Sie sah sich schon als zukünftige Kanzlerin. Sie sah sich schon als Bundespräsidentin. Sie sah sich schon als NATO-Generalsekretärin. Nun, wer sich offenbar für alles geeignet sieht, der bekommt vom Volksmund entgegengeschleudert: „Zu allem fähig und zu nichts zu gebrauchen.“ Nicht einmal ihre „eigene Partei“, die CDU, sympathisiert mir ihr. Bei den Wahlen auf einen der Vize-Posten an der Spitze der CDU bekam sie regelmäßig die schlechtesten Ergebnisse aller Bewerber und jeweils ohne Gegenkandidatur zu oft nur um oder unter 60 Prozent Zustimmung.
Die Rede ist von Ursula von der Leyen. Nun soll sie in der Nachfolge von Jean-Claude Juncker Präsidentin der EU-Kommission werden – falls das Parlament der EU diesen Vorschlag mitträgt. Der Ausgang ist in mehrfacher Hinsicht ungewiss. Aber zurück bleiben jetzt schon Scherben über Scherben, und zurück bleibt ein Haufen Schwerstbeschädigter.
Schwerstbeschädigte Nr. 1 ist Angela Merkel. Sie hat sich weder mit Manfred Weber noch mit Frans Timmermans durchgesetzt. „Königin von Europa“ – das war einmal. Sie hat eine Klatsche nach der anderen eingefahren, am Ende hat sie eine Kandidatin eingebracht, die auf dem Schleudersitz eines Bundestagsuntersuchungsausschusses sitzt, und sie fliegt gedemütigt nach Hause zurück. Viele Kommentatoren sehen das so wie BILD: „Zu kurz gedacht” und WELT: „Die Kanzlerin kehrt gleich dreifach gedemütigt nach Berlin zurück”.
Schwerstbeschädigter Nr. 2 ist „Spitzenkandidat“ Manfred Weber. Für ihn wird es allenfalls noch ein Trostpflaster geben, etwa in Form einer halben Amtszeit als Präsident des EU-Parlaments.
Schwerstbeschädigte Nr. 3 ist die SPD. Sie sitzt in der GroKo und kann nur zuschauen, wie Merkel trickst, taktiert und scheitert. Eigentlich müsste die SPD jetzt zwei Konsequenzen ziehen: Ausstieg aus der GroKo und zusammen mit allen anderen Sozialdemokraten der EU Verweigerung der notwendigen Bestätigung von der Leyens im Parlament der EU.
Schwerstschwerstbeschädigte Nr. 4 ist die CSU: Sie hatte alles auf Manfred Weber gesetzt und bei der sog. Europawahl in Bayern mit etwas mehr als 40 Prozent für die CSU immerhin noch das achtbarste Ergebnis eingefahren; ohne diese 40 Prozent wäre die Merkel-CDU ja bei 22 Prozent gelandet. Dass Angela Merkel Manfred Weber fallenlassen würde, war ja schon vor der Wahl abzusehen. Die Art, wie sie es tat, indem sie sich auch noch für Webers Gegenpart Frans Timmermans ins Zeug legte, kann sich die CSU nicht gefallen lassen. Mit Demutsrhetorik à la Markus Söder ist es da nicht getan. Söder wörtlich: „Manfred Weber wäre der legitime Kommissionspräsident gewesen, das wäre auch der demokratischste Weg gewesen. Es ist bitter, dass die Demokratie verloren und das Hinterzimmer gewonnen hat.“ Wenn das alles an Reaktion war, dann kann sich die CSU in Kürze zum Landesverband einer Merkel-CDU umbenennen.
Schwerstschwerstschwerstbeschädigter Nr. 5 ist der Wähler in Deutschland. Mit über 60 Prozent Wahlbeteiligung hat er sich im Mai an die Urnen locken lassen. Maßgeblicher Grund für diese erstaunlich hohe Wahlbeteiligung war das Modell „Spitzenkandidaten“. Dieses Modell ist in den Kungel- und Hinterzimmerrunden der Regierungschefs der Länder der EU wie ein Kartenhaus in sich zusammengefallen. Wie ernst der Wähler im Jahr 2024 die Wahlen zum EU-Parlament nehmen wird, lässt sich jetzt schon ausmalen. EU-Demokratie, das ist mehr als je zuvor bestenfalls EU-Demokratur. Und: Die Deutschen sind erneut die Kellner, die Franzosen die Köche.
Ob die Bundeswehr ein Gewinner ist, wenn sie von der Leyen als Ministerin loshat? Vielleicht! Es kommt darauf an, wer ihr im Bendlerblock nachfolgt. Tauber als ihr parlamentarischer Staatsekretär? Unmöglich! AKK, um sie als CDU-Vorsitzende in die Kabinettsdisziplin einzubinden? Hoffentlich nicht, denn mit der Bundeswehr hat sie so wenig am Hut wie von der Leyen. Außerdem würde die CDU-Zentrale damit erneut zur Außenstelle des Kanzleramtes. Alle anderen Namen, die durch den Äther schwirren, sind aus den unterschiedlichsten Gründen ohne Chance: Altmaier, Merz, Maaßen usw. Die Chaos-Tage gehen weiter.