Vor vier Jahren hatten viele – mich eingeschlossen – es für ziemlich ausgeschlossen gehalten, dass die aus dem Bundestag gewählte FDP jetzt vor einem beeindruckenden Comeback stehen würde. Es ist aber so. Die Freien Demokraten werden die 5-Prozent-Hürde am 24. September locker nehmen. Im neuen 6-Parteien-Bundestag sind sie wieder dabei. Und das ist auch gut so – aus fünf Gründen.
Erstens: Ein Bundestag mit FDP ist immer besser als ein Bundestag ohne FDP.
Die Liberalen sind nicht die ideale Partei schlechthin. Aber der Bundestag braucht dringend liberale Blutzufuhr. In den vergangenen vier Jahren haben die Freien Demokraten gefehlt – als Stimme der Marktwirtschaft, als Kämpfer gegen mehr Staat und Gleichmacherei, als Befürworter einer Leistungsgesellschaft, als Opposition gegen eine All-Parteien-Flüchtlingspolitik. Deshalb ist die Rückkehr der FDP ins Parlament das Wichtigste.
Zweitens: Die FDP könnte die Union wieder auf Kurs bringen.
Im Fall von Schwarz-Gelb wäre die FDP der Partner des CDU-Wirtschaftsflügels, ein marktwirtschaftliches Bündnis innerhalb der CDU/CSU/FDP-Koalition. Das würde jenen Unionspolitikern das Leben erschweren, die Steuersenkungen für eine überflüssige Maßnahme halten und eine Rentenpolitik nach dem Wahlkalender für das stimmenmaximierende Optimum. Nur mit der FDP am Kabinettstisch würde Angela Merkel teilweise wieder auf CDU-Kurs einschwenken – auf den Kurs Ludwig Erhards.
Drittens: Bei Schwarz-Rot wäre die FDP einzige echte Opposition.
Nicht auszuschließen ist, dass Union und SPD zusammen bleiben – weil der Wähler sie halt nicht scheidet. Da wäre die Versuchung für die Union groß, der SPD aus Gründen großkoalitionärer Bequemlichkeit entgegenzukommen: Verzicht auf Steuersenkungen, Verzicht auf eine Berücksichtigung der längeren Lebenserwartung in der Rentenpolitik, neue soziale Wohltaten, eine schärfere Frauenquote, eine noch sinnlosere Mietpreisbremse. In der Opposition könnte die FDP das nicht alles verhindern – aber manches doch. In jedem Fall würde sie das sozialdemokratische Einvernehmen zwischen CDU und SPD stören.
Viertens: Bei „Jamaika“ würden die Freien Demokraten das weitere Ergrünen der CDU bremsen.
Sehr wahrscheinlich ist es nicht, dass ein „Jamaika“-Bündnis aus Union, Grünen und FDP zustande kommt. Aber völlig ausschließen lässt sich das auch nicht. Maßgebliche CDU-Politiker um Merkel – Mitglieder der einstigen schwarz-grünen Pizza-Connection wie Peter Altmeier, Armin Laschet, Hermann Gröhe oder Julia Klöckner – würden sich viel schneller und leichter mit den Grünen einigen als mit den Freien Demokraten. Schon deshalb wäre es gut, wenn die Liberalen im Falle eines Falles dabei wären.
Fünftens: Selbst in einer „Ampel“ verströmte ein kleines liberales Licht etwas Hoffnung.
Was immer Christian Lindner zu möglichen oder angeblich nicht möglichen Koalitionen sagt – wenn‘s ums Regieren geht, sind die Freien Demokraten beweglich. In Rheinland-Pfalz haben sie 2016 Rot-Grün das Leben verlängert, in Nordrhein-Westfalen sich mit dem „Nicht-Wunschpartner CDU“ ganz schnell geeinigt, in Schleswig-Holstein ruck-zuck eine „Jamaika“-Koalition gebildet. Warum denn nicht auch eine rot-grün-gelbe „Ampel“, wenn sich die Gelegenheit bieten sollte? Auch wenn diese Konstellation rechnerisch wie inhaltlich noch weniger wahrscheinlich ist als „Jamaika“ – im Zweifelsfall wäre die FDP dabei. Das müsste man dann sogar hoffen: Denn Rot-Grün plus FDP wäre für das Land allemal besser als Rot-Grün plus Die Linke.
Fazit: Die Freien Demokraten kehren nicht als eine Partei unter die Reichstagskuppel zurück, von der man den ganz großen Aufbruch erwarten kann. Manche ihrer Programme sind recht unverbindlich, in ihrer künftigen Fraktion wird kein einziger Abgeordneter, keine einzige Abgeordnete sein, die schon einmal einer Bundesregierung angehört haben. Auch passt die Ablehnung der FDP gegen die Vorratsdatenspeicherung nicht zur aktuellen Bedrohungslage. Und die Vorstellung, in der Bildungspolitik hörten künftig alle auf ein Kommando, nämlich auf das des Bundes, ist furchteinflößend. Stellen wir uns nur einmal vor, in den siebziger Jahren hätte die SPD/FDP-Koalition die Kompetenz gehabt, damals das ganze Land mit der integrierten Gesamtschule als Einheitsschule zu überziehen? Wir brauchten bei Pisa-Tests gar nicht mehr anzutreten.
Dessen ungeachtet verspricht die FDP viele neue Anfänge: mit einer marktwirtschaftlichen Wirtschaftspolitik, die Unternehmern und vor allem Gründern Freiraum gewährt, mit einer Steuerpolitik, die dem Bürger lässt, was des Bürgers ist, mit einem flexiblen Renteneintritt, mit verstärkten Bildungsanstrengungen, mit einer Infrastruktur- und Digitalisierungsoffensive, mit einer Zuwanderungspolitik nach Recht und Gesetz – und mit Chancen für Fachkräfte. Diese Positionen müssten im neuen Bundestag vertreten werden, ganz gleich, ob in der Regierung oder in der Opposition. Bei dieser Wahl gilt das olympische Prinzip: Dabeisein der Liberalen ist alles.