Heute morgen stellte Ursula von der Leyen im Europäischen Parlament die Perspektive und die Pläne der EU-Kommission vor, wie es turnusmäßig einmal im Jahr geschieht,. Schließlich ist es wichtig für das Parlament zu wissen, wozu es zuzustimmen hat oder wozu es hätte zugestimmt haben sollen, wenn es gefragt worden wäre. Denn besäße die EU eine Verfassung, würde sie mit den Sätzen beginnen: „§1. Alle Macht geht von der EU-Kommission und von der Kommissionspräsidentin aus. §2. Weder Kommission, noch Kommissionspräsidentin werden vom Volk gewählt. §3 Jede Kritik an der Kommission oder der Kommissionspräsidentin gilt als europafeindlich.“
Inzwischen ist auch die Kommission in atemberaubender Geschwindigkeit zu der Erkenntnis gekommen, dass erstens Chips das Herz der Digitalisierung darstellen, denn digitale Produkte benötigen Chips. Also äußerte von der Leyen die überraschende Erkenntnis: „Wir hängen von Hochleistungschips aus Asien ab.“ Für die europäischen Wirtschaften reduzierte sich in diesem Bereich der Anteil an der Wertschöpfung, obwohl die Nachfrage steigt. Das heißt: Europäische Firmen verpassen den Anschluss an einen Zukunftsmarkt, auch Deutschland, auch Lindners „Land der Wissenschaftler und Ingenieure“. Geht die Entwicklung übrigens in der Wissenschaft so weiter, wird Deutschland nur noch in den Gender Studies führend sein und die Transformation vom Land der Wissenschaftler und Ingenieure zum Land der Genderforscher, Gleichstellungs- und Diversitäts- und Klimaschutzbeauftragten wird abgeschlossen sein.
Von der Leyen hat richtig erkannt, dass Chinas imperialistische Strategie der Neuen Seidenstraße für Europa existenzbedrohend wird. Richtig ist auch, dagegen vorzugehen. Doch wie sehen von der Leyens Maßnahmen aus?
Die Kommissionspräsidentin wünscht sich für die Kommission einen exorbitanten Machtzuwachs. Ein neues Chip-Gesetz soll die europäischen Forschungs-, Entwicklungs- und Testkapazitäten unter Kontrolle der EU-Administration konzentrieren. „Ziel ist es, gemeinsam ein hochklassiges europäisches Chip-Ökosystem zu schaffen, das die Produktion mit einschließt“ Was ist eigentlich ein Chip-Ökosystem? Chips, die nicht von Strom, sondern von kleinen Windmühlen angetrieben werden? Misstrauisch muss stimmen, wenn die Kommission ex cathedra einen europäischen Halbleitermarkt schaffen und Subventionen nach eigenem ökonomischen Sachverstand einsetzen will, dann wird das zuallererst ein Turbowachstumsprogramm für die Brüsseler Bürokratie werden, die für die Lenkung und Leitung und Überwachung des Chip-Gesetzes eine Art zentrale Planungs- und Lenkungsbehörde benötigt.
Wieder wird von der Leyens Ansatz deutlich, alle Macht den Brüsseler Bürokraten zu sichern. Die Chipindustrie der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war die Schwerindustrie. Ein Blick auf die Schaffung der Schwerindustrie in der Sowjetunion zeigt, zu welchen Misserfolgen und desaströsen Konsequenzen eine „teleologische“ Wirtschaftspolitik führt, eine Wirtschaftspolitik also, die von einer zentralen Planung ausgeht und die dem Mechanismus der Planung das dynamische Prinzip der kreativen Zerstörung, der Weiterentwicklung und des Fortschritts opfert. Von der Leyens Vorstellung von der Lenkung der Chipherstellung durch Subventionen und Schaffung von Einheiten durch Brüsseler Ukas, was zu befürchten steht, scheitert daran, dass sie den Kreativen, den Erfindern, den Unternehmern, die Chance zu scheitern raubt und den Weg des „trial and trror“ versperrt, obwohl das Scheitern Bedingung zum Erfolg, für das Bahnbrechende ist.
Notwendig wäre es hingegen, Bürokratie, hemmende Bestimmungen abzubauen, Maßnahmen, die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen, einzuleiten, wie die Abschaffung von Quoten, von Diversitätsvorgaben und Berichtspflichten, die Entideologisierung der Universitäten, Hochschulen und Schulen, der Schutz europäischer Patente, bessere Finanzierung der Forschung und Entwicklung. Wir benötigen ein höheres Bildungsniveau, eine Stärkung der dualen Ausbildung. Firmen müssen von Beschränkungen und „Öko“-Vorgaben, von Klimaapokalyptik verschont werden. Am besten allerdings wäre es, wenn die Kommission gar nichts täte, es sparte viel Geld und würde die Firmen nicht gängeln.
Was die Kommission tun könnte, ist eine klare Politik gegen die Übernahme europäischer Firmen durch chinesische Investoren zu verfolgen. Aufgabe der EU, vor allem der nationalen Regierungen entsprechend der Subsidarität ist es, Schutz und günstige Rahmenbedingungen für die Entwicklung, Produktion und Verkauf von Chips zu schaffen, anstatt selbst in die Entwicklung, die Produktion und den Verkauf von Chips eingreifen zu wollen. Letzteres bedeutet Sozialismus – und das geht schief.
Recht hat die Kommissions-Präsidentin, wenn sie unter dem Stichwort „Global Gateway“ internationale Infrastrukturpartnerschaften schließen möchte, weil es „für Europa keinen Sinn“ macht, „eine perfekte Straße zwischen einer Kupfermine in chinesischem Besitz und einem Hafen in chinesischem Besitz zu bauen.“ Allerdings geht Europa hier nicht „klüger“, sondern blauäugig vor, wenn von der Leyen im hohen Ton einer abstrakten Moral deklariert: „Wir wollen Verbindungen schaffen, nicht Abhängigkeiten“, denn natürlich geht es um Abhängigkeiten, mit anderen Worten um Verlässlichkeit.
Ohne „Abhängigkeiten“ zu schaffen, wird man am Ende des Tages doch „eine perfekte Straße zwischen einer Kupfermine in chinesischem Besitz und einem Hafen in chinesischem Besitz“ geschaffen haben. Die Welt befindet sich in einem Wandel, neue Mächte steigen auf, alte ab. Mit anderen Worten: Es geht „imperialistisch“ zu. Es wäre also die Aufgabe, auch wenn alle moralische Empörung auf dieses böse Wort fallen mag, im Kern über einen modernen Imperialismus als Selbstbehauptungs- und Entwicklungsstrategie im Rahmen einer geopolitischen Perspektive nachzudenken. Verabsäumen das die europäischen Staaten, dann wird es ihnen in der „Global Gateway“ Konzeption im Wettbewerb mit China ergehen wie dem Hasen im Märchen von „Hase und Igel“.
Auch europäische Staaten haben Interessen – auch in ihren Verhältnissen untereinander. Es wäre die vornehmste Aufgabe der Kommission als Hüterin der Verträge durch einen kluge Diplomatie und Vermittlung, die Interessen der Länder der EU so auszugleichen, dass China keinen Keil zwischen größere und kleinere Länder der EU, zwischen mittel- und osteuropäische und westeuropäische Staaten zu treiben vermag. Gerade hier versagt die EU-Kommission aus eigenen Machtambitionen vollständig und spaltet Europa.
Von der Leyen Vorstellung einer europäischen Verteidigungsunion gilt einzig und allein dem Ziel, die EU-Kommission zur europäischen Regierung zu erheben, nachdem sie vor kurzem schon das Projekt einer Gesundheitsunion skizziert hat. Damit würde nicht mehr demokratisch in Europa, sondern oligarchisch über Europa regiert.
Die neue Linie der EU und Deutschlands, im Endeffekt die Taliban zu finanzieren, natürlich über hehre Hilfsprojekte, um angeblich die Migration der Afghanen zu verhindern, stellt eine Wiederauflage der verhängnisvollen Appeasement-Politik dar, die am Ende den Islamismus zu einer Großmacht im Weltmaßstab machen könnte.
Statt günstige Wettbewerbsbedingungen für die Wirtschaft zu schaffen, will von der Leyen die Wirtschaft dazu verpflichten, auch bei ausländischen Geschäftspartnern auf die Einhaltung von Menschenrechten zu achten. Was stellt sich von der Leyen vor? Dass die Wirtschaft Europas als internationaler Menschenrechtspolizist auftritt? EU-Vorschriften, die die Bestimmungen des deutschen Lieferkettengesetzes noch übertreffen, stellen eines der besten Konjunkturprogramme für die chinesische Wirtschaft auf Kosten der europäischen dar. Man wird die Bedingungen in der Welt, unter denen produziert wird, wenn man sich selbst wirtschaftlich aus dem Spiel nimmt und Platz für China macht, nicht verbessern, sondern verschlimmern. Schlimmer noch, man wird umso weniger Einfluss auf die Entwicklung von Freiheit, Demokratie, Menschen- und Bürgerrechten auf der Welt nehmen können, je schwächer man wirtschaftlich ist. Jedenfalls verdient diese Idee von der Leyens den großen Preis zur Förderung der chinesischen Wirtschaft und der politischen Macht Pekings.
Im großen und ganzen spiegelt die Perspektive der Europäischen Kommission den unbedingten Willen zur Macht der Kommission in Europa wieder, der an Methoden der wirtschaftlichen Planung und Leitung erinnert, die man aus sozialistischen Systemen kennt. Es könnte den Anschein haben, dass man China mit China austreiben wollte, wenn man nicht den Primat der Moral vor der Wirtschaft setzen würde und damit sich letztlich von China austreiben lässt. Man will mit der Neuen Seidenstraße konkurrieren, indem man überall Fahrradwege baut.