Tichys Einblick
Russlands Wirtschaft "brüchiger" machen

Von der Leyen droht Putin mit Sanktionen und offenbart die Verletzlichkeit der EU

Während die Präsidentin der Europäischen Kommission Russland mit konkreten Sanktionsdrohungen zu beeindrucken versucht und indirekt Europas Verletzlichkeit zugibt, sichert sich der Moskauer Machthaber die Unterstützung des wohl mächtigsten Mannes der Welt in Peking.

Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission

IMAGO / ZUMA Wire

In der Krise um die womöglich bevorstehende militärische Aggression Russlands gegen die Ukraine herrscht derzeit ein wilder diplomatisch-kommunikativer Aktionismus. Von westlicher Seite wird einerseits versucht, Russlands unverzichtbare propagandistische Unterfütterung einer möglichen Militäraktion gegen die Ukraine im Vorhinein zu entkräften, während die Präsidentin der Europäischen Kommission in einem Interview mit dem Handelsblatt und Les Echos verkündet, die EU bereite „ein robustes und umfassendes Paket von Finanz- und Wirtschaftssanktionen“ gegen Russland vor.

Dieses umfasse die „Kappung des Zugangs zu ausländischem Kapital“ sowie „Exportkontrollen vor allem technischer Güter“, was die „russische Wirtschaft noch brüchiger“ mache. Und – im Berliner Kanzleramt und anderswo in Deutschland wird man aufhorchen – auch die Frage, ob Nord Stream 2 in Betrieb gehen könne, hänge „vom Verhalten Russlands ab“. Auch Wirtschaftsstrafen gegen Putin persönlich schloss von der Leyen nicht aus und warnte: „Personen aus dem Umfeld Putins und Oligarchen könnten natürlich empfindlich getroffen werden.“

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Bei den nicht mehr nach Russland zu exportierenden technischen Gütern gehe es, so von der Leyen, „um High-Tech-Bauteile, die Russland nicht einfach ersetzen kann, etwa im Bereich Künstlicher Intelligenz und Rüstung, bei Quanten-Computern, Lasern und in der Raumfahrt“, erläuterte von der Leyen. Auf die sei Russland zur Erneuerung seiner Wirtschaft angewiesen.

Von der Leyens Antwort auf die Frage nach der Gas-Versorgung Europas aus Russland – „Drohen Versorgungsengpässe?“ – klingt nicht besonders beruhigend: „Das muss nicht sein, solange Gazprom und Russland sich an ihre Lieferversprechen halten. Die Fragen, die wir uns stellen, sind: Was passiert, wenn Russland sein aggressives Verhalten gegenüber der Ukraine intensiviert? Und was heißt das dann für die Energiesicherheit in Europa?“ Statt Antworten hat von der Leyen also nur Fragen zu bieten, die sich ohnehin jeder stellt. Letztlich gibt sie indirekt zu, dass es Putin mithilfe seines Staatskonzern Gazprom in der Hand hat, Versorgungsengpässe in Europa hervorzurufen.

Später sagt sie dann, auf Alternativen zum russischen Gas angesprochen: „Wir sprechen im Prinzip mit allen, angefangen bei Norwegen, dem Lieferanten, mit dem wir schon lange und verlässlich gearbeitet haben. Aber auch mit Katar, Aserbaidschan und Ägypten. Eine große Rolle spielen natürlich die USA.“ Und noch einmal darauf angesprochen, ob Europa ein russisches Gas-Embargo verkraften würde, spricht von der Leyen über 20 neue Terminals für Flüssiggas und schwärmt von Erneuerbaren Energien: „Jetzt zeigt sich, dass Energie aus Wind, Sonne und Biomasse nicht nur im Kampf gegen den Klimawandel wichtig ist, sondern auch strategische Bedeutung für die EU hat. Denn das sind günstige und heimische Energieträger. Die Kosten für die Erneuerbaren sind in der letzten Dekade drastisch gesunken. Um 75 Prozent bei Solarenergie, um etwa zwei Drittel bei Offshore-Wind. Das heißt, das ist inzwischen ein richtig guter Business-Case.“ Offenbar hat sie sich länger nicht mehr über die Energiewende in ihrem Heimatland und die dortigen Subventionen für Erneuerbare informiert. Für die Hersteller von Windkraftanlagen mag es ein gutes Geschäft sein, für die Steuerzahler und Energiekunden wohl weniger.

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Der Mann, um den sich in dieser Krise fast alles dreht, Putin, ist derweil in Peking zur Eröffnung der von westlichen Politikern weitgehend gemiedenen Olympischen Winterspiele  – und sicherte sich die Unterstützung des dortigen Machthabers Xi Jinping in der Frage, die für ihn wohl im Zentrum steht: In einem gemeinsamen Statement fordern Putin und Xi die Nato zu einem Verzicht auf die „weitere Ausdehnung“ des Bündnisses. Die Nato solle „Souveränität, Sicherheit und Interessen anderer Länder respektieren“. Mit diesen Ländern sind offenbar aber weder die Interessen ehemaliger Sowjetrepubliken gegenüber Russland, noch Taiwans gegenüber der Volksrepublik China gemeint.

Nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters hat Putin auch einen Vertrag zur zusätzlichen Lieferung von 10 Milliarden Kubikmeter Erdgas an China mit im Gepäck. Auch das dürfte ein Signal an Europa und nicht zuletzt Deutschland sein, dass Russland nicht unbedingt auf den Gas-Export nach Westen angewiesen ist.

Sowohl die Washington Post als auch das US-Verteidigungsministerium berichten zeitgleich von russischen Plänen zur Inszenierung eines vermeintlichen Angriffs des ukrainischen Militärs auf russischem Hoheitsgebiet oder gegen russischsprachige Menschen in der Ostukraine. Zu diesem Zwecke sagte Pentagon-Sprecher John Kirby am Donnerstag, würde dann „ein sehr anschauliches Propagandavideo“ produziert. Er unterstellte, dass darin mit Schauspielern nachgestellte Szenen von Gewalttaten und Trauernden zu sehen sein würden und auch das dort gezeigte militärische Ausrüstung so aussehen würde, als handele es sich um Waffenhilfe des Westens. Beweise lieferte Kirby für diese Vorwürfe nicht.

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