Die aktuelle Allensbach-Umfrage bietet das gewohnte Bild: CDU/CSU deutlich vor der SPD. Die gute Nachricht für die SPD: Noch niemals in den vergangenen 20 Jahren war der Anteil der Unentschiedenen mit 46 Prozent so kurz vor der Wahl so hoch wie jetzt. Gleichzeitig ist die Prozentzahl der Wähler, die die Wahl bereits für gelaufen halten, mit 45 Prozent so hoch wie noch nie seit der Wiedervereinigung. Was wiederum die SPD nicht gerade aufmuntern dürfte. Die Zahlen bedeutet für alle: weiter kämpfen – oder was man heutzutage so für kämpfen hält.
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Der Ärger der SPD über Erdogan ist verständlich. Jahrelang haben sich die Sozialdemokraten – zusammen mit den Grünen – für einen EU-Beitritt der Türkei stark gemacht, haben die ablehnende Union gerne als ausländerfeindlich und engstirnig angegriffen. Und jetzt ruft Erdogan die 1,3 Millionen Wahlberechtigten türkischer Abstammung auf, am 24. September auf keinen Fall die „Türkeifeinde“ SPD oder Grüne zu wählen. Was für ein Undank!
Dass der Sultan vom Bosporus auch keine einzige deutsch-türkische Stimme für die CDU/CSU sehen will, ist für die SPD kein Trost. Denn von den Deutsch-Türken haben bei der Bundestagswahl 2013 fast zwei Drittel (64 Prozent) für die SPD gestimmt. Dies entsprach rund 425.000 Stimmen oder rund 1 Prozentpunkt an den 25,7 Prozent der SPD. Dazu kamen 2013 noch 12 Prozent für die Grünen, also eine klare Drei-Viertel-Mehrheit für Rot-Grün. Da fielen die 7 Prozent für die Union nicht ins Gewicht. Neuere Umfragen hatten der SPD für den 24. September sogar 70 Prozent bei Erdogans „Landsleuten“ vorhergesagt.
Natürlich weiß niemand, wie viele der türkischstämmigen Wahlberechtigten Erdogans Aufruf folgen werden. Immerhin weiß man, dass die Zahl seiner Anhänger hier – prozentual – höher ist als in der Türkei. Was vieles aussagt über den Stand der Integration dieser Zuwanderer. Sehr viele sind offenbar formal integriert: Sie gehen einer Arbeit nach, zahlen Steuern und halten sich an die Gesetze. Aber die Prinzipien von Demokratie, Rechtsstaat, Pluralismus haben die meisten nicht verinnerlicht, ebenso wenig die Gleichstellung und Gleichberechtigung der Frau.
Erdogans Wahlaufruf zeigt nicht nur die Unverfrorenheit, mit der er sich in deutsche Angelegenheiten einzumischen versucht. Er zeigt auch seinen realistischen Blick für die türkische Parallelgesellschaft in Deutschland. Mögen SPD und Grüne noch immer von Multikulti schwärmen – der türkische Nationalismus scheint im „türkischen Sektor der BRD“ stärker ausgeprägt zu sein.
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Am Dienstag stieg BILD ganz groß ein: „Die echten Zahlen. So viele Flüchtlinge haben keinen Schulabschluss“ lautete die Schlagzeile – über eine halbe Seite. Für die Antwort gab es auf Seite 3 viel weniger Platz. Und sie fiel nicht erfreulich aus: 59 Prozent der arbeitssuchenden „Flüchtlinge“ haben keinen Schulabschluss, 69 Prozent haben in ihrer Heimat keine richtige Berufsausbildung absolviert, 80 Prozent haben keinen beruflichen Abschluss. Dass diese Menschen die Basis für das „zweite deutsche Wirtschaftswunder“ bilden sollen, wie Daimler-Chef Zetsche 2015 vollmundig verkündete, darf bezweifelt werden.
Nein, zu dem „Willkommensrausch“ von 2015 passt diese unangenehme Wahrheit nicht. Aber ein Gutes hat sie auch: Inzwischen wird sie ausgesprochen. Wer allerdings 2015 warnend darauf hinwies, dass die meisten Asylsuchenden, Kriegsflüchtlinge und illegalen Migranten die deutsche Wirtschaft nicht bereichern, sondern belasten würden, wurde als Ausländerfeind, Rechtsradikaler oder Neu-Rechter beschimpft – übrigens auch von BILD.
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Wahlkampfweisheit zum Tage: Im Wein liegt Wahrheit. Deshalb trinken so viele Politiker nicht – jedenfalls nicht im Wahlkampf.