Nun kommt der große Wahl-Express. Die Parteiprogramme und Haltungen gehören umgeschrieben, weil es dem Wähler am nächsten Sonntag missfallen könnte. So sind die Kehrtwenden der Altparteien-Politik zu verstehen. Saskia Esken hält neuerdings Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan für möglich, übrigens auch „konsequent“, um den Preis allerdings von weiteren Aufnahmen aus genau diesen Ländern. Am Ende wird die SPD-Chefin aber auch mit Aufnahmen und ohne Abschiebungen glücklich bleiben, wie man aus ihrem Talkshow-Auftritt am Sonntagabend erraten konnte.
Friedrich Merz will angeblich einen Schritt weitergehen und fordert markig einen generellen Aufnahmestopp für Syrer und Afghanen. „Nach Syrien und Afghanistan kann abgeschoben werden, weitere Flüchtlinge aus diesen Ländern nehmen wir nicht auf“, schrieb er in seiner #MerzMail vom Sonntag. Im Interview mit dem ARD-Brennpunkt machte Merz dann vor allem die Grünen für die fehlenden Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan verantwortlich.
Vorschlag an Scholz gegen das System
Merz erinnert dann auch an die Dublin-Verordnungen, also das formal noch bestehende EU-Asylsystem, nachdem die CDU in den letzten Jahren den Merkel-Kurs von dessen plötzlicher Nichtgeltung unterstützt hatte – auch noch nach Merkels Abtritt. Nun meint Merz: „Jeder, der in Deutschland Asyl beantragt, ist schon mindestens ein Land zu weit gereist. Nach den europäischen Verordnungen muss im Erstzutrittsland ein Antrag gestellt werden, nicht in Deutschland.“ Daher seien massenhafte Zurückweisungen an der deutschen Grenze nötig. Man müsse „konsequent die Regeln anwenden“ und „dafür sorgen, dass nicht noch weitere Flüchtlinge aus Afghanistan und Syrien nach Deutschland kommen“.
AfD-Sprecherin Alice Weidel hatte schon vor dieser #MerzMail einen „Einwanderungs-, Aufnahme- und Einbürgerungsstopp für mindestens fünf Jahre“ gefordert, sozusagen ein allgemeines Migrations-Moratorium. Die Grenzen seien für diese Art Einreisen zu schließen und „die Personengruppen mit der höchsten Kriminalitätsbelastung abzuschieben“, darunter fallen laut Weidel speziell Afghanen, Syrer und Iraker.
Merz fürchtet „Intensität der Anti-Stimmung“ gegen die Grünen
Im Übrigen dürfte Merz selbst wissen, dass auch die Gesetzesmacher seiner eigenen Partei ihn innerlich für seine Vorschläge in der Luft zerreißen und äußerlich dafür sorgen werden, dass sein Ziel nicht umgesetzt wird. Schon die Reaktion von Herbert Reul bei Caren Miosga sprach da Bände, der sich nicht festlegen wollte, dass diese konkreten Vorschläge nun unbedingt die richtigen seien. Es sind also zunächst einmal Schaufensterforderungen. Merz müsste erst einmal die eigene CDU-Kavallerie engagieren, um sie auch glaubhaft im Meinungskampf zu vertreten.
Aber hat Merz die Bundes-Koalition mit den Grünen damit schon ausgeschlossen? Vor zwei Tagen klangen seine Worte noch deutlich anders. Da sagte er im Interview mit dem SPD-nahen Redaktionsnetzwerk Deutschland: „Es gibt in einigen Ländern Koalitionen mit den Grünen und die werden zunehmend zum Hassobjekt der politischen Diskussion in Deutschland. Und diese Stimmung überträgt sich zum Teil auch auf uns.“ Die „Intensität dieser Anti-Stimmung“ erschrak den CDU-Chef. Warum nur? Offenbar steht Merz nicht prinzipiell gegen diese Partei. Was noch nicht gehört wurde, ist die Antwort von Olaf Scholz auf diese neuesten Merz-Forderungen.
Kühnert: Illegale Einreisen durch „Grundordnung“ vorgegeben
Doch SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert hat im ARD-Morgenmagazin die erwartete Antwort gegeben. Merz habe „viele Vorschläge gemacht, die gehen rechtlich nicht“, hieß es da in unorthodoxem Satzbau. Der Anwendung des Grundgesetzes (Art. 16a) und der Dublin-Verordnungen stehe demnach „die Verfassung, unsere Grundordnung“ entgegen. Das sind die üblichen blutleeren Attitüden einer linken Großstadt-Wokeria, die mit den Problemen des Landes leider in gar keinem Kontakt steht.
Stattdessen begann auch Kühnert von islamverfolgten Zuwanderern zu schwafeln und von „Hasspredigern gerade auch im Netz“. Kühnert nahm daneben sogar die schwarz-grüne Landesregierung von Nordrhein-Westfalen in die Pflicht: Sie müsse nun „auf den Tisch legen“, warum die Rückführung nicht geklappt habe. Merke: Die SPD ist ebenso für Einreisen wie für Abschiebungen und hat in dieser Hinsicht sicher gute Bilanzen vorzulegen, in den von ihr regierten Ländern.