Russland konnte in seiner Offensive weitere Geländegewinne erzielen. Aus zwei Richtungen im Nordosten stoßen Moskaus Truppen auf die Stadt Kramatorsk vor. Rund 60 Kilometer westlich von Luhansk kommt es zu schwerem Artilleriebeschuss, auch Zivilgebäude werden getroffen. Der russische Angriff nimmt Fahrt auf – der ukrainische Verteidigungsminister Olexij Resnikow schwört die Armee seines Landes auf „äußerst schwierige Wochen“ ein.
Dieser Schaden manifestiert sich gestern erneut durch berichtete Gräueltaten – russische Soldaten in der Ostukraine sollen sich ergebende Feindsoldaten exekutiert haben. „Wir haben jetzt glaubwürdige Informationen, dass eine russische Militäreinheit, die in der Nähe von Donezk operiert, Ukrainer exekutiert hat, die versuchten, sich zu ergeben, anstatt sie in Gewahrsam zu nehmen“, erklärte US-Sonderbotschafterin Beth Van Schaack.
Über den Fall berichtete der Nachrichtensender CNN. Van Schaack berichtete weiter, den USA lägen glaubwürdige Berichte über Personen vor, „die mit gefesselten Händen exekutiert wurden, über Leichen, die Folterspuren aufwiesen, und über entsetzliche Berichte über sexuelle Gewalt gegen Frauen und Mädchen“. Unabhängige Bestätigung gibt es dafür noch nicht.
Im besetzten Kherson ist es wieder zu Protesten durch die ukrainische Bevölkerung gekommen. Nach ukrainischen Angaben ist eine Demonstration in der südukrainischen Stadt gewaltsam aufgelöst worden. Wie die ukrainischen Streitkräfte am Mittwoch mitteilten, setzten die „Besatzer Tränengasgranaten gegen ukrainische Demonstranten ein“. Mehrere der Protestteilnehmer wurden demnach „verletzt und festgenommen“.
Kherson war die erste größere Stadt, die russische Truppen zu Beginn der Invasion Ende Februar eingenommen hatten. Seitdem kommt es immer wieder zu Widerstand durch die Zivilbevölkerung. Putin will Kherson wohl in Russland eingliedern – demnächst soll dort der russische Rubel als alleiniges Zahlungsmittel eingeführt werden. Die von Russland eingesetzten Machthaber wollen das südukrainische Gebiet dauerhaft aus dem Staat herauslösen. „Die Frage einer Rückkehr des Gebiets Kherson in die nazistische Ukraine ist ausgeschlossen“, sagt Kirill Stremoussow von der moskautreuen Verwaltung der russischen Staatsagentur Ria Nowosti.
An der Grenze zwischen der Ukraine und der moldawischen Separatistenregion Transnistrien sind derweil erneut Schüsse gefallen. Das meldet die transnistrische Miliz. Nahe eines Funkturms haben die Separatisten laut eigener Aussage außerdem zehn Sprengsätze gefunden. In den vergangenen Tagen kam es immer wieder zu Explosionen und Anschlägen in Transnistrien, die dortigen Separatisten machen Kiew dafür verantwortlich.
Die Ukraine weist das zurück und beobachtet die Lage in Transnistrien weiterhin wachsam. „Wir haben Transnistrien immer als Brückenkopf betrachtet, von dem gewisse Risiken für uns ausgehen können“, sagte Präsidentenberater Mychajlo Podoljak nach Angaben der Agentur Unian am Mittwochabend in Kiew.
Unterdessen drohte Putin selbst anderen Ländern mit einer „blitzschnellen Reaktion“, sollten sie in der Ukraine militärisch eingreifen. Das russische Militär werde nicht zögern, modernste Waffen dafür zu nutzen, sagte der russische Präsident vor Parlamentariern der Duma. Russland habe „alle Werkzeuge“ für einen schnellen Gegenschlag: „Wir werden nicht lange damit prahlen: Wir werden sie verwenden, wenn wir müssen. Und ich möchte, dass jeder das weiß“, so Putin.