Das deutsche Gesundheitssystem arbeitet ineffektiv. Eine harte Aussage gegen die Ampel und ihren Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Trotzdem müssen die „Faktenfinder“ der ARD jetzt keine Fake News nachweisen. Auch brauchen staatlich finanzierte Zivilgesellschaften das nicht aus den sozialen Netzwerken löschen zu lassen, weil hier „Hass und Hetze unterhalb der Strafbarkeitsgrenze“ verbreitet würde. Dieses vernichtende Urteil über die Gesundheitspolitik der Ampel stammt aus deren eigenen Reihen und sogar vom zuständigen Minister persönlich. Das deutsche Gesundheitsministerium arbeitet also ineffektiv.
Bezahlen für diese Ineffektivität müssen die Betriebe und ihre Beschäftigten über die Zwangsabgaben für Kranken- und Pflegeversicherung. Beide steigen zum Jahreswechsel. In der Pflege muss das Lauterbach persönlich entscheiden, in der Krankenversicherung handeln die Kassen in eigener Verantwortung. Der Kostendruck auf sie ist so hoch, dass die Erhöhungswelle bereits begonnen hat. Am Ende dieses Prozesses wird laut Schätzerkreis der Bundesregierung jede Kasse ihren Beitrag im Schnitt um 0,8 Prozentpunkte angehoben haben. Allein das macht durchschnittliche Arbeitsplätze um 400 Euro im Jahr teurer.
In Sachen explodierende Kassenbeiträge hat Lauterbach die Schuld auf die Kassen geschoben. Sie arbeiteten ineffizient. Doch der Vorwurf ist gleich doppelt unfair. Zum einen heißt das Konstrukt aus gutem Grund „Gesetzliche Krankenversicherung“. Denn die meisten – und höchsten – Ausgaben gibt der Staat den Kassen vor. Zum anderen ist es die Bundesregierung, die mit ihrem Lieblingsprojekt die Erhöhung der Beiträge notwendig macht: mit dem Bürgergeld.
Rund zehn Milliarden Euro schuldet die Ampel den Kassen. Jedes Jahr aufs Neue. Pro Empfänger von Bürgergeld zahlt der Bund den Kassen 119 Euro im Monat. Das ist nur etwas mehr als ein Drittel dessen, was die über die Bezieher von Mindestlohn erhalten. Der Bund rechnet seine eigenen Kosten fürs Bürgergeld also niedrig, um den eigenen Haushalt verfassungsgemäß zu führen und den Anschein der „Schuldenbremse“ einzuhalten. Die Rechnung – rund zehn Milliarden Euro im Jahr – zahlen die Betriebe und ihre Beschäftigten über ihre Beiträge. In einem Beitrag der Bild weisen die Chefs der Krankenkassen auf diesen Zusammenhang hin und fordern, Lauterbach müsse nur ein Versprechen der Ampel einlösen und so viel für die Behandlung von Bürgergeld-Empfängern zu zahlen, wie diese Behandlung halt kostet. Dann ließe sich der Anstieg der Kassenbeiträge bremsen.
Eine aktuelle Statistik der DAK-Gesundheit gibt dem Pioneer Recht. Seit der Pandemie berichtet die Krankenkasse von einem neuen Rekord nach dem anderen. So auch jetzt wieder. Demnach ist der Krankenstand im Sommerquartal auf 5,0 Prozent geklettert. Von Juli bis September gab es neun Prozent mehr Krankschreibungen als im dritten Quartal des Vorjahres, wie die DAK mitteilt.
Mit der Pandemie hat sich die Ursache für Krankschreibungen verändert. Zwar führen Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems nach wie vor zu den meisten Krankheitsfällen. Doch nun folgen auf Platz zwei psychische Erkrankungen und auf Platz drei Erkrankungen der Atemwege. Vor der Pandemie und ihren politischen Maßnahmen wie der Ausgrenzung Ungeimpfter war es umgekehrt. „Wir brauchen jetzt eine seriöse und gründliche Debatte über die wirklichen Ursachen für den anhaltend hohen Krankenstand“, sagt DAK-Vorstandschef Andreas Storm: „Angesichts der anhaltenden Wirtschaftsschwäche in Deutschland kommt den Fehlzeiten der Beschäftigten eine besondere Bedeutung zu. Der hohe Krankenstand ist ein zusätzliches Risiko für die Erfolgschancen der Unternehmen, die Wachstumsschwäche zu überwinden.“
45 von 100 Mitarbeitern haben sich krankschreiben lassen. Im Sommerquartal. Zwischen Juli und September 2023 seien es nur 41 von 100 Mitarbeitern gewesen: „Diese sogenannte Betroffenheitsquote ist für ein Sommer-Quartal mit hohen Temperaturen und vielen Ferienwochen ungewöhnlich hoch“, teilt die DAK-Gesundheit mit. Die Falldauer ist indes zurückgegangen. Pro Krankschreibung haben die Arbeitnehmer also kürzer gefehlt als bisher.
DAK-Chef Storm will über Blaumachen als mögliche Ursache für die Rekorde nicht diskutieren, wenn er auch sonst eine „gründliche Debatte“ über die möglichen Ursachen fordert. Doch die Zahlen lassen auf solche Ursachen schließen. Die Fakten auch: In Deutschland ist mittlerweile die telefonische Krankschreibung Standard. Am Lohn müssen die Kranken keinerlei Einbußen hinnehmen. Und angesichts eines Bürgergeldes, das auskömmlicher ist als manches Gehalt, schreckt auch der mögliche Verlust des Arbeitsplatzes kaum noch jemanden ab. Krankschreiben ist in kaum einem anderen Land so attraktiv wie in Deutschland – krankgeschrieben wird in kaum einem anderen Land so oft wie in Deutschland. Wer einen möglichen Zusammenhang von Anfang an ausschließen will, diskutiert nicht gerade ergebnissoffen. Und wird sich von Lauterbach die Schuld an dem ineffizienten Gesundheitssystem geben lassen müssen. Inhaltlich unberechtigt – moralisch aber auf seine Weise ok.