Tichys Einblick
Verhinderter Untersuchungsausschuss

Union zieht wegen Cum-Ex-Affäre vor das Bundesverfassungsgericht

Um einen Untersuchungsausschuss gegen Olaf Scholz zur Cum-Ex-Affäre auszuhebeln, hat die Ampel-Koalition erneut die parlamentarische Arbeit mit Füßen getreten. CDU/CSU wollen deswegen in Karlsruhe Klage einreichen. Neue Details in der Causa Scholz könnten dafür den Anlass bieten.

MAGO / dts Nachrichtenagentur

Die Bundesregierung hat es nicht so gern mit der parlamentarischen Kontrolle. Das hat seine Gründe. Der Trend, dass die Bundestagsfraktionen sich nicht als Korrektiv der Regierung, sondern als Stütze verstehen, hat sich seit der Ära Merkel verstärkt. Die parlamentarische Arbeit wurde der „Regierungsverantwortung“ gnadenlos untergeordnet. Fraktionskollegen, die abweichende Meinungen hatten, mussten mit Aussonderung rechnen, wenn sie kein starkes Direktmandat hatten.

Doch aus bloßem parlamentarischem Mitläufertum ist mittlerweile ein Knebel geworden. Die Ampel-Parteien hatten bereits in der Agora-Affäre um Patrick Graichen gelernt, dass zu viel Kontrolle durch das Parlament der Ampel zum Verhängnis werden konnte. Nachdem insbesondere die Union den damaligen Staatssekretär von Wirtschaftsminister Robert Habeck im Untersuchungsausschuss düpiert hatte und Graichen später gehen musste, war klar: so etwas durfte nicht wieder passieren. Entsprechend ging man im Fall Udo Philipp vor, indem man den Ausschuss zu einer braven Fragerunde herabwürdigte.

In manchen Fällen dürfte aber selbst eine Fragerunde zu viel sein. Denn in der Causa geht es nicht um einen Staatssekretär, sondern den Kanzler selbst. Konsequent, wie die Ampel ist, gelten für den Regierungschef massivere Beschränkungen. Ein Untersuchungsausschuss zum Cum-Ex-Skandal bei der Hamburger Warburg-Bank haben die Ampel-Fraktionen scheitern lassen. Am Donnerstag, so berichtet die Rheinische Post, wollen CDU/CSU vor dem Bundesverfassungsgericht Klage dagegen einreichen. Unions-Parlamentsgeschäftsführer Patrick Schnieder (CDU) bestätigte dies der Zeitung.

Schnieder sagte, mit dem Antrag, „den wir am Donnerstag dieser Woche auf den Weg bringen werden, wollen wir die Fehlentscheidung der Koalition korrigieren und das grundgesetzlich verbriefte Minderheitsrecht der größten Oppositionsfraktion vor dem Bundesverfassungsgericht durchsetzen“. Schnieder weiter: „Wir wollen Licht in die dunklen Erinnerungslücken des Bundeskanzlers bringen.“ Dass die Mehrheitsfraktionen die Einsetzung des Gremiums Anfang Juli in der Finanzaffäre um die Warburg-Bank abgelehnt hätten, sei ein absolut ungewöhnlicher Vorgang gewesen, sagte Schnieder.

„Das Recht der größten Oppositionsfraktion, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, wurde mit Füßen getreten“, sagte er. „Doch davon lassen wir uns als CDU/CSU-Fraktion nicht beeindrucken.“ Die Bürger hätten ein Anrecht zu erfahren, „was Bundeskanzler Olaf Scholz als damaliger Bürgermeister von Hamburg wirklich wusste und unternommen hat, um einen Steuerbetrug zu verhindern“.

Dass die Union in ihrer eigenen Regierungszeit auf ähnliche Weise Untersuchungsausschüsse verhinderte oder Affären wie um das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) regelrecht aussaß, steht freilich auf einem ganz eigenen Blatt. Wer ein paar Meilen in Oppositionsstiefeln läuft, für den stellt sich die Welt plötzlich anders dar.

Für Olaf Scholz kommt die Unnachgiebigkeit der Union zu einem unangenehmen Zeitpunkt. Erst letzte Woche hatten sich Hinweise verdichtet, dass Scholz vor dem Hamburger Untersuchungsausschuss gelogen haben könnte. Es geht dabei um die berühmte Behauptung, dass er sich an ein Treffen mit Christian Olearius im November 2017 nicht mehr erinnern könnte. Scholz war damals Erster Bürgermeister der Hansestadt Hamburg gewesen, Olearius Mehrheitsgesellschafter der Hamburger Warburg-Bank.

Zu diesem Zeitpunkt wurde gegen Olearius bereits wegen schweren Steuerbetrugs ermittelt. Eine Razzia hatte stattgefunden. Scholz soll sich in dieser Zeit und im Jahr darauf mehrfach mit ihm und auch mit Max Warburg getroffen, zudem in gegenseitigen Anrufen Kontakt gehalten haben. Anscheinend hatte die zuständige Finanzbeamtin den Warburg-Bänkern empfohlen, sich an Scholz zu wenden, weil sie die unrechtmäßig erstatteten Steuern sonst einziehen müsse. Die Folgen beschreibt das juristische Fachmagazin LTO so: „Nach den ersten Treffen hatte die Hamburger Finanzverwaltung Rückforderungen von zu Unrecht erstatteter Kapitalertragssteuer in Höhe von 47 Millionen Euro gegen die Bank zunächst verjähren lassen.“

Womöglich sind es diese Details, die die Ampel darin bestärken, einen Cum-Ex-Untersuchungsausschuss zu verhindern. Vielleicht feuert es im Gegenzug die Union an, nach Karlsruhe zu ziehen. Klar ist dagegen, dass es das erste Mal sein dürfte, dass die Integrität und Glaubwürdigkeit eines amtierenden deutschen Bundeskanzlers so auf dem Spiel steht. Das Chaos-Kabinett lenkt lediglich davon ab, dass es Scholz selbst ist, an dem die Koalition zerbrechen könnte. Dazu müssten die Korrektive der Bundesrpeublik allerdings funktionieren. Bei allen drei Gewalten.

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