Tichys Einblick
Visa-Affäre und Afghanistan-Programm

NGO-Beteiligte: Aufnahmeprogramm öffnete Korruption und Vetternwirtschaft Tür und Tor

Während das ZDF sich weit zurücklehnt und uns noch einmal zeigt, wie schlimm der Abzug der Bundeswehr vor drei Jahren war, läuft das Bundesaufnahmeprogramm für Afghanen weiter. Immer mehr Ungereimtheiten und wirkliche Skandale finden sich rund um die Visa-Erteilung des Auswärtigen Amtes.

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Eine „Katastrophe mit Ansage“ sei es gewesen, was da im August 2021 in Kabul geschah. Zu dem Schluss kommt eine neue Enthüllungsstory des ZDF, die mit allerhand geleakten Akten der Bundesregierung hantiert, mit so vielen, dass man sie nicht einmal alle lesen konnte. Das ist beim Papierausstoß deutscher und anderer Behörden keine Seltenheit. So weit zu den Formalien. Aber Inhalt und Absicht des Films sind noch interessanter als das.

Co-Autorin Ciara Cesaro-Tadic, die behauptet, eigenhändig einen Code programmiert zu haben, um die Massen an Akten auswerten zu können, spricht bald schon von Afghanen, die als „schutzbedürftig“ galten, und dass sie folglich einen „Anspruch“ gehabt hätten, ausgeflogen zu werden, und darunter seien „unter anderem die Ortskräfte“ gewesen.

Schon aus diesem Bruchstück wird klar, auf welcher Welle der Beitrag segelt. Es ist die grüne Welle der unbegrenzten Schutzpflicht des deutschen Staates, nicht nur für die echten Ortskräfte der Bundeswehr, sondern auch für jene, die schon im Laufe des Sommers 2021 missbräuchlich dazu erklärt wurden: Helfer und Mitarbeiter von Bundesministerien, der deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit oder sonstiger NROs (Nicht- oder besser Neben-Regierungs-Organisationen, vom Englischen her auch NGO genannt), die in Afghanistan tätig waren.

Baerbocks Traum vom „Einfliegen im großen Stil“

Man sieht, es geht um die Erweiterung eines Begriffs, weg von den ursprünglichen – vielleicht, doch auch nicht immer – schutzwürdigen Ortskräfte hin zu NRO-Mitgliedern und am Ende auch zu deren Bekannten. Das alles entspricht der radikalen Entgrenzung einer Idee, die noch heute Früchte trägt. Die Bundesregierung spricht derzeit schlicht von „gefährdeten Personen“, die vom deutschen Staat aus Afghanistan ausgeflogen werden sollen.

Daneben erfährt man aus dem ZDF-Film „Geheimakte Kabul. Deutschlands Versagen in Afghanistan“ einiges über Merkels Weigerung, sich vorab mit der ordentlichen Beendigung des Afghanistan-Einsatzes zu beschäftigen. Diese Herangehensweise der Kanzlerin ist einer der Gründe – wenn nicht der zentrale – für die humanitäre Notlage deutscher Ortskräfte im Sommer 2021, als die Bundesregierung keine klare Trennungslinie ziehen konnte zwischen jenen, denen sie Schutz in gewisser Weise schuldete – dem widersprach bei den echten Ortskräften der Bundeswehr nicht einmal die AfD – und einer großen Menge anderer Personen, denen Schutzbedürftigkeit erst später attestiert wurde. Der Personenkreis wuchs zusehends, am Ende wohl auch, um die Fluglisten des Auswärtigen Amts zu füllen und das (angeblich humanitäre) Versprechen des „Bundesaufnahmeprogramms Afghanistan“ wahrzumachen. Das war dann schon unter den Ministerinnen Baerbock und Faeser.

Baerbock wollte sich ihren Traum vom „Einfliegen im großen Stil“ erfüllen und damit eine mächtige Gegenerzählung gegen das „Abschieben im großen Stil“ von Olaf Scholz etablieren – obwohl Scholzens Anfall von Strenge in einem Spiegel-Interview genau genommen erst danach kam. Es bleibt aber dabei, das Aufnahmeprogramm für afghanische Schutzbedürftige sollte der breiteren deutschen Öffentlichkeit signalisieren: Es ist gut, Afghanen aus ihrem Land und aus der breiteren Region zu retten, und wir als Deutsche haben eine besondere Verpflichtung dazu.

Diese Erzählung war zugleich eine „Rechtfertigung“ für die um vieles zahlreicheren illegalen Einreisen von Afghanen ins Bundesgebiet über Nachbarstaaten und grüne Grenze. Knapp 24.000 Afghanen stellten allein in diesem Jahr einen Asylantrag. Sie kommen zu einer afghanischen Gemeinde von über 400.000 hinzu (419.000 Stand vom 31. Dezember 2023). Die Eingeflogenen mussten und müssen keinen Schutzantrag mehr stellen. Noch ein Vorteil. So flog die Bundesregierung schon jetzt fast ein Zehntel der hiesigen afghanischen Gemeinde nach Deutschland ein.

Die Visa-Affäre rund ums Auswärtige Amt und die verantwortliche Ministerin Baerbock, die ja der Ermöglichung und Fortsetzung genau dieser Politik gedient hat, findet derweil kein Ende. Gerade erst war dank einer parlamentarischen Frage des Abgeordneten Detlef Seif (CDU) klar geworden, dass die Staatssekretärin Susanne Baumann es wirklich darauf abgesehen hatte, eine kritische Botschaftsmitarbeiterin in der Visastelle Islamabad kaltzustellen. Baumann übertrug die „Verfahren zur Aufnahme von besonders gefährdeten Afghaninnen und Afghanen“ schlicht einem Mitarbeiter „des höheren Dienstes“ und entband die einfache Mitarbeiterin von ihrer bisherigen Tätigkeit.

Und sachliche Gründe soll es für diese Umorganisation nicht gegeben haben – glaubt Seif –, auch wenn Baumann in ihrer offiziellen, offenbar selbst geschriebenen Antwort behauptet, es sei nur darum gegangen, das „stark gestiegene Arbeitsaufkommen im Zusammenhang mit den komplexen Abläufen beim Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan“ zu bewältigen. Das sind so Leerformeln aus dem Bürokratie-Sprech. Aber bedenklich ist es doch, wie sehr Baerbock ihre Energien und die ihres Ministeriums auf die Aufnahme von oft zweifelhaften „gefährdeten Personen“ aus Afghanistan konzentriert hat.

Daneben kommen immer neue Details zu weiteren Skandal-Bausteinen hinzu. So geht es erneut um den Fall eines stellvertretenden Referatsleiters – kein geringer Posten – im Referat für Visumsrecht, der sich laut einer Auskunft des Auswärtigen Amtes nur „um Grundsatzfragen“ kümmere. Welcher Art diese Grundsatzfragen waren, kann man an einer neu veröffentlichten E-Mail ersehen. Darin setzte sich der Beamte ausdrücklich für die Vergabe von humanitären Visa (nach § 22 S. 2) ein, weil die „den besseren Status in DEU“ (also in Deutschland) gewährten. Das möchte der Vize-Referatschef auch für Studenten durchsetzen, die eher „zufällig“ auf Listen des Auswärtigen Amtes gelandet sind, obwohl sie sich parallel auch um normale Studentenvisa bemüht haben. Laut BI-Reporter Ulrich Thiele sorgte diese Anweisung für Unmut in der Botschaft, denn ein „Gefährdungsstatus“ sei in diesen Fällen oft gar nicht erkennbar.

Und so kommen wir auch zu weiteren Beispielen von Fällen, in denen die „Aufnahmezusage … definitiv nicht mit rechten Mitteln erteilt wurde“, laut Mitarbeitern der Botschaft Islamabad. Etwa der Fall des Studenten (?) Jawid A., der mit einem humanitären Visum per Charterflug nach Deutschland eingeflogen wurde. Zu Jawid A. hieß es: „Grund der Evakuierung ist keinesfalls nachvollziehbar, da Herr A. ein reguläres Studentenvisum am Laufen hatte“, aber in diesem Verfahren nie von einer Gefährdung gesprochen hatte. Ähnliche Beispiele scheint es zuhauf zu geben. Durch die Vergabe von humanitären Visa würden die betroffenen Studenten „gegenüber anderen priorisiert“, also bevorzugt. Ein „Fast-Track“ würde aufgebaut – also ein Zwei-Klassen-System bei der Visavergabe. Die Botschaftsmitarbeiter protestierten sehr, es hat aber wohl nichts genützt.

NGO-Beteiligte: Aufnahmeprogramm ist „perfide und zerstörerisch“

Vorteile haben die humanitären Visa allerdings einige: Die Empfänger zahlen nämlich keine Flugkosten – übernimmt ja der Bund als Chartergesellschaft. Außerdem kann die Kernfamilie sofort mitkommen, und eine Einbürgerung ist dann am Ende auch „einfacher möglich“. Einfach, einfacher, Auswärtiges Amt, möchte man da sagen. Bürokratie, Urkundenprüfung und Maßstäbe, ade!

Ulrich Thiele weiß noch mehr aus seinen Recherchen zu erzählen, so über Antworten des Auswärtigen Amtes, die trotz öffentlichem Erkenntnisinteresse nur „unter drei“, also als Hintergrund-Info vergeben werden. Wenn diese Antworten dann zudem nicht stimmen und nur als Notlüge zu verbuchen sind, wie Thiele ebenfalls berichtet, dann ist das allerdings ganz schlecht. Demnach hat die Frau jenes stellvertretenden Referatsleiters, der sich nur mit Grundsatzfragen beschäftigt und dabei ganz „grundsätzlich“ für humanitäre statt einfache Studentenvisa plädiert, auch im April 2024 einen Online-Kurs für Botschaftsmitarbeiter ganz ohne Ausschreibung geben können. Für das AA war das allerdings kein Kurs für es selbst, sondern nur für einige Botschaften, die dem Amt aber unterstehen. So sehen die Notlügen vom Werderschen Markt aus. Auch Thiele empfand das als Täuschungsversuch.

Was man außerdem über das Bundesaufnahmeprogramm erfährt: Es öffnet „Korruption und Nepotismus Tür und Tor“ und sei auch für die beteiligten NGOs ein „perfides und zerstörerisches“ Angebot. Das sagte schon vor einiger Zeit keine andere als Theresa Breuer, Mitgründerin der berühmten „Kabul Luftbrücke“, die wohl noch immer zu den meldeberechtigten Stellen gehört. Breuer meint zu dem Programm und der Mitwirkung von NGOs, dass letzteres nur deshalb geschehe, weil „die Bundesregierung sich nicht selbst mit Anträgen herumschlagen wollte“. Doch zugleich hielt man auch die Namen der Meldestellen geheim, angeblich, weil sie sonst sofort von Anträgen überflutet worden wären. Doch die „Idee eines fairen Aufnahmeprogramms“, der Breuer offenbar anhing, sei dadurch zerstört worden.

Was bleibt, sind dunkle Kanäle

Nun gibt es eben nur die dunklen Kanäle, nahe an der Macht, die über Wohl und Wehe der Antragsteller mitentscheiden und oft vielleicht nur dem Nachbarn und dem Nachbarn vom Nachbarn einen „Gefallen“ tun wollen – wo nicht Schlimmeres. Die Grünen an der Spitze des Auswärtigen Amts – und vielleicht ebenso SPD und FDP in den verantwortlichen Ministerien des Innern usw. – haben es geschafft, aus einem wohltätig-humanitären Aufnahmeprogramm eine reale „Mördergrube“ zu machen, durch die Unterstützer der Taliban, russische und pakistanische Spione, Scharia-Gelehrte und welche Gruppen sonst noch nach Deutschland kommen können und sogar eigens eingeflogen werden, ohne dass es dazu eine irgendwie geartete Kontrolle gäbe oder die Sache auch nur annähernd transparent gehandhabt würde.

Auch Breuer schloss ihren Vortrag mit dem Satz: Aus dem Programm für Gefährdete sei längst ein „Programm für Bekannte von NGO-Mitarbeitern“ geworden. Für alle, die sich mit dem Thema befassen, bleibt es bei der Frage, wie Grüne eine Sache, die ihnen angeblich wichtig ist, so sehr in den Sand setzen können und dabei auch noch haufenweise Skandälchen zulassen, die am Ende auf eine große Visa-Affäre rund um die Ministerin Baerbock hinauslaufen.

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