Als die Einspruchsfrist gegen die Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus am 29. November 2021 ablief, lagen mehr als 30 Klagen beim Berliner Verfassungsgerichtshof. Die Kläger fordern eine Wahlwiederholung wegen gravierender Schlampereien und Manipulationen: Eine bisher noch unbezifferte Zahl von Bürgern konnte nicht abstimmen, weil Stimmzettel fehlten, oder ihre Stimme wurde nicht gewertet, weil in manchen Wahllokalen die falschen Stimmzettel gelandet waren. Dafür nahmen wiederum etliche Minderjährige an der Wahl zum Abgeordnetenhaus und zum Bundestag teil, obwohl sie eigentlich nur über die Bezirksversammlungen hätten abstimmen dürfen.
„Es gibt in einer Demokratie keinen wichtigeren Tag als den Wahltag“, so Luthe zu TE. „Und deshalb muss ein solches Desaster wie das Berliner Wahlchaos so schnell wie möglich aufgeklärt werden, wenn man die freiheitlich-demokratische Grundordnung nicht noch weiter beschädigen will. Das weiß auch das Verfassungsgericht.“
Während Einsprüche gegen das Bundestags-Wahlergebnis keine großen Chancen haben dürften, sind die schwerwiegenden Unregelmäßigkeiten bei der Abgeordnetenhauswahl vor Gericht wahrscheinlich nur schwer zu ignorieren. Mehrere Beobachter der Vorgänge halten eine Entscheidung des Landesverfassungsgerichts frühestens im März 2022 für wahrscheinlich.
Noch der alte Berliner Senat hatte unabhängig von den Klagen eine sogenannte „Expertenkommission“ eingerichtet, die die Probleme bei den Wahlen am 26. September aufklären und Vorschläge unterbreiten soll, wie bei den nächsten Wahlen ein Chaos verhindert werden könnte. Berlintypisch ist die große Besetzung: Der Kommission gehören 21 Personen an. Alles, was nötig zur Verhinderung eines erneuten chaotischen Ablaufs wäre, findet sich eigentlich schon in der Berliner Wahlordnung. Die Kommission will ihre Vorschläge trotzdem im März 2022 vorlegen.
Mitglieder sind neben Juristen unter anderem auch Berliner Bezirkswahlleiter und Wahlvorsteher – also diejenigen, die Verantwortung für die Pannen und Peinlichkeiten des 26. September 2021 tragen.