Unterstützung für bedrohte Journalisten: links vor rechts
Alexander Wendt
Der DJV fordert vom WDR Solidarität mit einem Mitarbeiter, der wegen seiner „Nazisau“-Entgleisung in Kritik geriet. Bei gefährdeten nichtlinken Journalisten reagiert der Verband sehr viel milder.
In der Nacht zum Montag verübten Linksextremisten in Berlin einen Brandanschlag auf das Auto des BZ-Kolumnisten Gunnar Schupelius. Schupelius gehört zu den wenigen Journalisten Berlins, die immer wieder die rot-rot-grüne Regierung und die linksradikale Szene der Hauptstadt kritisieren. „Angriffe auf Hassbrenner wie Schupelius sind als Akt antifaschistischer Notwehr zu sehen“, erklärten die Täter in einem Bekennerschreiben auf Indymedia. Und drohten dem Journalisten offen, künftig nichts Kritisches mehr gegen Links zu schreiben: „Ein kleiner Rat an Gunni, schreib lieber Backrezepte: Hasspropaganda wird immer für Gegenfeuer sorgen!“
Es handelte sich bereits um den zweiten Brandanschlag auf ein Auto von Schupelius.
Selbst SPD-Landeschef Jan Stöß sprach daraufhin von „SA-Methoden“. Wesentlich zurückhaltender äußerte sich der Vorsitzende des Deutschen Journalistenverbandes Frank Überall – und dazu noch mit verrutschter Rhetorik. Es sei „ein widerlicher Anschlag auf die Pressefreiheit“ und „mit nichts zu rechtfertigen“, schrieb Überall. Und schob nach: „Inhaltliche Kontroversen dürfen niemals zu Gewalt führen“ – so, als gäbe es zwischen Schupelius und der linksextremen Szene eine „inhaltliche Kontroverse“.
Eine Pressemitteilung zu dem Anschlag veröffentlichte der DJV auf seiner Seite nicht. Er forderte auch keine Schutzmaßnahmen für den BZ-Journalisten.
In einem anderen Fall reagierte der DJV vor kurzem deutlich anders. Für den WDR-Mitarbeiter Danny Hollek, der mit einem Tweet („Oma ist keine Umweltsau. Stimmt. Sondern eine Nazisau“) die „Umweltsau“-Affäre des WDR noch einmal richtig angeheizt hatte, legten sich Überall und DJV vergleichsweise mit Verve ins Zeug – und verteidigte gleichzeitig noch das „Oma ist eine alte Umweltsau“-Lied des Senders.
Der DJV suchte nach der Affäre um das „Umweltsau“-Lied des WDR und den „Nazisau“-Tweet eines WDR-Mitarbeiters gleich mehrfach die Öffentlichkeit. Zum einen gab der DJV-Vorsitzende Frank Überall ein Interview im Deutschlandfunk Kultur, in dem er den WDR nicht für das Omasau-Lied kritisierte – sondern dafür, es gelöscht zu haben. Er bestand in einem Gespräch mit dem Deutschlandfunk darauf, das Video sei „Satire“ gewesen, um „den Generationenkonflikt zuzuspitzen.“ Überall meinte in dem Hörfunksender: „Satire geht manchmal dahin, wo es wirklich schmerzt. Damit muss man rechnen, wenn man Satire macht, und damit muss man rechnen, wenn man Satire konsumiert.“ Die Löschung sei falsch gewesen: „Wann immer man etwas aus dem Netz nimmt, lenkt man noch mehr Aufmerksamkeit darauf. Es ist ja im Netz auch weiterhin zu finden, es ist ja deswegen nicht verschwunden, nur weil es nicht mehr auf der offiziellen WDR-Seite ist. Damit hat man das Gegenteil von dem erreicht, was man erreichen wollte.“
Was der WDR seiner Meinung nach hätte erreichen wollen oder sollen, erklärte Überall nicht. Auch nicht, warum es seiner Meinung weniger Empörung gegeben hätte, wenn der WDR sich nicht vom dem Lied distanziert hätte. Dass die Empörung über den WDR erst richtig Fahrt aufgenommen hatte, nachdem der WDR-Mitarbeiter Danny Hollek auf Twitter mit der „Nazisau“-Beleidigung nachgelegt hatte, erwähnte der DJV-Vorsitzende nicht.
Gleichzeitig gab der DJV eine Presseerklärung heraus, in der er den WDR dazu aufforderte, sich um die Sicherheit eben dieses Mitarbeiters Daniel Hollek zu kümmern. „Der Deutsche Journalisten-Verband fordert die Verantwortlichen des Westdeutschen Rundfunks auf, sich aktiv um den Schutz und die Sicherheit des freien Journalisten Danny Hollek zu bemühen“, so DJV-Sprecher Hendrik Zörner. In der Mitteilung heißt es weiter: „Der Journalist ist derzeit Opfer von Beleidigungen und Morddrohungen im Zusammenhang mit seinen Tweets zur ‚Umweltsau’-Satire. Angehörige der rechtsextremen Szene marschierten vor seinem Haus auf und versuchten, den Journalisten einzuschüchtern. ‚Sowohl der WDR, für den der Kollege arbeitet, als auch die Sicherheitsbehörden sind aufgefordert, Danny Hollek zu schützen’, verlangt DJV-Bundesvorsitzender Frank Überall. Es gehe nicht um Geschmacksfragen von Satire, sondern um den Schutz von Satire- und Meinungsfreiheit.“
Dazu, warum er den WDR für den Schutz vor physischen Bedrohung eines Mitarbeiters für zuständig hält und nicht die Polizei, machen Überall und der DJV keine Angaben. Auch nicht zu der Frage, worin sie genau die Bedrohung von „Satire- und Meinungsfreiheit“ Holleks sehen.
Im Zusammenhang mit Holleks „Nazisau“-Tweet war ein einzelnes Mitglied der Splitterpartei „Die Rechte“ vor dem Haus der Familie Hollek mit einem Plakat erschienen, auf dem er die „liebe Familie“ Hollek fragte, warum der Enkel seine Großeltern hasse. Indirekt machen Überall und der DJV den WDR-Intendanten Tom Buhrow dafür verantwortlich. In der Pressemitteilung heißt es dazu: „Als ‚wenig hilfreich’ bezeichnet der DJV-Vorsitzende in dem Zusammenhang die redaktionelle Distanzierung des WDR-Intendanten Tom Buhrow von der ‚Umweltsau’-Satire: „Tom Buhrow muss sich der Frage stellen, ob er mit seiner eilfertigen redaktionellen Distanzierung für den Beitrag nicht all denen Oberwasser gegeben hat, die nicht auf den Austausch von Argumenten, sondern auf das Mundtotmachen kritischer Journalisten aus sind.’ Wünschenswert wäre eine Versachlichung der Auseinandersetzung.“
Damit lässt Überall ausdrücklich offen, ob er Holleks Twitter-Mitteilung für kritischen Journalismus hält.
Hier liegt die eigentliche Diskrepanz in dem Verhalten Überalls: Schupelius hatte niemand auf Twitter oder in seinen Artikeln beleidigt. Seine Texte sind mitunter scharf formuliert, aber frei von Hass und Häme. Angegriffen wurde er von Linksradikalen für seine Arbeit als Journalist.
Dass es sich bei den Twitterbotschaften des WDR-Manns Hollek um Journalismus handelt, behauptet noch nicht einmal Hollek selbst. In dessen Twitter-Chronik finden sich etliche ähnliche Tweets, die das Bild eines beleidigungsfreudigen Trolls zeichnen. So vermutete er etwa über den WELT-Journalisten Ulf Poschard, der für seine Auto-Begeisterung bekannt ist, er stecke „seinen Penis in die Tanköffnung“. Als Hollek für seinen „Nazisau“-Tweet Gegenwind bekam, freute er sich auf Twitter zunächst darüber, „wie jetzt alle ausrasten“. Erst, als WDR2-Programmchef Jochen Rausch sich öffentlich vom Treiben seines Mitarbeiters distanzierte und ihm Konsequenzen androhte, entschuldigte sich Hollek – beklagte aber gleichzeitig, Opfer von Beleidigungen und „Morddrohungen“ zu sein. Selbstverständlich verdient Hollek Schutz vor physischen Bedrohungen. Aber darum kümmert sich bereits die Polizei.
Ein anderer Fall zeigt den ideologischen Drall des DJV noch deutlicher: der Verband verweigerte vor einiger Zeit einem bedrohten Kollegen sogar jegliche Unterstützung – weil ihn dessen politische Haltung nicht gefiel. Zu der Inhaftierung des Reporters Billy Six durch die Geheimpolizei in Venezuela im November 2018 schwieg der DJV. Six hatte unter anderem für die „Junge Freiheit“ aus dem Land berichtet. Als Publico den DJV im Februar 2019 fragte, was der Journalistenverband für den deutschen Reporter tue oder tun werde, antwortete DJV-Sprecher Hendrik Zörner „Nichts.“ Seine Begründung war bemerkenswert. Six, so Zörner zu Publico, sei Mitglied „in einem sehr weit rechts stehenden Verein“. Offenbar meint er die „Deutschen Konservativen“, für deren Publikationen der Berliner Reporter früher berichtete hatte. Es sei „unklar“, so Zörner weiter, „ob Herr Six als politischer Aktivist oder als Journalist in Venezuela unterwegs war. Und nur dann, wenn es klar ist, dass er ausschließlich als Journalist unterwegs war, können wir einen Journalisten unterstützen.“
Damit machten sich Zörner und der DJV die Behauptung der venezolanischen Geheimpolizei zu Eigen, die Six Agententätigkeit vorwarf. Die Nachfrage von Publico, auf welche Fakten er sich dabei stütze, ließ Zörner unbeantwortet. Damit unterschied sich der DJV deutlich von der Organisation „Reporter ohne Grenzen“, die Six’ Freilassung forderte, unbeschadet seiner politischen Ansichten. Die Behauptung, Six sei nicht journalistisch unterwegs gewesen, nannte Christian Mihr von Reporter ohne Grenzen „hanebüchen“. Auch der WELT-Reporter Deniz Yücel, der unter sehr ähnlichen Beschuldigungen in der Türkei inhaftiert war, setzte sich für Six’ Freilassung ein. Die „Freiheit des Wortes“, twitterte Yüczel damals, sei „unteilbar“.
Der Kontrast zwischen dem DJV-Verhalten gegenüber Six und für Hollek fällt vor allem deshalb so krass aus, weil Six in einer klassischen journalistischen Mission unterwegs war – als Reporter in einem diktatorisch regierten Land. Seine Gesundheit war in dem Geheimdienstgefängnis von Caracas ernsthaft bedroht.
Der DJV-Bundesverband mag eine politische Organisation sein. Ein Berufsverband, der diesen Namen verdient, ist er nicht.
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