Aussage falsch, denn die dürfen ihre Stimme trotzdem noch abgeben. Aber das ist ein Ausnahmefall. Kann man Trump jetzt wirklich Wahlmanipulation anhängen, weil er einen Ausnahmefall nicht explizit genannt hat? Er hat nicht konkret dazu aufgerufen, Schlangen aufzulösen, weil die Wahl gelaufen ist. Im Kontext spricht Trump von Wahlbetrug – ein Unterschied.

Das bedeutet, dass auf Trumps Tweet nur diese Klausel angewendet werden kann: „Darüber hinaus können wir Tweets mit falschen oder irreführenden Informationen zu staatsbürgerlichen Prozessen kennzeichnen und ihre Sichtbarkeit einschränken, um zusätzlichen Kontext bereitzustellen.“ Man könnte argumentieren, dass der Tweet irreführend über eine Wahl berichtet, ohne sie zu beeinflussen, also im Grunde, dass es sich um Falschinformationen handelt. Das heißt allerdings, dass die Kennzeichnung durch Twitter irreführend war. Trump hat nicht versucht, eine Wahl zu manipulieren, sondern allenfalls Fake News verbreitet, anders als von einigen Medien behauptet. Und sogar dann kann man noch argumentieren, dass es sich um Freiheit der Meinungsäußerung handelt, ein Sieg von ihm war zu dem Zeitpunkt ja durchaus wahrscheinlich.

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Eine Stunde später hielt Trump dann die Rede, und sofort behaupteten viele Medien, er hätte sich zum Gewinner der Wahlen erklärt und habe verlangt, dass „das Wählen“ aufhört. „Niemals zuvor in unserer Geschichte hat ein Präsident der Vereinigten Staaten versucht, den Amerikanern in einer nationalen Wahl ihre Stimme wegzunehmen“, sagt die Biden-Wahlkampfchefin Jen O’Malley Dillon. Die Welt schreibt dazu: „Trump stellte sich als Wahlsieger dar und behauptete, er sei das Opfer von Wahlbetrug, weil seine Führung in manchen wichtigen Bundesstaaten zusammenschrumpfen könnte, wenn weiter ausgezählt wird. Ganz so, als sei es Wahlmanipulation, wenn es länger dauert, alle Stimmen auszuzählen.“

Nun, ich weiß nicht, welche Rede der außenpolitische Experte der Welt gesehen hat, aber Trump hat sich nicht so zum Sieger „ernannt“, wie es viele Medienberichte durchklingen lassen.

„Wir wollen, dass das Wählen aufhört“ – eine Stunde nach Wahlschluss

Zuerst hat Trump geschildert, dass man sich nach den ersten Verläufen des Wahlabends auf eine Party vorbereitet hat. Dass er zunächst alles gewonnen hat. Er hat die Staaten aufgezählt, die er schon sicher gewonnen hat (Florida, Ohio, Texas) und die, die nach den damaligen Schätzungen ziemlich sicher an ihn gingen. Diese plötzlichen Wandlungen sind das, was er anzweifelt und in Frage stellt. „Das ist ein Betrug an der amerikanischen Bevölkerung. Das ist eine Blamage für unser Land. Wir haben uns darauf vorbereitet diese Wahl zu gewinnen,“ und dann kommt der entscheidene Satz: „Frankly we did win this election.“

Das heißt übersetzt: „Offen gesagt haben wir diese Wahl gewonnen.“ Besonders betont er dabei das Wort „did“, also haben, in der Vergangenheitsform. Wahrscheinlicher als ein Sturz der demokratischen Grundordnung wäre hier die Äußerung einer eigenen Meinung, oder – bezieht man den Kontext der vorherigen Schilderung der Glücksträhne mit ein – kann sich der Satz auch auf diese Vergangenheit beziehen, da er das „did“ auch noch so deutlich betont hat. „As far as I‘m concerned we already have won it“, ist der zweite Satz, den man als Selbsternennung deuten könnte. Übersetzt: „Was mich angeht, haben wir sie schon gewonnen.“ Die Redewendung „was mich angeht“ ist ein Synoym für „meiner Meinung nach“ oder „ich persönlich denke“, kein dreistes Übergehen von Wählerstimmen. Ähnliches hatten Joe Biden und sein Team zuvor auch geäußert.

Aber nun zu dem Teil, der noch viel eindeutiger falsch interpretiert wird: „We want all voting to stop“. Da ist der Teil, der von der deutschen und amerikanischen Presse immer wieder herausgepickt wird. „Wir wollen, dass das Wählen aufhört.“ Das hört sich problematisch an. Aber zum Zeitpunkt der Rede waren die Wahllokale schon seit einer Stunde geschlossen. Das Wählen sollte also demokratisch gesehen schon vorbei sein. Was Trump im Kontext sagt, ist: „Wir wollen, dass das Wählen aufhört. Wir wollen nicht, dass sie um 4 Uhr morgens Stimmzettel finden und sie der Liste hinzufügen, ok?“ Das heißt nichts anderes, als dass das Wahlende auch wirklich das Wahlende sein soll und keine betrügerischen Stimmzettel abgegeben werden.

Nichts daran ist verfassungs- und demokratiefeindlich. Es entspricht dem Gesetz. Und Dieses Gesetz will er vor dem Supreme Court durchsetzen, und ich denke, dass man dort besser einschätzen kann, was verfassungsfeindlich ist und was nicht, als das Journalisten können, erst recht deutsche.


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