Passende Umfrage zur Legitimierung des Demokratiefördergesetzes
David Boos
80 Prozent der Befragten sehen die Demokratie in Deutschland als bedroht an. Spätestens bei der Schlussfolgerung, die Regierung müsse dem Problem mit mehrjähriger Finanzierung staatsnaher Vereine und Institutionen beikommen, tauchen Zweifel an der Objektivität der Umfrage auf – aber keine an ihrem Zweck.
„Traue keiner Statistik, die Du nicht selbst gefälscht hast“. So oder so ähnlich lautet das Zitat, das, wie viele andere populäre Redewendungen im Internet, fälschlich Winston Churchill zugeschrieben wird. Trotz unbekannter Urheberschaft scheint sich die Weisheit der Aussage auch in der bundesdeutschen Politik durchgesetzt zu haben. Denn kurz vor der geplanten Abstimmung zum umstrittenen Demokratiefördergesetz veröffentlichte nun das Deutsche Zentrum für Migrations- und Integrationsforschung (DeZIM) eine neue Studie mit dem vielsagenden Titel „Mehr Demokratie fördern!“.
Das DeZIM befragte in der repräsentativen Studie fast 2.500 Personen (mit und ohne Migrationshintergrund, mit und ohne deutschen Pass), ob diese „die Demokratie bedroht“ sehen, ob sie sich ein „größeres Engagement für Demokratie von der Bundesregierung“ wünschen und ob sie „die Unterstützung der Zivilgesellschaft zum Erreichen demokratiepolitischer Ziele“ befürworten.
Die Ergebnisse scheinen zunächst eindeutig. 78,9 Prozent der Befragten gaben zu Protokoll, dass sie die Demokratie in Deutschland „eher“ oder „viel“ stärker angegriffen sehen als im Vergleich zu vor 5 Jahren. Allerdings bleibt dabei undeutlich, aus welcher Richtung die Befragten den Angriff auf die Demokratie verorten. Diese Undeutlichkeit setzt sich bei der zweiten Fragestellung fort. Zwar gaben 84,9 Prozent der Befragten an, die Bundesregierung sollte „eher“ oder „viel“ mehr für eine lebendige und starke Demokratie tun, doch ob damit – wie das DeZIM ableitet – ein „Wunsch nach mehr Demokratieförderung“ gemeint ist oder ob die Befragten sich einfach wünschen, die Regierung würde demokratischer agieren, anstatt sich von Lobbys und Thinktanks wie der Agora lenken zu lassen, bleibt wiederum offen.
Die dritte und entscheidende Frage legt allerdings tatsächlich eine gewisse ideologische Nähe der Befragten zu den Agenden der Ampelregierung nahe. 65,5 Prozent sprachen sich nämlich für die mehrjährige staatliche Förderung von „Vereinen, Initiativen und Organisationen“ aus, die sich für die Unterstützung von Betroffenen von Diskriminierung einsetzen. 60 Prozent befürworten eben solche Förderung gegen politischen Extremismus, 58,8 Prozent empfinden Vereine für „ein demokratisches Miteinander“ finanzierungswürdig und 55,5 Prozent unterstützen den „Einsatz für eine vielfältige Gesellschaft“.
DeZIM wird gefördert vom Grünen-geführten Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Umso begeisterter verbreiten dann auch ganz besonders Vertreter der Grünen den Artikel der Tagesschau:
Wenig überraschend offenbart die Studie auch, dass die Zustimmung zu „vermehrter staatlicher Finanzierung zivilgesellschaftlichen Engagements“ mit dem Bildungsabschluss ansteigt. Akademiker lieben nicht nur ihren Sozialismus, sie sind es auch, die in solchen Organisationen davon profitieren. Auf besonders viel Zuspruch stieß die Initiative gegen Diskriminierung vor allem unter Frauen, Jüngeren und politisch Aktiven. Auch Geringverdiener, Ostdeutsche und Migranten zweiter und dritter Generation unterstützen dieses Vorhaben mit Vehemenz. Ob die im Vergleich niedrigere Zustimmung für eine „vielfältige Gesellschaft“ mit geringerem Zuspruch für Vielfalt im migrantischen Milieu zu tun hat, wird nicht aufgeschlüsselt.
Eine Nachfrage von TE, ob unter anderem die Anzahl der Befragten nach Geschlecht und Nationalität aufgeschlüsselt werden könnte, blieb bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels unbeantwortet.
Im luftleeren Raum betrachtet erscheint die Umfrage als relativ belanglos und unspezifisch, wäre da nicht das nötige „Framing“, also die „Einordnung“, die vom DeZIM selbst geliefert wird. Bereits im Vorwort zur Studie erwähnen die Autoren die großen Nudging-Kampagnen des Bundes (die sie selbstverständlich nicht so nennen), unter anderem auch „Demokratie leben!“ vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), jenes Ministeriums, von dessen Fördermitteln auch das DeZIM zehrt. Geforscht wird am DeZIM übrigens zu den Themenbereichen „Integration und Migration, Konsens und Konflikt sowie gesellschaftliche Teilhabe und Rassismus“.
Die inhaltlichen Schwerpunkte der Nudging-Programme der Regierung beschreibt das DeZIM als „Extremismusprävention, Demokratie- und Toleranzerziehung sowie Antidiskriminierung und Vielfaltgestaltung“. Wenngleich also in der Umfrage nirgendwo der demokratiegefährdende Extremismus definiert wird, so ist aus dem Kontext deutlich, dass damit wohl kaum der übergriffige Grundrechtsabbau durch die Regierungen in den letzten Jahren gemeint ist, sondern lediglich – um mit dem Wirtschaftsminister zu sprechen – die vage Bedrohung durch „rechtsextreme und pro-russische Accounts“.
Vor allem aber fällt auf, dass das DeZIM in seiner Auslegung der erhaltenen Antworten eine eindeutige Tendenz durchscheinen lässt. Wo die erste Frage nur zu Tage fördert, dass die meisten Befragten der Meinung sind, die Demokratie würde stärker angegriffen als noch vor 5 Jahren (ein Umstand, der sich alleine schon durch die Corona-Politik erklären ließe), so deutet DeZIM die Antworten als einen „großen gesellschaftlichen Bedarf, sich aktiv um den Erhalt und die Verbreitung demokratischer Werte und Normen zu bemühen“. Das allerdings war weder die Fragestellung noch ein Teil der Antworten. Bei der Auslegung des DeZIM handelt es sich um nichts weiter als eine tendenziöse Ableitung, die zur zweiten Frage führen soll.
Diese lautet im O-Ton: „Wie bewerten Sie das Engagement der Bundesregierung für eine lebendige und starke Demokratie?“ Die Antworten „Sie sollte viel mehr machen“ und „Sie sollte eher mehr machen“ sind aber auch hier kein Beleg dafür, dass eine Mehrheit der Menschen der Meinung ist, die Regierung sollte noch mehr Steuergeld an befreundete Initiativen und Vereine geben, sondern lediglich dafür, dass die Regierung aufgrund ihrer Handlungen (oder deren Unterlassung) in einer Vertrauenskrise steckt. Doch anstatt aus den Antworten abzulesen, dass die Befragten sich die Einhaltung der Grundrechte durch die Regierung wünsche, deutet DeZIM die Antwort als einen „Wunsch nach Demokratieförderung“, wobei das Wörtchen „Förderung“ bereits den entscheidenden Hinweis darauf gibt, was eigentlich bezweckt werden soll.
Spätestens bei der entscheidenden Frage über die Bereitschaft zur finanziellen Unterstützung demokratiefördernder Organisationen, lässt das DeZIM die Katze schon vor den Ergebnissen aus dem Sack. „Staatliche Demokratieförderung findet in Deutschland überwiegend mittels der genannten Sonderförderprogramme statt, über die Projekte in zivilgesellschaftlichen Organisationen, Vereinen und Initiativen befristet finanziert werden. Die überwiegende Mehrheit würde aber eine längerfristige finanzielle Unterstützung der Zivilgesellschaft […] befürworten.“
Zu schade nur, dass die Feststellung „würde aber“ voraussetzen sollte, dass man den Befragten die Option gibt zu entscheiden, ob das bisherige Modell genügt, oder ob man stattdessen auf eine längerfristige Finanzierung übergehen sollte. Das DeZIM aber stellte nur die Frage, ob man mehr oder weniger für eine mehrjährige Demokratieförderung wäre, wobei die Mehrjährigkeit fast beiläufig erwähnt wird. Und das, wohlgemerkt, nachdem in bester Telemarketing- und Callcenter-Tradition die ersten beiden Fragen zunächst offene Türen einliefen, um den Befragten eine Abstimmungstendenz nahe zu legen.
Ein Fazit nach Bestellung im Kampf um die langfristige Sicherstellung kultureller Hegemonie
Ob den Befragten die Hintergründe zum jetzigen Modell bekannt waren, ja ob diese überhaupt begriffen, dass die „Mehrjährigkeit“ hier ein Novum darstellen würde, geht in keinster Weise aus der Umfrage hervor. Sicherlich ein Zufall aus der Kategorie „Bürgerdialog mit zufälliger Überrepräsentanz von Ampelpolitikern“. Wir lernen also: Nicht die Qualität der Meinungsbildung des Souveräns, nur das Kreuzchen zählt, auch wenn es unter Vorspielung falscher Tatsachen erwirkt wurde. Der suggestiv-nudgende Charakter der Fragen von DeZIM wird dabei dürftigst mit verschiedenfarbigen Balken kaschiert, die wenig Relevantes zeigen, die im Gegenteil durch die uninteressante Homogenität des Dargestellten bestechen, aber suggerieren sollen, hier wäre die hohe Kunst der statistischen Auswertung am Werk.
So darf es nicht wundern, dass das Fazit vorbehaltlos von der „starken und breiten Zustimmung der Bevölkerung“ für die „längerfristige finanzielle Unterstützung zivilgesellschaftlicher Organisationen, Initiativen und Vereine, welche sich für Vielfalt und Demokratie sowie gegen politischen Extremismus und Diskriminierung engagieren“, spricht. Kurzum: Das Demokratiefördergesetz findet in einer – mittels undeutlicher und suggestiver Fragen, intransparenter Probandenselektion und ideologisch voreingenommener Auslegung – durchkomponierten Studie die Bestätigung, dass es „großen Rückhalt in der Gesellschaft“ für „mehr Handlungsspielraum für Demokratieförderung, Radikalisierungsprävention, Vielfaltgestaltung und Antidiskriminierungsarbeit“ der Bundesregierung gäbe. Welch eine Überraschung! Wie bestellt, so geliefert.
Der Veröffentlichungszeitpunkt dieser Umfrage zeugt auch nicht unbedingt von großem Bemühen, die angestrebte Bewerbung und Legitimierung des Demokratiefördergesetzes zu verstecken. Rechtzeitig zur bevorstehenden Abstimmung erschien das Papier und die Verstärker von Tagesschau & Co. standen auch schon parat, um die Botschaft der mehrheitlichen Unterstützung der Finanzierung links-grüner Lobbys im großen Stil zu verbreiten. Garniert wurde das Ganze mit Zitaten von Lisa Paus, fertig war der Nudging-Bericht.
Interessant bleibt dennoch die Zuspitzung dieses Wettstreits um die Förderung staatsnaher Organisationen, denn die Umfrage von DeZIM fand nach eigener Aussage während fünf Wochen im April und Mai 2023 statt, just in jener Zeit, in der TE den Finger in die Wunde des Agora-Netzwerks legte, das exemplarisch für die Verstrickungen zwischen Politik und Lobbys steht. Auch die gemeinsamen Aktionen der „Letzten Generation“ und einigen deutschen Museen am Internationalen Museumstag banden zahlreiche Vereine und Initiativen ein, wie zum Beispiel die „Radikalen Töchter“, die massiv von Bund, Ländern und den ihnen nahestehenden Organisationen finanziert werden (TE berichtete).
Die Offenlegung dieser Verbindungen bedroht die Stabilität des Status quo der Nutznießer. Aus Angst um ihre davon schwimmenden Felle soll nun unter dem, mit feinstem Neusprech gefütterten, Deckmantel des Demokratiefördergesetzes, der tatsächlichen demokratischen Vielfalt mit der angedachten jahrelangen Finanzierung politisch-ideologischer Stoßtrupps aus Steuergeldern ein Ende gesetzt werden.
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