Tichys Einblick

Von der Leyen muss vor den Untersuchungsausschuss

Ihre politischen Freunde werden weniger - Steht am Ende eine Kabinettsumbildung an?

Odd Andersen/AFP/Getty Images

Untersuchungsausschüsse sind ein besonders scharfes Kontrollinstrument eines Parlaments, vor allem ein Instrument der Opposition. Laut Grundgesetz Art. 44 und 45a ist ein solcher nicht-ständiger Ausschuss einzusetzen, wenn es ein Viertel des Bundestages beantragt. Bei den Beweiserhebungen gelten Vorschriften wie bei einem Strafprozess. Gerichte und Behörden sind zur Rechts- und Amtshilfe verpflichtet. Eine Besonderheit gibt es bei der Einsetzung eines Ausschusses für Fragen der äußeren Sicherheit, der Verteidigung und damit der Bundeswehr. Hier ist ein Untersuchungsausschuss identisch mit dem ständigen 36-köpfigen Verteidigungsausschuss.

Untersuchungsausschüsse tagen zwar oft über Jahre hinweg, aber sie sind ihrer Zahl und Häufigkeit nach nicht gerade Parlamentsalltag. So gab es in der Legislaturperiode von 2013 bis 2017 gerade eben fünf Untersuchungsausschüsse: zur NSA, zu „Spade/Selm“, zur Terrorgruppe NSU II, zu Cum/Ex-Geschäften und zum Abgasskandal. In der seit 2017 laufenden Wahlperiode gibt es bislang einen Untersuchungsausschuss zum Anschlag vom 19. Dezember 2016 auf dem Berliner Breitscheidplatz.

Dass der Verteidigungsausschuss zugleich zu einem Untersuchungsausschuss wurde, ist ein paar Jahre her. Von 2009 bis 2011 befasste man sich mit dem Luftangriff in Kunduz in der Nacht vom 3./4. September 2009, bei dem zwei US-Kampfflugzeuge auf Ersuchen eines hohen Offiziers der Bundeswehr einen von Taliban entführten Tanklaster bombardierten und dabei 100 Menschen ums Leben kamen oder verletzt wurden. 2013 dann befasst sich der Verteidigungsausschuss als Untersuchungsausschuss mit dem Hin und Her und dem vorläufigen, kostspieligen Ende der Groß-Drohne Euro Hawk.

Nun also gibt es ins Sachen Bundeswehr bzw. Verteidigungsministerium wieder einen Untersuchungsausschuss. Die Oppositionsparteien Grüne, FDP und LINKE bringen das für die Einsetzung des Untersuchungsausschusses notwenige Viertel-Quorum (mit 11 von 36) auch ohne die AfD, die dies schon vorher wollte, auf die Waage. Gegenstand ist der dreistellige Millionen-Betrag, den das Verteidigungsministerium für externe Berater ausgegeben und dabei gegen Vergaberichtlinien verstoßen hat. Der Bundesrechnungshof hatte die Wirtschaftlichkeit und Rechtmäßigkeit dieser mindestens 200 Millionen Euro teuren Aufträge in Zweifel gezogen. Schnell stand der Vorwurf der Verschwendung von Steuergeldern und gar der Vetternwirtschaft im Raum.

TE berichtete wiederholt darüber:

 

Damit wird es für Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen nun wahrlich ernst. In der mehrstündigen Sitzung des Verteidigungsausschusses vom 12. Dezember hatte sie viele Fragen nicht beantworten können. Zudem war ihre frühere, für Rüstungsfragen zuständige beamtete Staatssekretärin Katrin Suder (vormals McKinsey, im Verteidigungsministerium tätig von August 2014 bis Mai 2018) nicht persönlich im Ausschuss erschienen. Sie wollte die an sie gestellten Fragen nur schriftlich beantworten.

Von der Leyen verteidigte den Einsatz externer Berater erneut. Sie sagte: „Unbestritten ist, dass wir die Projekte selber brauchen, und damit auch den Rat von Experten von außen.“ Vor allem beim Thema Digitalisierung gebe es einen „erheblichen Nachholbedarf“ und Zeitdruck. Deshalb sei externe Expertise nötig. Allerdings räumte von der Leyen Versäumnisse in ihrem Haus beim Umgang mit dem Vergaberecht ein. Um das künftig zu verhindern, seien die Kontrollmechanismen verbessert worden, vor allem hinsichtlich des Einsatzes von Unterauftragnehmern.

Lassen wir einmal dahingestellt, ob das überdimensionale Externen-Unwesen nicht eine riesige Ohrfeige von der Leyens für ihr eigenes Haus ist, dem sie offenbar auch fünf Jahre nach Übernahme des Ressorts nichts zutraut. Viel gewichtiger ist, dass die Bundeswehr in den Negativ-Schlagzeilen bleibt und nicht zu einer Ruhe kommt, die sie braucht, um die gigantischen Aufgaben anzupacken, die in Sachen Rüstung und Personal anstehen. Zumal von der Leyen gerade zwei Tage vor der aktuellen Sitzung des Verteidigungsausschusses auch noch die Chuzpe besaß, weitere 343 Millionen Euro für externe Berater zu fordern.

Ob von der Leyen die Ministerin ist, die alles im Griff hat, wird immer häufiger hinter vorgehaltener Hand auch in ihrer Partei gefragt. Sie, die sich ja schon häufiger für noch Höheres berufen fühlte, hat wohl kaum noch politische Freunde. Man muss sich nur einmal vergegenwärtigen, dass sie als eine der fünf stellvertretenden CDU-Bundesvorsitzenden – ohne einen Gegenkandidaten zu haben – beim CDU-Partei vom 7. Dezember 2018 in Hamburg auf gerade mal 57,47 Prozent der Stimmen kam.

Aber vielleicht ist von der Leyens Schwäche auch die Chance für Kanzlerin Merkel, das Kabinett umzubilden. Nur mal als Gedankenspiel: Merkel könnte von der Leyen entlassen, Peter Altmeier ins Verteidigungsministerium versetzen und in das dann freiwerdende Wirtschaftsministerium – Friedrich Merz wird wohl nicht wollen – Carsten Linnemann holen. Damit hätte Merkel zugleich ein Signal in Richtung des wirtschaftsliberalen Flügels der CDU gesetzt und diesen sediert.

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