Es geht um den Livestream mit dem US-Präsidentschaftskandidaten Donald Trump in der Nacht auf Dienstag auf Musks Social-Media-Plattform X. Dieser Vorgang hat den für Digitales zuständigen EU-Kommissar Thierry Breton auf den Plan gerufen – in einem Aufsehen erregenden Vorgang.
Da die Gefahr bestehe, dass potenziell schädliche Inhalte im Zusammenhang mit Veranstaltungen mit großem Publikum in der ganzen Welt verbreitet würden, habe er sich an Musk gewendet, teilte Breton am Montagabend brieflich Musk und der Öffentlichkeit mit. In dem Brief an Musk warnte Breton den Interviewer und Besitzer der Plattform „X“ vor den Auswirkungen seines Verhaltens.
Hohe Strafen für ein Interview
„Wir werden nicht zögern, unser ganzes Instrumentarium einzusetzen“, schrieb Breton in dem Brief. „Mit einem großen Publikum komme eine große Verantwortung. Bei Verstößen gegen den DSA kann die EU eine Strafe von bis zu sechs Prozent des weltweiten Jahresumsatzes verhängen. Im Ernstfall kann sie die Plattform in der EU verbieten.“
Da dieser Brief unmittelbar vor dem global als Sensation empfundenen Interview veröffentlicht wurde, wird der Vorgang als Eingriff in den US-Wahlkampf durch die EU-Kommission gewertet – ein einmaliger Vorgang. Zudem hat Musk ein ähnliches Gespräch auch mit Trumps Gegenkandidatin Kamala Harris angekündigt.
Musk machte sich zwar über diesen Brief aus Brüssel lustig, der nicht anders als als Androhung von Zensur zu verstehen ist. Nun scheint er auch der EU-Kommission peinlich zu sein.
Am Dienstag nun bestritt die Europäische Kommission, dass Breton die Erlaubnis der Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen hatte, den Brief zu versenden. „Der Zeitpunkt und der Wortlaut des Briefes wurden weder mit der Präsidentin noch mit den Kommissaren abgestimmt“, hieß es. Ein EU-Beamter, der nicht namentlich genannt werden wollte, sagte: „Thierry hat seinen eigenen Kopf und seine eigene Art zu arbeiten und zu denken“, beschreibt die Financial Times aus London über den Vorfall.
Die fragwürdige Rolle Bretons
Breton ist kein unbeschriebenes Blatt in Sachen Wirtschaft. Er gilt selbst als vielfacher Millionär, der eng mit den französischen Superreichen verbandelt ist, die hinter Emmanuel Macron stehen. Breton war französischer Wirtschaftsminister. Vor dieser französischen politischen Karriere war er Vorsitzender beim IT-Unternehmen Bull, anschließend bei Thomson und von 2002 bis 2005 bei France Télécom. Vorstandsmitglied war er auch bei AXA, La Poste, Dexia, Rhodia, Schneider Electric, Carrefour und Orange. Danach wurde er im November 2008 Vorsitzender des IT-Dienstleisters Atos. Der Konzern betätigt sich auf den Feldern der Unternehmensberatung, Cybersicherheit, Cloud-Sicherung und Big Data.
Dort blieb er bis zu seiner Berufung als EU-Kommissar 2019. „Thierry Breton geriert sich als Anti-Musk. In Wirklichkeit überschatten den EU-Kommissar Interessenkonflikte und der Vorwurf, die digitalen Vorschriften sollten die eigenen Telekommunikationsdienste unterstützen. Dass die Rechte dabei zensiert werden soll, dient Geschäft und Politik“, analysiert Marco Galllina in einer detaillierten Untersuchung Bretons Rolle in Paris und Brüssel. Breton gilt als Verfechter einer Politik „europäischer Champions“, als staatlich kontrollierter und finanzierter Konzern, wie sie in der französischen Wirtschaftspolitik gepflegt und gehätschelt werden – meist mit verheerendem Ausgang für die Steuerzahler.
Jetzt scheint er aber sein Blatt überreizt zu haben. Weltweit wurde sein Brief an Musk als Versuch der Einmischung in den amerikanischen Wahlkampf verstanden und als ein Angriff auf die freie Meinungsäußerung.
Sollte sich der Bericht der Financial Times bestätigen wird er als Kommissar nicht mehr zu halten sein. Nun gilt Ursula von der Leyen auch als ein politisches Geschöpf von Emmanuel Macron. Beginnt sie sich von ihm zu distanzieren? Der Vorgang zeigt, wie EU-Politik in den Hinterzimmern ausgemauschelt wird, während man zum Publikum hin EU-Wahlen und ein Pseudo-Parlament inszeniert.