Tichys Einblick
Kurswechsel in Griffnähe

Wahlkrimi in Spanien: Konservatives Lager nah an eigener Mehrheit

Am Wahlabend in Spanien ist noch nicht klar, ob die konservativen Parteien es zur absoluten Mehrheit schaffen werden. Exit-Polls sagten ja, doch erste Hochrechnungen sagen ein Patt voraus, in dem die Regionalparteien zum Zünglein an der Waage würden.

Alberto Nunez Feijoo, Kandidat der spanischen Volkspartei (PP) gibt seine Stimme ab.

IMAGO / ZUMA Wire

Laut ersten Nach-Wahl-Befragungen hat der in der rechten Mitte angesiedelte Partido Popular (PP) einen deutlichen Sieg bei den vorgezogenen Neuwahlen errungen – der allerdings von den ersten Hochrechnungen noch nicht bestätigt wird. In den Hochrechnungen liegen die beiden Lager gleichauf. Unklar bleibt daher auch, ob der PP eine absolute Mehrheit zusammen mit der Vox-Partei erhält oder nicht. Der Herausforderer Alberto Núñez Feijóo (PP) hatte bei der Stimmabgabe vor möglicher Instabilität nach den Wahlen gewarnt, für Spanien gehe es „um eine solide Regierung“.

Dem Umfrageinstitut Gad3 (Exit-Polls) zufolge hätten die PP-Konservativen 147 bis 153 Sitze gewonnen und ihren Sitzanteil deutlich ausgebaut (bisher 104 Sitze), laut den ersten Hochrechnung liegen sie hingegen etwa gleichauf mit dem PSOE von Pedro Sánchez bei rund 130 Sitzen. Eine Mehrheit hätten sie in jedem Fall nur mit der Vox-Partei, die laut der Tageszeitung ABC 31 Abgeordnete gewinnen könnte und damit auf dem dritten Platz landen würde. Exit-Polls und erste Hochrechnungen ähneln sich hier.

Die eigene Mehrheit bleibt also in Reichweite. Auch das konkurrierende Institut Sigma Dos sah (für das öffentliche Fernsehen) eine eigenständige rechte Mehrheit voraus, wenn auch eine noch etwas knappere. Beachtlich ist das insofern, als PP und Vox sich damit nicht nur vor das linke Lager gesetzt hätten, sondern auch vor die Summe von Linken und Regionalparteien, die traditionell in Katalonien, dem Baskenland, Galizien und andere Regionen erfolgreich sind.

Vox-Chef: Wahlkampf voller Lügen und Verdrehung

Eine Ironie der Geschichte ist, dass die Vox-Partei mit eigentlich herben Verlusten (bisher war sie mit 52 Abgeordneten im Unterhaus der Cortes vertreten) nun zur Regierungspartei avancieren könnte. Doch der PP hat sich einen Teil des politischen Programms von Vox schlichtweg zu eigen gemacht. Außerdem gab es auch in Spanien eine gewisse Mobilisierung der Medien gegen den neuen Mitbewerber, der das Establishment mit klaren Aussagen schockierte. Die Vox-Partei will illegale Migranten ausweisen und zahlreiche Neuerungen der abgewählten linken Regierung rückgängig machen, darunter auch Gesetze zu Transgender-Rechten und Klimaschutzmaßnahmen. Außerdem tritt sie für ein Europa der Vaterländer ein.

Die sozialistische Partei (PSOE) dürfte erwartungsgemäß 109 bis 115 Sitze erreichen und würde damit ihre bisherigen Sitze etwa halten. Laut den ersten Hochrechnungen liegen die Sozialisten aber deutlich besser bei um die 130 Sitzen. Doch die Auszählung hat ja auch erst begonnen. Der Amtsverteidiger Pedro Sánchez (PSOE) hatte bei seiner Stimmabgabe kundgetan, dass er „gute Vibrationen“ spüre. Das war sicher nichts weiter als ein letzter Versuch in Wahlwerbung. Denn woher sollten diese Vibrationen schon kommen? Für eine eigene Mehrheit der Linken sah und sieht es düster aus in Spanien. Sie war ja auch in den letzten Cortes nicht vorhanden gewesen. Sánchez’ bisherige Koalitionspartner Podemos konnte in einem Wahlbündnis mit der Vereinigten Linken (Izquierda Unida, IU) an die 30 Sitze gewinnen und läge damit auf dem vierten Platz. Nun könnte es auf die Regionalparteien ankommen, die so zum Zünglein an der Waage würden.

Der Vorsitzende von Vox, Santiago Abascal, hatte sich am Morgen eine „massive Mobilisierung“ erhofft, um einen Kurswechsel in Spanien zu ermöglichen. Jedes Ergebnis, das seine Partei unter diesen Umständen erzielt, sei „heldenhaft“, weil er eine Kampagne „gegen alle“ auskämpfen musste: nicht nur gegen die politischen Gegner, sondern auch gegen die Medien, die sich auf „Lügen, Dämonisierung und die Verdrehung des Diskurses versteift“ hätten. Gegen 18 Uhr lag die Wahlbeteiligung bei 53 Prozent und damit leicht unter dem Wert von 2019.

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