Tichys Einblick
Nächste Tricks im Haushalt des Bundes

Olaf Scholz und Christian Lindner belasten einseitig jene, die arbeiten

Um seinen Haushalt doch noch zu retten, greift Christian Lindner in die Kassen der Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung. Das dient der Erzählung, die Ampel erhöhe keine Steuern – ist aber nicht nur Betrug, sondern auch gefährlich.

IMAGO

Christian Lindner (FDP) erzählt, der Staat müsse Leistung fördern. Dann stimmt er einer Erhöhung des Bürgergelds um 25 Prozent innerhalb eines Jahres zu. Danach betont Christian Lindner immer noch, der Staat müsse Leistung fördern – aber er belastet einseitig die Beiträge, die Betriebe und Arbeitnehmer in die Sozialversicherungen einzahlen. Damit deckt der FDP-Chef einerseits die Kosten, die etwa durch das höhere Bürgergeld entstehen. Andererseits versucht er den Wählern vorzugaukeln, er sei der Mann, der höhere Steuern verhindere.

Beispiel Arbeitslosenversicherung

Mit der Haushaltspolitik verirrt sich die Ampel derart, dass die Kritik mittlerweile sogar von der Frankfurter Rundschau kommt – sonst immer bereit, grün-rote und zur Not gelbe Politik zu verteidigen. Unter Finanzminister Lindner nimmt die Ampel in den nächsten drei Jahren der Agentur für Arbeit 5,2 Milliarden Euro weg. Das Geld hatte die Regierung Angela Merkel (CDU) der Agentur gegeben, um die Kurzarbeit in der Pandemie zu bezahlen. Der damalige Finanzminister Olaf Scholz (SPD) hatte das als „Wumms“ und „Bazooka“ verkauft. Nun sagt die Regierung Scholz: Was damals Hilfen hieß, sei ja in Wirklichkeit nur ein Darlehen gewesen. Das wolle der Bund nun zurück.

„Rechtlich“ stehe das auf „mehr als wackeligen Füßen“, sagt der Deutsche Arbeitgeberverband gegenüber der Rundschau. Die Bundesregierung könne nicht einfach so in die Kasse der Arbeitslosenversicherung greifen. Denn Betriebe und Arbeitnehmer kämen alleine für diese auf und ihr Geld sei zweckgebunden. Für ihre eigene Vorsorge. Und nicht, um Lücken im Haushalt des Bundes zu schließen, der an anderer Stelle zu großzügig mit dem Geld der Steuerzahler umgeht. Der Arbeitgeberverband verweist auf die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Würde zum Beispiel die CDU gegen den neuen Haushaltsentwurf Lindners klagen, hätte sie gute Chancen, damit durchzukommen. Der Arbeitgeberverband sieht im Tun von Scholz und Lindner „das Gegenteil von rechtsstaatlich verlässlichem Regierungshandeln“, zitiert die Rundschau.

Beispiel Rentenversicherung

Auch bei der Rentenversicherung tricksen Lindner und Scholz. Bisher zahlen Betriebe und Arbeitnehmer mehr in die Rentenversicherung ein, als diese an Geld braucht. Das haben die bisherigen Bundesregierungen damit gerechtfertigt, dass eine Rücklage für schlechtere Zeiten gebildet werden müsse. Denn die deutsche Gesellschaft altere im Schnitt, was die Rentenversicherung entsprechend belaste.

Nun gehen Scholz und Lindner hin und entziehen der Rentenversicherung 600 Millionen Euro an Zuschüssen. Arbeitnehmer geben einen Großteil ihres Gehaltes ab, um etwas zu haben, wenn sie nicht mehr arbeiten können. Die Ampel sagt Danke und nimmt das Geld: Höheres Bürgergeld, Klimaschutz in Peru und der „Kampf gegen Rechts“ koste nun doch mehr, als sich SPD, FDP und Grüne leisten können. Da müsse halt der Spargroschen von Arbeitnehmern fürs Alter ran. „Das Gegenteil einer durchdachten Sozialpolitik“, sagt dazu der Arbeitgeberverband.

Beispiel Krankenkasse

Die Krankenkassen haben für dieses Jahr eine Finanzierungslücke von 3,2 Milliarden Euro, wie der Dachverband GKV auf TE-Anfrage geantwortet hat. Gleichzeitig berichtet die GKV von einer Lücke von 10 Milliarden Euro. Sie entsteht, weil die Krankenkassen für die Behandlungskosten von Asylbewerbern und Empfängern von Bürgergeld in Vorlage tritt – der Bund aber nicht für die vollen Kosten aufkommt.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat es bereits öffentlich abgelehnt, dass der Staat Finanzierungslücken der Krankenkassen schließt. Immerhin hat Lauterbach jetzt zugesagt, dass der Bund die vollen Kosten für die Behandlung von Asylbewerbern, Empfängern von Bürgergeld oder anderen staatlichen Transfers übernimmt. Tusch? Nein, nicht so schnell. „Wenn es die haushaltspolitischen Rahmenbedingen zulassen“, heißt der entscheidende Zusatz.

Der Talkshow-Minister hat wieder zugeschlagen. Lauterbach verkauft die Schlagzeile: Der Bund zahlt die vollen Kosten für Asylbewerber und Bürgergeld-Empfänger, wenn genug Geld da ist. Ehrlicher wäre: Da nicht genug Geld da ist, überlässt der Bund es den Krankenkassen, die Kosten für Asylbewerber und Bürgergeld zu tragen. Mit dem Geld von Betrieben und Arbeitnehmern. Es kann jeder die Medien seiner Wahl daraufhin prüfen, welchen der beiden Sätze sie transportieren. Ist es der mit dem Kosten übernehmen und finden sich Anzeigen des Gesundheitsministeriums in dem Medium, wird das Bild rund.

Wie Lauterbach vorgeht, überrascht den Geschäftsführer des Verbandes der Innungskrankenkassen (IKK), Jürgen Hohnl: Eigentlich wollte sich Lauterbach bis in den Frühling Zeit lassen, um Vorschläge zur Finanzierung der Krankenkassen zu machen. Nun habe er das wie „Kai aus der Kiste“ vorgezogen, obwohl Lauterbach dabei keine Vorschläge mit Substanz mache. Er streicht Homöopathie als Leistung aus dem Katalog der Krankenkassen. Diese Entlastung ist für Hohnl angesichts der Gesamtkosten aber nur eine „finanzielle Marginalie“. In der Übernahme der Kosten durch Asylbewerber und Empfänger von Bürgergeld – bei denen es um 10 Milliarden Euro geht – werde aber nichts passieren. Lauterbachs Lösungen seien nicht innovativ, sie seien nicht mal solide. Da die Kassen unterfinanziert sind und Lauterbach sie bereits gezwungen hat, Rücklagen aufzulösen, ist mit weiter steigenden Beiträgen zu rechnen.

Beispiel Pflegeversicherung

Der Arbeitgeberverband Pflege fordert Lauterbach auf, „zur Seriosität zurückzukehren“. Zwar seien höhere Löhne in der Pflege zu begrüßen gewesen, sagt Verbands-Präsident Thomas Greiner. Aber anders als von der großen Koalition versprochen war eigentlich klar, dass es die höheren Löhne „nicht zum Nulltarif geben kann“. Der Präsident des Arbeitgeberverbandes kommt zu einem verheerenden Resümee über zwei Regierungen, an denen beiden die SPD beteiligt war: „Die Politik bestellt und wenn die Rechnung kommt, wird die Zeche geprellt.“

Derzeit sieht Greiner zwei grundlegende Probleme: Immer weniger Hochbetagte könnten die Kosten für einen Pflegeplatz alleine zahlen. Die betragen mittlerweile im Schnitt über 2.500 Euro monatlich. Gleichzeitig gingen dringend benötigte Pflegeplätze verloren. Da der Bund die Heime mit den höheren Kosten durch die starke Inflation und die permanent wachsende Bürokratie alleine lässt, sind im vergangenen Jahr täglich mehr als zwei Heime in die Insolvenz gegangen. Lauterbach müsse die Finanzierung daher nun endlich grundlegend reformieren.

Fazit

Die Kosten in den Sozialversicherungen sind hoch und sie werden weiter steigen. Das ist an sich genommen schon ein Problem: Es schwächt den Standort Deutschland. Steuern, Abgaben und Energiepreise zusammen sind in keinem anderen Industrieland so hoch. Das führt dazu, dass die deutsche Wirtschaft als einzige unter den Industriestaaten schrumpft. Es schwächt aber auch die Arbeitnehmer. Mit gefährlichen Folgen: Trotz Arbeit in Vollzeit können immer mehr ihre Kosten nicht bestreiten, geschweige denn Rücklagen bilden. Während der Staat gleichzeitig Empfängern von Bürgergeld alle Sorgen durch eine Erhöhung der Bezüge um 25 Prozent innerhalb eines Jahres nimmt. Das stellt viele vor die Frage, ob sich Arbeit für sie noch lohnt.

Aber als ob das nicht reichen würde, kommt noch eine gefährliche Situation hinzu: Die politischen Entscheider setzen darauf, die Bürger veräppeln zu wollen – und sind dabei immer leichter zu durchschauen.

– Christian Lindner sagt, er stehe dafür, dass Leistung gefördert wird. Aber er erhöht die Gelder für Leute, die nicht arbeiten, um 25 Prozent innerhalb eines Jahres. Gleichzeitig belastet er immer stärker diejenigen, die mit ihrer Arbeit Leistung bringen.

– Die große Koalition erhöht die Löhne für Pfleger, was richtig ist. Aber sie behauptet, höhere Löhne führten nicht zu höheren Kosten, was einfach Unsinn ist.

– Karl Lauterbach will, dass Krankenkassen Ärzte besser bezahlen, und behauptet, dafür bräuchten sie nicht mehr Geld. Das ist einfach nicht haltbar.

– Noch ein anderes Beispiel: Verbraucherschutzministerin Steffi Lemke (Grüne) führt eine Plastiksteuer ein und verspricht: Die zusätzlichen Kosten von 1,4 Milliarden Euro werde der Bürger gar nicht bemerken, da sie sich auf so viele einzelne Produkte verteilten. Dass der Staat mittlerweile 1 Billion Euro nur an Steuern vom Bürger nimmt, scheint Lemke nicht zu wissen. Dass die Haltung, nochmal 1,4 Milliarden Euro merke ja niemand, zu dieser hohen Steuerbelastung führt, scheint Lemke nicht zu verstehen.

– Die Ampel preist sich dafür, keine Steuern zu erhöhen. Aber sie ändert die Berechnung für die Grundsteuer, was faktisch eine Steuererhöhung ist. Sie erhöht die LKW-Maut und lässt ein Steigen der Beiträge für Kranken- und andere Kassen zu. Sie führt eine Plastiksteuer ein und behauptet, 1,4 Milliarden Euro zusätzliche Kosten werde keiner merken. Sie erhöht die Umsatzsteuer im Gastgewerbe und nennt das Anpassung. Sie erhöht die CO2-Steuer, nimmt das Geld aber nur an sich, weil so das Klima gerettet werde.

– Und noch ein Beispiel: Innenministerin Nancy Faeser erklärte im vergangenen Jahr den Ländern, der Bund zahle nur eine bestimmte Summe für die Einwanderung. Nehme die Einwanderung zu, werde das nichts weiter kosten, beschloss Faeser. Beziehungsweise: Glaubte Faeser beschließen zu können. Es kam dann anders.

Anhand der Beispiele stellt sich die Frage: Verkauft die Ampel die Bürger absichtlich für blöd? Oder sind ihre Vertreter selbst zu blöd? Sie glauben wie Faeser, beschließen zu können, dass mehr Einwanderung in die Sozialsysteme nicht zu höheren Kosten führt. Sie glauben, wenn linke Parteien etwas beschließen, haben sich Logik und Realität dem zu beugen. Nur sind Logik und Realität sture rechtsextreme Hetzer und Aufwiegler. Sie beugen sich keinen Beschlüssen linker Parteien. Logik und Realität setzen sich früher oder später auch immer durch.

Faeser, Scholz oder „Wirtschaftsminister“ Robert Habeck (Grüne) erklären sich den wachsenden Unmut der Bürger über diese Politik mit der Zunahme von rechtem Hass oder der Anschlussfähigkeit der gesellschaftlichen Mitte an rechtsextremes Gedankengut. Sie spielen Blinde Kuh und verlieren die Partie. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) empfiehlt der Bundesregierung, sie müsse ihre Politik halt besser kommunizieren. Das impliziert zum einen, dass der Bürger halt zu blöd sei, um die politischen Entscheider zu verstehen. Und das geht zum anderen davon aus, dass die Entscheidungen richtig sind und nur die Verkaufe verkehrt ist.

Als ob es nur ein paar schlaue Sätze braucht, um Bürger dazu zu bringen, dass sie sagen: Ich gehe Tag für Tag arbeiten, ihr nehmt mir mein Geld weg, sodass mir weniger als denen bleibt, die morgens liegenbleiben. Aber da ihr mir das richtig erklärt habt, verstehe ich das jetzt und finde es richtig gut. Die politischen Entscheider in Deutschland führen einen Kampf gegen Logik und Realität. In Führung liegen Logik und Realität wie hoch? Das kann keiner mehr sagen. Es sind viel zu viele Treffer für Logik und Realität.

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