Tichys Einblick
Steuerschaden: 150 Millionen Euro

Warburg-Banker droht Haftstrafe – Cum-Ex-Deals und mutmaßliche Verstrickung von Scholz

Dem früheren Geschäftsführer von Warburg Invest droht eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren. Das Urteil soll kommende Woche fallen. Ob es in der Steuergeldaffäre politische Einflussnahme gab, prüft seit 2020 ein Untersuchungsausschuss. Olaf Scholz und Peter Tschentscher bestreiten das.

IMAGO / Andre Lenthe

Unter Cum-Ex-Geschäften werden Aktiendeals verstanden, bei denen der Staat betrogen wurde, indem er mehrmals eine nur einmal gezahlte Steuer erstattete. Aktienpakete wurden dafür um den Dividendenstichtag herum gehandelt, also mit (Cum) und ohne (Ex) Dividendenanspruch.

Im Juli 2021 bestätigte ein Urteil des Bundesgerichtshofs: Cum-Ex- oder Cum-Cum-Geschäfte führten zu rechtswidrigen Steuerrückzahlungen. Mit dubiosen Finanzgeschäften haben also Banken und Großinvestoren den deutschen Staat und damit die Steuerzahler um über 30 Milliarden Euro betrogen.

Doch die Story beginnt schon weitaus früher. Eine Mitarbeiterin der Finanzverwaltung in Essen prangerte Cum-Ex-Geschäfte bereits im Jahr 2005 an. Doch niemand hörte auf sie oder bemerkte von sich aus, dass Cum-Ex zum Massengeschäft anschwoll, wie die FAZ berichtete.

Einer der Player war die Warburg-Gruppe bzw. die Warburg-Invest. Anfang Februar 2022 nun fordert die Staatsanwaltschaft Köln eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren für den Angeklagten Detlef M., den früheren Geschäftsführer von Warburg Invest. Die Cum-ex-Geschäfte, an denen der Angeklagte beteiligt gewesen sei, hätten in den Jahren 2009 und 2010 zu einem Steuerschaden von rund 150 Millionen Euro geführt, so die Staatsanwaltschaft. Das Verfahren läuft seit September 2021, doch erst im Januar hatte sich der Angeklagte zu den Vorwürfen eingelassen und ein Geständnis abgelegt, so die FAZ.

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Interessant wird es in der Darstellung des Blatts, wonach die Staatsanwaltschaft ebenso gegen die Mehrheitseigner von M.M. Warburg ermittelt, was zur Beschlagnahmung eines Tagebuchs führte. Einer der besagten Bankiers beschrieb darin verschiedene Treffen im Herbst 2016 mit Olaf Scholz, damals erster Bürgermeister von Hamburg – woraufhin Hamburger Finanzbehörden eine Steuernachforderung gegen die Warburg-Bank in Höhe von 47 Millionen Euro verjähren ließen.

Noch krasser liest sich die Einschätzung der FAZ, „Scholz und sein Nachfolger in Hamburg, Peter Tschentscher (ebenfalls SPD) stehen deswegen seit langem in der Kritik. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss geht seit Herbst 2020 der Frage nach, ob es in der Steuergeldaffäre eine politische Einflussnahme gegeben hat. Sowohl Scholz als auch Tschentscher bestreiten das.“ Im Mai 2021, im benannten Untersuchungsausschuss beteuert Scholz: „Man muss ein reines Gewissen haben. Und das habe ich.“ Abgeordnete bescheinigen ihm „phänomenale Erinnerungslücken“.

Bekanntlich forderten auf Weisung des damaligen Finanzministers Schäuble die hanseatischen Finanzbeamten schließlich doch 43 Millionen Euro samt Zinsen zurück; weitere Rückforderungen in Höhe von 47 Millionen Euro galten als verjährt. Die Warburg-Bank zahlte sie erst im Jahr 2020 nach einem Gerichtsurteil des Landgerichts Bonn zurück.

Aufhorchen lässt außerdem die Tagesschau im März 2021, wo die Frage gestellt wurde: Haben Hamburger Politiker und Finanzbeamte die in den Cum-Ex-Skandal verstrickte Warburg-Bank geschont? Nach Recherchen von WDR, NDR und SZ wollten Kölner Fahnder diesem Verdacht nachgehen. Doch sie wurden im eigenen Haus gestoppt. Die rein rhetorische Frage dazu lautet: Könnte man hier auch von „Seilschaften“ sprechen? Laut Tagesschau bestritten alle genannten Politiker und auch die Hamburger Finanzbehörde vehement eine politische Einflussnahme.

Nach dem Urteil des Landgerichts Bonn, so die Meldung der Tagesschau, „zahlte die Bank insgesamt mehr als 150 Millionen Euro Steuern für Erträge aus mehreren Cum-Ex-Geschäften zurück. Die Bank bestreitet aber bis heute (Stand März 2021) ebenfalls alle Vorwürfe und ging in Revision.“

Die FAZ griff das Thema „Olaf Scholz und Cum-Ex“ Anfang Dezember 2021 nochmals auf. Tatsache scheint, Tagebucheintragungen hin oder her, die Frage, ob Scholz „als Bürgermeister oder sein damaliger Finanzsenator, der heutige Bürgermeister Peter Tschentscher, auf die Entscheidung Einfluss genommen haben, auf eine Steuerforderung gegen die Warburg-Bank zu verzichten“, sei ungeklärt. „Beide haben dies stets bestritten. Es gibt keine Beweise, die das Gegenteil belegen könnten.“

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Und doch tröpfeln laut FAZ „immer wieder Informationen an die Öffentlichkeit, die zumindest Fragen aufwerfen. Was ist also bekannt über die Affäre? Und könnte sie womöglich noch zur Belastung des Kanzlers Olaf Scholz werden?“ Als Scholz Ende November bei einer Pressekonferenz den Koalitionsvertrag der Ampel vorstellte, berichtete das Blatt, wurde er von einem Kollegen gelöchert mit der Frage, weshalb er der Bank 47 Millionen Euro Steuernachlass „geschenkt“ habe. „Scholz antwortete, ohne etwas Konkretes dazu zu sagen. Die Polizei bekomme alle notwendige Unterstützung, die sie brauche, damit sie alles dafür tun könne, dass Kriminalität keine Chance habe.“ Ein Olaf Scholz, wie man ihn eben kennt.

Mitte Dezember 2021 wird klar: „Eineinhalb Jahre hat die Staatsanwaltschaft Vorermittlungen gegen Olaf Scholz geführt. Der Untersuchungsausschuss zum ‚Cum Ex‘-Skandal wurde nicht informiert.“ Laut FAZ bestätigte die Hamburger Staatsanwaltschaft der Deutschen Presse-Agentur, dass seit Februar 2020 bis September dieses Jahres Vorermittlungen gegen Scholz wegen des Vorwurfs der Untreue geführt worden seien. „Grundlage waren demnach mehrere Strafanzeigen. Da sich kein Anfangsverdacht ergeben habe, sei das Verfahren ohne Einleitung von Ermittlungen eingestellt worden, sagte eine Sprecherin. Zuvor hatten das ARD-Magazin ‚Panorama‘ und das ‚Manager Magazin‘ darüber berichtet.“

Und Ende Dezember 2021 berichtete die Welt: „Obwohl offiziell gar nicht informiert, wusste der damalige Kanzlerkandidat Scholz wohl doch von den Vorermittlungen der Hamburger Staatsanwaltschaft gegen ihn. Offiziell war Scholz aber über das inzwischen eingestellte Verfahren gar nicht informiert worden.“ Der Hamburger CDU-Abgeordnete Richard Seelmaecker sagte laut Welt: Offensichtlich gebe es in der Hamburger Justiz ein Leck. Seelmaecker sprach von einem weiteren Kapitel „von Tarnen, Täuschen und Vertuschen im Hamburger ‚Cum-Ex‘-Skandal“.

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