Erdogans Privat-Außenminister Mevlüt Cavusoglu ist so etwas wie ein Dauergast in den Dienst- und Privaträumen des bundesdeutschen Nun-nicht-mehr-Ministers des Äußeren; jenem Sigmar Gabriel, der sich mit dem emo-frustrierten Post einer angeblichen Aussage seiner Tochter über Männer mit „Haaren im Gesicht“ abschließend aus dem Rennen um seinen Lieblings-Job geschossen hatte. Bei Cavusoglus Reiselust könnte man fast den Eindruck bekommen, dass er seinen Dienstsitz zumindest bereits halb aus Ankara nach Berlin verlegt hat. Und weil der verlängerte Arm seines radikalislamischen Herrn dessen institutionalisierte Unverschämtheit teilt, bleibt es nicht bei freundschaftlichen Besuchen, Teetrinken und Plausch unter Kumpeln, sondern Cavusoglu hat regelmäßig auch irgendwelche Wünsche im Gepäck.
Deutsche Leos made in Turkey
Jüngst war es der Wunsch, die in deutschen Waffenschmieden gefertigten Leo-2-Panzer zum Zwecke des völkerrechtswidrigen Überfalls auf das Nachbarland hochzurüsten. Nein, es ging nicht um die Waffensysteme. Die sind Dank Rheinmetall auf dem höchsten Stand der Technik. Es ging um mehr Überlebensgarantie für die türkischen Eroberer, die sich in den deutschen Panzern nicht sicher genug fühlten, um den mit hochwertigen Boden-Boden-Waffen versehenen Feinden von der kurdischen YPG entgegentreten zu können. Auch wünscht sich die Türkei angesichts der lästigen, innerdeutschen Diskussion über die Sinnfälligkeit von Waffenlieferungen an Völkerrechtsbrecher gern eine eigene Panzerschmiede für das deutsche Hochleistungsprodukt. Das könnte dann den lästigen Diskussionen über die Freigaben von entsprechenden Lieferungen durch die immer noch gelegentlich etwas unbotmäßigen Abgeordneten des Deutschen Bundestages abhelfen.
Geisel Yücel durfte gehen
Um diese Wünsche zu befördern, ließ die Türkei eine ihrer Geiseln gehen. Der Welt-Schreiber Deniz Yücel, türkischer Staatsbürger mit deutschem Doppelpass, durfte nach einem Jahr Zwangsurlaub in türkischen Haftanstalten nicht nur diese Zwingburg– er konnte auch sein Vaterland an Bord eines Flugzeuges Richtung Bundesrepublik verlassen. Und das, obgleich ihm doch immer noch in der Türkei ein Verfahren wegen Terrorunterstützung droht. Da haben die türkischen Behörden also beide Augen ganz heftig zugedrückt und den Mann gehen lassen, welcher die Chance nutzte, umgehend gänzlich unterzutauchen. Nun, es sei ihm gegönnt – denn vielleicht hat der Zwangsaufenthalt in türkischer Vollpension Yücel ja zum Nachdenken darüber gebracht, dass die von ihm in der Vergangenheit wiederholt geschmähte Republik der Deutschen doch nicht der schlechteste aller denkbaren Wohnorte ist. Wir werden sehen.
„No deals!“
Gabriel, der Außenminister mit auslaufender Geschäftsführung, jedenfalls fühlte sich genötigt, der staunenden Öffentlichkeit umgehend zu mitzuteilen, dass die Entlassung des Deniz Yücel aus türkischer Geiselhaft an keinerlei Bedingungen geknüpft gewesen sei. „Ich kann Ihnen versichern, es gibt keine Verabredungen, Gegenleistungen oder, wie manche das nennen, Deals in dem Zusammenhang“, ließ er wissen.
Das klingt zumindest ungewöhnlich. Denn die im Orient durchaus nicht traditionslose Vorgehensweise, eigenen Wünschen dadurch mehr Gewicht zu verleihen, indem man Unbeteiligte, die das Pech haben, irgendwie dem Wunscherfüllungspartner zugeordnet werden zu können, ohne Grund und ohne Anklage in Haft zu nehmen, dient immer einem Zweck. Sei es, um ganz generell ein wenig dem Gewünschten Nachdruck zu verleihen – sei es, um mit dem Angebot der Geiselfreilassung recht konkrete Tauschgeschäfte auf dem Basar der Gegenseitigkeit zu verknüpfen.
Im Fall Yücel aber ist alles angeblich ganz anders. Als Cavusoglu anschließend auf Stippvisite bei seinem Noch-Amtskollegen war, wurde weder der Wunsch nach Invasorensicherheit noch nach eigener Panzerfabrik wiederholt. Glauben wir also unserem Noch-ein-paar-Tage-Minister und gehen wir davon aus, dass die Türkei von ihrem Wunsch nach einer eigenen Panzerschmiede ebenso absieht wie von der Leo-Nachrüstung? Denn – es hat ja keine „Deals“ gegeben – um noch einmal Gabriel zu zitieren. Vielleicht allerdings sollte man doch noch einmal mit Bezug auf Gabriels Nachsatz nachhaken. Denn in klassischem Politsprech bedeutet „nicht in DEM Zusammenhang“ selbstverständlich: In einem anderen Zusammenhang durchaus. Warten wir also die verschiedenen, anderen Zusammenhänge ab, die helfen werden, die Türkei zu beglücken.
Andere Wünsche in anderen Zusammenhängen
Für diese anderen Zusammenhänge hatte dann der Mann aus Ankara auch gleich ein paar andere Wünsche im Gepäck.
Da die Türken ungern halbe Sachen machen, möchten sie ihren Überfall auf die syrisch-kurdische Enklave Afrin gern mit einem Sahnehäubchen versehen. Also haben sie der Bundesrepublik einen Wunschzettel übergeben, auf dem ganz groß ein Name steht: Salih Muslim Muhamad.
Dieser 1951 in einem Nomadenlager auf syrischem Staatsgebiet nahe der Grenze zur Türkei geborene Mann ist syrischer Staatsbürger und Kurde. Und er ist führendes Mitglied der kurdischen PYD – Partiya Yekitîya Demokrat (Partei der Demokratischen Union), die sowohl die Zivilverwaltung in den kurdischen Gebieten Syriens organisiert als auch den Oberbefehl über die Volksverteidigungskräfte der YPG hat. Als solcher war er 2012 Gast bei der Europäischen Union – als solcher hält er an der territorialen Einheit Syriens fest, erwartet jedoch, dass die Kurden in einer künftigen Friedensregelung die Selbstverwaltung über ihre Siedlungsgebiete behalten.
Als Salih im Februar dieses Jahres in Prag weilte, sah Erdogan die Chance, seiner habhaft zu werden. Zu gern würde er ihn für den Rest seines Lebens zum Zellennachbarn des seit 1999 auf der Konstantinopel vorgelagerten Insel Imrali inhaftierten PKK-Gründers Abdulah Öcalan machen. Also ließ Erdogan via Interpol einen Haftbefehl in die Tschechische Republik überstellen – die den Syrer dann auch kurz verhaftete, jedoch sehr zum Unwillen der Türken unter Auflagen aus der Haft entließ. Offensichtlich waren den Behörden an der Moldau die Haftgründe zu sehr konstruiert, um Salih seiner Freiheit zu berauben.
Erdogan schäumt – wieder einmal
Erdogan schäumte und zieh nach bekanntem Muster die tschechische Regierung der „Terrorunterstützung“ – so, wie eben jeder, der sich den Wünschen des Despoten nicht widerspruchslos beugt, grundsätzlich automatisch als Terrorist festgemacht wird.
Salih nutzte seine Freiheit, reiste weiter nach Berlin, um dort an einer friedlichen Demonstration gegen den türkischen Überfall auf Afrin teilzunehmen. Schon witterten die Türken ihre nächste Chance. Also übermittelte Cavusoglu den entsprechenden Ukas seines Sultans an die Bundesregierung. Doch auch die übt derzeit noch Zurückhaltung. Erdogan darf also weiter schäumen und nun auch Merkel und Co auf seine private Terroristenliste setzen – falls sie dort nicht ohnehin schon längst vermerkt sind, gilt die Bundesrepublik den türkischen Kriegstreibern doch als Zufluchtsort von PKK, Gülenisten, Putschisten und sonstigen missliebigen Personen.
Cavusoglus persönlicher Wunsch
Cavusoglu hatte aber auch noch einen persönlichen Wunsch im Gepäck, als er sich nun wieder einmal zum Tee bei Gabriel einfand. Er möchte gern, dass das Auswärtige Amt seine Reisewarnungen in Sachen Türkei zurücknimmt. Sie entsprächen nicht der türkischen Realität.
Tatsächlich? Das Auswärtige Amt rät insbesondere davon ab, das Grenzgebiet zu Syrien zu bereisen. Nachvollziehbar – Gabriel und seine Nachfolger hätten durchaus einigen Erklärungsnotstand, wenn dort ein deutscher Tourist zufällig unter die Ketten eines deutsch-türkischen Leos geriete oder zu nahe an einer explodierenden Granate gestanden hätte.
Weiterhin stellt das Auswärtige Amt fest, dass „in der Türkei vermehrt deutsche Staatsangehörige willkürlich inhaftiert [wurden]. Dabei waren weder Grund noch Dauer der Inhaftierung nachvollziehbar. Mit derartigen Festnahmen ist in allen Landesteilen der Türkei einschließlich der touristisch frequentierten Regionen zu rechnen.“
Soll heißen: Die Türkei nimmt willkürlich Geiseln mit deutschem Pass, um – selbstverständlich damit keinen türkischen Forderungen Nachdruck zu verleihen. Sagte zumindest Gabriel.
Der Niedergang des Tourismus
Es ist nachvollziehbar, dass Cavusoglu über die sehr wohl begründete Reisewarnung wenig erfreut ist. Denn sie trifft vor allem anderen seine Heimat um den Urlaubsort Antalya. Dort sind die Übernachtungszahlen dank der türkislamischen Politik seit geraumer Zeit eingebrochen – und selbst die russischen Gäste, die sich bis vor kurzem verstärkt dem All-Inklusive am Mittelmeer zuwandten, waren bislang nicht einmal ansatzweise in der Lage, die zahlungskräftigen und zahlungswilligen Handtuchplatzbesetzer aus Alemanija zu ersetzen. So kommt in den Orten am Mittelmer, die dank Massentourismus einen ungeahnten Aufschwung genommen hatten, zunehmend Unmut auf. Keine Touris – kein Geld. Der kleine Wohlstand bröckelt – und eines Tages werden selbst die obrigkeitshörigen Türken merken, dass die Ursache dafür in der Politik ihres Sultans zu suchen und zu finden ist.
Gabriels Zurückhaltung
Gabriel – trotz seiner legendären Emotionsschübe, die ihn nun um sein Lieblingsamt gebracht haben, gelegentlich durchaus lernfähig – reagierte zurückhaltend. Das ist auch besser so – denn die Türkei hat das orientalische Prinzip der politischen Geiselnahme zutiefst verinnerlicht. Und da nun gerade jener Syrer Salih in Deutschland weilt, könnte – so das türkische Kalkül – dessen Auslieferung doch durch einen als freundschaftliche Geste getarnten Gefangenenaustausch „in einem anderen Zusammenhang“ beflügelt werden.
Ganz nebenbei: Die Wunschliste der Türkei beschränkt sich nicht auf den syrischen Kurden. Zahlreiche NATO-Offiziere, die nach Erdogans herbeigeputschten Staatsstreich nicht zurück in die Heimat wollten und in Deutschland politisches Asyl genießen, finden sich ebenso auf den Listen wie angebliche Gülenisten – sorgfältig zusammengestellt von den DITIB-Spionen in den türkischen Moscheen auf deutschem Boden – und selbstverständlich angebliche Terroristen der PKK und anderer kurdischer Gruppen.
Erdogan benötigt also ständig Nachschub an Yücels – und da empfiehlt es sich dem Auswärtigen Amt durchaus, seine Reisewarnungen nicht zu entschärfen. Die nächste Geiselnahme kommt so sicher wie das „Allahu akbar“ in der Moschee.
Auch griechische Geiseln im Gewahrsam
Und es trifft selbstverständlich nicht nur Deutsche. Dieser Tage hat die Türkei zwei griechische Grenzsoldaten inhaftiert und unter Anklage gestellt. Die beiden jungen Männer hatten an der NATO-Binnengrenze patroulliert und sich bei schlechtem Wetter ungewollt auf türkisches Staatsgebiet verirrt. Was geschehen kann, wenn zwischen NATO-Partnern kein mit Selbstschussanlagen oder anderen Mordinstrumenten versehener Grenzzaun deutlich sichtbar aufgebaut ist. Dabei wurden die Wehrpflichtigen von türkischen NATO-Kollegen gesehen – und selbstverständlich nicht, wie unter Kampfgefährten und Verbündeten üblich, freundschaftlich auf ihren Irrtum hingewiesen, sondern sofort in Haft genommen. Nun droht ihnen ein Verfahren wegen „illegalen Grenzübertritts“ – garniert mit dem Vorwurf der Spionage.
Weshalb die Türkei auch hier wieder einmal auf das klassische Instrument der politischen Geiselnahme zurückgreift? Nun, weil Erdogan auch in Sachen Griechenland schäumt. Dabei geht es nicht nur um die griechischen Ägäis-Inseln, die aus Erdogans Sicht illegal durch Griechenland besetzt sind und die Befreiung durch das Osmanische Reich herbeisehnen – die griechischen Gerichte hatten sich bislang auch geweigert, einige türkische Militärangehörige, die sich nach Erdogans Staatsstreich auf das Territorium des NATO-Partners abgesetzt hatten, auszuliefern. Da könnte sich nun – so die türkischen Überlegungen – das nächste Tauschgeschäft anbahnen: Griechische Grenzübertreter und Spione gegen Putschisten! Mal schauen, ob die rechtsstaatlichen Institutionen der Athener noch funktionieren – oder man sich dem Wunsch der langjährigen Besatzungsmacht unterwirft. Wobei auch hier die Feinheiten orientalischer Stichel-Diplomatie gewürdigt werden sollten, denn die nach Griechenland geflohenen Türken waren seinerzeit genau wegen „illegalen Grenzübertritts“, nicht aber wegen Putschteilnahme, vor ein griechisches Gericht zitiert und mit Asylerteilung mit einer symbolischen Strafe ausgezeichnet worden. Ein Schelm, der nun Böses dabei denkt …
No risk – no fun?
Die Bundesrepublik tut jedenfalls mehr als gut daran, ihre Reisewarnung in das Land des Despoten zwischen Schwarzem und Mittelmeer aufrecht zu erhalten. Vorsorglich allerdings sollte sie jene, die trotzdem nicht von der Reise in die Türkei absehen möchten, darauf hinweisen, dass der Bundesregierung so langsam die Tauschmittel bei den anderen Anlässen ausgehen könnten, will sie sich nicht abschließend zum verlängerten Wurmfortsatz des Islamnationalisten machen.
Selbstverständlich mag für den einen oder anderen Türkei-Fan gelten: No risk – no fun. Aber dann bitte auf eigenes Risiko. Und wäre der Sigmar nicht demnächst auf Frühpension, wäre es an der Zeit ihn zu fragen, was ihn eigentlich wirklich zu seinem Dauerkuscheln mit den orientalischen Geiselnehmern veranlasst. Aber diese Frage wird nun wohl seinem Amtsnachfolger, dem in Sachen Volkszensur und staatlich organisierter Gängelung erfahrenen Heiko Maas, gestellt werden dürfen. Kein Zweifel: Er wird sich mit Erdogan und dessen Schergen noch deutlich besser verstehen als der Sigmar. Brüder im Geiste funken bekanntlich auf gleicher Wellenlänge.