Tichys Einblick
Intrigen statt Integrität

„Toxische Machtstrukturen“: Altgedienter Abgeordneter Özcan Mutlu rechnet mit Grünen ab

Wie unmoralisch sind die Grünen? Mit seinem Austritt nach 33 Jahren erhebt der frühere Bundestagsabgeordnete Özcan Mutlu schwere Vorwürfe gegen die Grünen. Mutlu kritisiert „toxische Machtstrukturen“ und Intrigen, die in der Partei längst Normalität seien – wie der Fall Stefan Gelbhaar eindrücklich zeige.

picture alliance / dpa | Sophia Kembowski

Der frühere Bundestagsabgeordnete Özcan Mutlu hat nach 33 Jahren Mitgliedschaft bei den Grünen genug. In einem scharf formulierten Austrittsbrief prangert er an, was er als „toxische Machtstrukturen“ in seiner Partei bezeichnet – und nennt die jüngsten Vorfälle um den Bundestagsabgeordneten Stefan Gelbhaar den Tropfen, der das Fass für ihn nun endgültig zum Überlaufen brachte. Mutlu sieht die Grünen in einem moralischen Abgrund, weit entfernt von den Werten, die sie anderen so gerne predigen.

Intrigen statt Integrität: Die Grünen entlarven sich selbst

Für Mutlu zeigt die Affäre um Gelbhaar, dass bei den Berliner Grünen Karriere und Machterhalt Vorrang vor Integrität und Anstand haben. „Dieses perfide Vorgehen zeigt nicht nur menschliche Abgründe, sondern legt ein tiefgreifendes strukturelles Problem offen“, schreibt er. Die inszenierten, inzwischen entlarvten Vorwürfe gegen Gelbhaar sind für Mutlu kein Einzelfall, sondern symptomatisch für ein System, in dem moralische Prinzipien dem politischen Opportunismus geopfert werden.

Mutlu, der selbst in der Vergangenheit mit haltlosen Vorwürfen politisch isoliert wurde, sieht in den Grünen eine Partei, die sich mit einer Doppelmoral über andere erhebt, während sie intern mit Intrigen und Lügen ihre Mitglieder demontiert. Für ihn ist es „heuchlerisch und beschämend“, wie ein Abgeordneter wie Gelbhaar durch eine Diffamierungskampagne skrupellos kaltgestellt wurde.

Die jüngsten Enthüllungen um Gelbhaar, dessen angebliche sexuelle Belästigungen auf einer komplett erfundenen Identität basieren, werfen ein grelles Licht auf die inneren Machtkämpfe der Grünen. Der Fall zeigt erneut, wie systematisch Vorwürfe konstruiert und instrumentalisiert werden, um unliebsame Konkurrenten auszuschalten. Mutlu zieht Parallelen zu anderen Fällen innerhalb der Partei und warnt vor einer „Dynamik der Anschuldigungen“, die Betroffene hilflos mache und deren Karriere zerstört. „Es wird mit Unterstellungen gearbeitet, die jeglicher Grundlage entbehren, deren Zerstörungskraft jedoch unwiderruflich bleibt.“, so Mutlu.

Die zentrale Rolle von Shirin Kreße, Fraktionsvorsitzenden in der BVV Berlin-Mitte, die sich offenbar die falsche Identität „Anne K.“ ausgedacht hatte, offenbart die Abgründe innerparteilicher Intrigen. Während Kreße inzwischen alle Ämter niedergelegt hat, bleiben die politischen und moralischen Konsequenzen für die Partei bisher aus. Gelbhaar, das eigentliche Opfer dieser Kampagne, steht weiterhin isoliert da, während die Grünen sich weitestgehend ausschweigen oder mit vielen Worten nichts sagen:

Erste wirklich schwere Krise innerhalb der Partei

Mutlus Austritt ist nicht nur ein schmerzhafter Verlust für die Grünen, sondern auch ein Signal für die Wähler. Die Partei, die Transparenz und Solidarität propagiert, hat sich als ein Hort der Machtspiele und Intrigen entlarvt. Für Mutlu steht fest, dass die Grünen nicht länger ihre moralische Fassade aufrechterhalten können, während sie intern auf skrupellose Weise ihre eigenen Mitglieder zerlegen.

Der Fall zeigt auch, wie tief die Grünen mittlerweile in einer Glaubwürdigkeitskrise stecken. Die massive Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit könnte für die Partei fatale Folgen haben, sowohl intern als auch bei den kommenden Wahlen.

Wie tief die Erschütterung über die konstruierten Vorwürfe und die politische Demontage im Fall Gelbhaar gehen, belegen auch Reaktionen wie diese bzw. Nicht-Reaktionen und Mauern: Gordon Repinski von Politico fragte zahlreiche Grünen-Politiker um Stellungnahmen an. Ohne jede Resonanz. Man versucht den Skandal auszusitzen und wegzuschweigen.

„Liste der Grünen, die KEIN Interview mit Gordon Repinski im POLITICO Berlin Playbook zum Audretsch-Gelbhaar-Komplex führen wollten:
Parteivorstand:
Andreas Audretsch, Britta Hasselmann, Katharina Dröge, Robert Habeck, Felix Banaszak, Franziska Brantner. Auch der Rest nicht.
Berliner Landesvorstand:
Nina Starr, Philmon Ghirmai, bei Dara Kossok-Spieß, bei Jana Bricks. Alle haben abgesagt.
Fraktionsvorstand:
Irene Michalic, Filiz Polat, Anja Reinalter, Till Steffen, Agnieszka Brugger, Maria Klein-Schmeink, Konstantin von Notz, Julia Verlinden oder Katrin Göring-Eckardt
Andere:
Paula Pichotta, die Grüne Jugend, ehemalige wie Jürgen Trittin oder Reinhard Bütikofer.“

Im Gegensatz zu ihrem Verhalten in Baerbocks Visa-Affäre oder zu ihrem Abendessen im Auswärtigen Amt mit Israelfeinden, wichen auch ARD und ZDF in ihren gestrigen Abendnachrichten von ihrem sonstigen Schweigemodus ab und berichteten ausführlich, wenn auch etwas relativierend, über den Skandal der Grünen.

Auch im linken Lager selbst rumort es deutlich – in den sozialen Medien wird der parteiinterne Umgang mit der Aufklärung um den Skandal mitunter deutlich scharf als „unmoralisch“ und „widerwärtig“ kritisiert.

Nach der erfundenen Falschaussage gegen Stefan Gelbhaar versucht die grüne Parteiführung sich in Schadensbegrenzung. Co-Parteichefin Franziska Brantner erklärte, die Ombudsstelle habe „explizit Kontakt“ zu den verbleibenden sieben Personen aufgenommen, die ihre Vorwürfe gegen Gelbhaar weiterhin aufrechterhalten würden. Man wolle nun eine interne Kommission ins Leben rufen, um aufzuklären – ein Schritt, der angesichts des bisherigen Versagens der Grünen in dieser Angelegenheit nicht nur spät, sondern auch wie ein reines Ablenkungsmanöver wirkt.

Im Fall der falschen Beschuldigungen kündigte die Partei an, Strafanzeige stellen zu wollen, während Parteichef Felix Banaszak erklärte, man wolle auch gegen den RBB rechtlich vorgehen.

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