Tichys Einblick
Anschlagsrisiko bei Fußball-EM

Messer, Schreie, Panik – Wie verhalte ich mich richtig bei einem Terroranschlag?

Innenministerin Nancy Faeser will am 1. Juni die Grenzen dichtmachen (Neuerdings geht das?) Terrorwarnungen wie auch Terroranschläge sind mittlerweile Alltag. Die Fußball-EM als Großereignis ist davon besonders bedroht. Wie sollten sich Fußballfans bei Terror verhalten?

IMAGO

Den Terroranschlag in Moskau, bei dem im März diesen Jahres 140 Menschen getötet wurden, reklamierte die afghanische Untergruppe Islamischer Staat Provinz Khorasan (IS-PK) für sich. Schwer bewaffnete Täter stürmten ein Veranstaltungszentrum und exekutierten wahllos Konzertbesucher. Am Boden liegende Verletzte wurden von Salven der Maschinengewehre durchsiebt, andere starben an Rauchvergiftungen durch die zeitgleich gelegten Brände. Ein lange im Voraus geplantes Blutbad bezahlter Mörder.

Der IS-PK ist auch in Deutschland sehr aktiv. So wurden beispielsweise im März in Brandenburg zwei Afghanen festgenommen, die einen Anschlag auf das schwedische Parlament geplant hatten. Sie sind mutmaßlich Angehörige des IS-Porvinz Khorasan. Doch besonders aufhorchen ließ die jüngste Ausgabe des Propagandamagazins „Voice of Khorasan“. Die ausgesprochene konkrete Drohung gegen die Veranstaltungsorte der anstehenden Fußball-EM ist durchaus ernst zu nehmen. Zumal beispielsweise in Gelsenkirchen eine große Salafisten-Szene aktiv ist.

Der deutsche Verfassungsschutz spricht von einem „Grundrauschen“, einer erhöhten Anschlagsgefahr, die sich nicht nur auf den IS bezieht. So richtet sich beispielsweise im Zuge des anhaltenden Gaza-Konflikts die Wut bereits verbotener, der Hamas nahestehenden Vereine gegen den Waffenlieferanten Deutschland. Die islamistische Szene radikalisiert sich. Im unglücklichsten Fall können Fußballfans, wie jede andere Menschenansammlung, davon betroffen sein.

Was ist das wahrscheinlichste Anschlagsszenario?

Grundsätzlich ist das eigene Verhalten zunächst abhängig von der Frage der eingesetzten Mittel des Terroranschlags. Es ist eher unwahrscheinlich, dass, so wie zuvor in Moskau, schwer bewaffnete Terroristen bis in die Nähe der Stadien gelangen. Auch wenn der Schwarzmarkt mit Kriegswaffen und Munition durch den andauernden Ukraine-Konflikt überschwemmt ist. Aber die Kontrollen und die vorbeugenden Maßnahmen der Polizei und der eingesetzten Spezialkräfte sind als lückenlos einzuschätzen. In und um die Stadien gilt zudem ein Drohnenverbot, so dass auch diese Form der Bedrohung wegfällt.

Ein Anschlag mit Chemikalien ist schon wahrscheinlicher, zumal es im vergangenen Jahr bereits einen Rizin- und Cyanid-Fund bei einem mutmaßlichen Islamisten in Castrop-Rauxel gab. Allerdings sind die meisten Chemikalien eher flüchtig und können bei einer Openair-Veranstaltung nicht ihre verheerende Wirkung entfalten, der für einen Terroranschlag und die damit verbundene mediale Berichterstattung erzielt werden soll.

Für eine maximale Aufmerksamkeit würde es bereits ausreichen, wenn eine Gruppe von Attentätern mit kleinen Messern oder Skalpellen einer möglichst großen Gruppe von Menschen Verletzungen insbesondere im Halsbereich zufügt. Innerhalb des Gedränges vor dem Stadion beim Einlass oder nach dem Spielende, steigt das Risiko.

Von den Amokläufen lernen: Run – Hide – Fight

In den USA trainieren sowohl Schulen als auch große Firmen mit ihren Mitarbeitern ein Run – Hide – Fight-Verhalten. Die zahlreichen Amokläufe haben für dieses Thema ausreichend sensibilisiert. Im ersten Schritt sollte man versuchen, sich selbst möglichst weit aus der Gefahrenzone zu entfernen, um dann nach einem geeigneten Versteck zu suchen und sich dort zu verbarrikadieren. Die Chancen einen oder sogar mehrere Attentäter allein mit bloßen Händen zu überwältigen, tendieren gegen Null. Nur im äußersten Fall sollte mit größtmöglicher Kraft zurückgeschlagen (Fight) werden, aber das letztlich auch nur als Gruppe. Wichtiger ist es, das eigene Handy sofort auf lautlos zu stellen und, wenn gefahrlos möglich, die Polizei mit einer Angabe zum Aufenthaltsort und die eigenen Beobachtungen zu verständigen.

Klar sollte jedem sein, dass vorrückende Einsatzkräfte der Polizei die Priorität auf die Sicherung des Tatorts und das Aufspüren der Täter legen. Erste Hilfe-Maßnahmen können sich nur die von dem Anschlag Betroffenen untereinander leisten. Sanitäter dürfen nur dann vorrücken, wenn das für deren eigenes Leben gefahrlos möglich ist. Wichtig ist es außerdem, den Anweisungen der Sicherheitskräfte im Einsatz bedingungslos und unverzüglich Folge zu leisten. Auch sie sind nur Menschen, die in dem Moment unter extremen Stress stehen.

Letztendlich ist es sinnvoll, die Fußballspiele in kleinen Gruppen zu besuchen, die sich über die sozialen Medien schnell untereinander verständigen und auf diese Weise „merkwürdige“ Situationen meiden können. Eine Notruf-Nachricht mit der eigenen Standortangabe kann immerhin geräuschlos an Freunde versendet werden, die dann über den allgemeinen Notruf 110 die Polizei benachrichtigen.

Der Sinn von Terroranschlägen ist es, Unruhe und Panik zu schüren und ein Zeichen zu setzen, dass niemand in Europa sich sicher fühlen kann. Daher ist die eigene Aufmerksamkeit für das persönliche Umfeld trotz aller geplanter Sicherheitsmaßnahmen angebracht. Darauf können auch die Stadionsprecher nochmals hinweisen. Aufmerksamkeit kann Leben retten.

Anzeige
Die mobile Version verlassen