Du kommst hier net rein! Die etwas, aber nicht ganz so Alten kennen den Spruch. Er kam auf, als es üblich wurde, den Einlass in Clubs zu regulieren. „Du kommst hier net rein“ war der Leitspruch des Klischee-Türstehers. Die neue Wagenknecht-Partei macht sich diese Club-Philosophie zu eigen: Nur 44 Mitglieder waren zugelassen, als sich die Partei „Bündnis Sahra Wagenknecht – Vernunft und Gerechtigkeit“ am Montag gegründet und ein erstes Programm gegeben hat.
450 weitere Mitglieder will Wagenknecht in den nächsten Tagen aufnehmen. Mehr nicht. Eine Aufnahmesperre gäbe es nicht, sagt Wagenknecht. Das muss sie auch. Denn das Grundgesetz verbietet Parteien grundsätzliche Aufnahmesperren. Aber es erlaubt ihnen, sich gegen Antragsteller zu entscheiden. Genau das hat Wagenknecht vor, wenn mögliche neue Mitglieder „nicht so konstruktiv“ seien oder „in eine ganz andere Richtung“ wollten, als das die 44 Gründungsmitglieder vorgesehen haben.
Wagenknecht spricht von einer Falle, in die junge Parteien oft tappten: Mitglieder aufnehmen, die vorher schon durch mehrere andere Parteien gegangen und dort negativ aufgefallen sind. Die Grünen haben das in den 80ern erlebt. Bei den Grünen prägte etwa die Indianerkommune die frühen Jahre der Partei. Die stellten Anträge und störten Parteitage, um ihr wichtigstes Ziel durchzusetzen: als Erwachsene Sex mit Kindern haben zu dürfen. In den 80er Jahren liefen solche Perverse unterhalb des medialen Radars. Im Zeitalter der sozialen Netzwerke würde eine solche Strömung massiv der jeweiligen Partei massiv schaden. Über die AfD sind grüne Journalisten in deren ersten Jahren hergefallen – wegen weit harmloseren Gründen als dem Wunsch nach Sex mit Kindern.
Diese Kampagne linker Journalisten hat die AfD in die rechte Ecke gestellt. Diese gesellschaftliche Ausgrenzung von Opposition abzuschaffen, war einst für Wagenknecht die Triebfeder, die Linke zu verlassen und eine eigene Partei zu gründen. Nun sagt sie, die neue Partei wolle keine Mitglieder direkt von der AfD aufnehmen. Das heißt: Wagenknecht will eine Sammlungsbewegung gründen, für alle, die zu den Kartellparteien in Opposition stehen – aber nur für die, die sich noch nicht in dieser Opposition organisiert haben. Die Sammlungsbewegung trägt schon den Kern linken Sektierertums in sich.
Für die EU-Wahl hatte Wagenknecht ursprünglich die Politik-Professorin Ulrike Guérot angesprochen. Als erwiesene Europa-Expertin wäre sie auch die ideale Kandidatin gewesen. Doch sie ist einmal zu oft negativ aufgefallen. Etwa als sie dem TV-Talker Markus Lanz vorwarf, er habe sie zu sehr gestresst und somit zu ihrem Scheidenherpes beigetragen.
Nun setzt Wagenknecht für die EU-Wahl auf Politprofis: Fabio De Masi, der schon für die Linke im Bundestag und im EU-Parlament gesessen hat. Und Thomas Geisel. Der Sozialdemokrat war für eine Wahlperiode der Oberbürgermeister von Düsseldorf. Berufliche Erfahrungen sammelte er bei der Treuhandanstalt. Ansonsten war er vor allem in politischen Jobs unterwegs.
Geisel und De Masi statt Guérot. Das BSW will eine Sammelpartei für den Unmut gegenüber dem Parteienkartell von Linke, Ampel und Union sein – aber das Bündnis will nicht zu sehr anecken, will weiter anschlussfähig sein – auch für grün-linke Journalisten. Etwa in der Bundespressekonferenz. Das dürfte eher zum Eiertanz statt zum Marsch an die Macht werden.
Wie wenig Abweichung sie bereit sind zu dulden, zeigten die Journalisten der Bundespressekonferenz den Vertretern des BSW schon nach dessen Gründung. Die organisierten Journalisten wollten wissen: Sagt, wie haltet Ihr es mit dem „Klimaschutz“. Sagt, wie haltet Ihr es mit der Migration. Sagt, wie haltet Ihr es mit der Ukraine. Gretchenfragen eines Berufsstandes, der sich nicht mehr als Kontrolleur der Mächtigen sieht, sondern als Einpeitscher, der die Bürger auf Einheitskurs halten will.
In einer Frage betonen De Masi und Ali, gegen unkontrollierte Einwanderung zu sein, heiße ja nicht gegen Einwanderung zu sein. Das Bündnis Sahra Wagenknecht ist die Partei, die sich einerseits so stark in Fundamental-Opposition zur Parteienlandschaft sieht, dass sie eine neue Partei für nötig hält. Die aber nur Nuancen verändern will. Eine totale Nuancen-Opposition.