Tichys Einblick
Kapitulation des Staates

Totschlag an Niklas in Bonn bleibt ungesühnt – in Essen regieren die Clans

Clans in Essen, Berlin und Bonn: Es sind Vorfälle an diesem Wochenende, die nichts miteinander zu tun haben - aber zeigen, was geschieht, wenn ein Staat seine Kernfunktionen nicht mehr wahrnehmen kann - oder will?

© Adam Berry/Getty Images

Drei Jahre nach der tödlichen Prügelattacke auf den Schüler Niklas in Bonn hat die Staatsanwaltschaft das Verfahren ohne Ergebnis eingestellt. „Der Täter konnte nicht ermittelt werden, da das gesamte Umfeld eisern schweigt“, hieß es.

Und in Essen fordert der dortige Oberbürgermeister die dortigen Clans auf, sich von Gewalt zu distanzieren. Freiwillig. Denn das Recht durchzusetzen riskiert er lieber gar nicht erst.

Zunächst nach Bonn:

In vielen Medien am Sonntag ist davon die Rede, dass „ein Mann“ den Schüler Schüler Niklas 2016 niedergeschlagen habe. Es ist die maskierte Wahrheit.

Der Fall Niklas P.

Niklas P. besuchte am 6. Mai 2016 ein Vorabendkonzert von Rhein in Flammen. Als er sich zusammen mit einer 17-jährigen Freundin und einem 18-jährigen Freund auf dem Heimweg befand, wurde er in Bad Godesberg nahe der Haltestelle Rheinallee von drei Männern angegriffen. Die Männer sprachen ihn und seinen Freund an, dann begannen sie auf ihn einzuprügeln und einzutreten. Mehrere Tritte trafen seinen Kopf. Auch seine Freunde wurden attackiert, als sie ihm zur Hilfe eilten, dabei aber nur leicht verletzt. Erst als weitere Personen zur Hilfe kamen, ließen die Angreifer von ihren Opfern ab. Niklas P. verlor bei dem Angriff das Bewusstsein. Er konnte zunächst von einem Notarzt reanimiert werden, erholte sich jedoch nicht mehr und starb am 12. Mai in der Bonner Uni-Klinik.

Für Freiheit, Sicherheit, Demokratie
Das Gerechtigkeitsempfinden auf der Probe
Ein paar Tage später wurde der damals 20-jährige Walid S. festgenommen, der bereits mehrfach wegen Gewaltdelikten aufgefallen war. Der Verdächtige bestritt die Tat, verwickelte sich jedoch in Widersprüche. Ein Zeuge identifizierte den Mann eindeutig als Täter. Die Rekonstruktion des Tatablaufs ergab, dass Niklas P. aus der Gruppe der Angreifer zunächst verbal provoziert worden war. Nach einem kurzen Wortgefecht hatte der Haupttäter ihn mit einem Hieb gegen die Schläfe zu Boden geschlagen, wo er reglos liegenblieb. Seine Freunde wurden von einem der anderen Täter geschlagen, als sie ihm zur Hilfe eilten. Dann kehrte der Haupttäter zurück und trat Niklas P. mit voller Wucht gegen den Kopf.
Walid hat nichts mit seiner blutbefleckten Jacke zu tun

In der Wohnung von Walid S. fanden Ermittler eine Jacke mit Blutspuren des Opfers. S. gab an, die Jacke nur geliehen zu haben. Der Besitzer der Jacke, der sich wegen eines anderen Delikts in Untersuchungshaft befand, erklärte, die Jacke zwar verliehen zu haben, jedoch nicht an S., sondern an einen anderen Freund. Dieser wurde polizeilich vernommen, dann aber wieder freigelassen.

Im August 2016 ergab ein medizinisches Gutachten, dass die Gefäße im Gehirn des Opfers „vorgeschädigt“ waren. Todesursache sei der Riss einer Ader im Gehirn infolge eines Schlags, der „im Normalfall keine schwerwiegenden Folgen gehabt hätte“, noch vor den Tritten gegen den am Boden Liegenden gewesen. Die Staatsanwaltschaft änderte daraufhin den Vorwurf des Totschlags in Körperverletzung mit Todesfolge, Walid S. blieb jedoch wegen Wiederholungsgefahr in Untersuchungshaft. Das war der erste Hinweis darauf, dass die Tat möglichst ungesühnt bleiben sollte, indem die offenkundige Tötungsabsicht mit der Krankheit von Niklas P. bereite gewischt wurde. In anderen Fällen, etwa dem Fall Dominik Brunner in München, hatte ein Richter anders entschieden. 

Neudeutsch nennt man es „Victim Blaming“ – das Opfer wird für die Tat mitverantwortlich gemacht, nicht die Täter. 

Richter wartet auf ein freiwilliges Geständnis

Und jetzt also die konsequente Fortsetzung durch die Einstellung des Verfahrens – wegen dieses „eisernen Schweigens“ der Beteiligten und ihres Umfelds. Der Richter hat natürlich Trost auch mitgeliefert. Sollte sich eines Tages doch noch jemand dazu durchringen, sein Schweigen zu brechen, würden die Ermittlungen wieder aufgenommen, versicherte Richter Faßbender.

Selbstverständlich ist jeder Angeklagte freizusprechen, wenn sich die Tat nicht beweisen lässt. Aber offensichtlich sind Polizei, Staatsanwalt und Gerichte in Bonn darauf angewiesen, dass Täter sich persönlich melden und gestehen. Bedrückende Beweislast reicht nicht – Schweigen hingegen reicht.

Und nun nach Essen:

In Essen sind die Clans Ansprechpartner der Verwaltung

Dort verurteilt Oberbürgermeister Thomas Kufen die Drohungen gegen den Autor Ralph Ghadban aufs Schärfste. Die Stadt Essen erwarte eine Erklärung von der „Familien-Union“. Autor Ghadban hat es gewagt, vor der Macht arabischer Clans zu warnen. Deutschland sei für die Clans nur eine „Beutegesellschaft“. Ghadban hatte in einem Buch das gesellschaftsschädigende Gebaren und die kriminellen Machenschaften der Clans aufgedeckt und dabei die Rolle dieser ominösen Familien-Union herausgestrichen. Daraufhin wurde der Autor mit Morddrohungen und anderen Hassausbrüchen konfrontiert.

Ideologische Blindheit
Arabische Clans und Staatsversagen
Thomas Kufen wendet sich jetzt an den Essen in Teilen regierenden, aber auch in anderen Städten aktiven Clan. „Die unverhohlenen Drohungen gegenüber einem Journalisten, offensichtlich auch von Mitgliedern des Vereins Familien-Union e.V., sind auf das Schärfste zu verurteilen“. In keiner freiheitlichen, demokratischen Gesellschaft dürfe auf Kritik Gewaltandrohung folgen.

Wir lernen also, dass ein Oberbürgermeister bei Morddrohungen nicht mehr die Polizei schickt, sondern Belehrungen, die schrecklich beeindruckend sind. Dabei geht es um längst bekannte Zusammenhänge. Schon 2011 hatten sich Clans, die ursprünglich aus der Türkei stammen, zu einer Familien-Union zusammengeschlossen. Die Clans waren von der Türkei in den Libanon gezogen und wurden während des Bürgerkriegs nach Deutschland umgesiedelt. Sie sollen bis zu 1.000 Mitglieder zählen. Sie fürchten sich sicherlich schrecklich vor den Worten des Herrn Oberbürgermeisters.

Die netten Herren von den Clans

Natürlich sind die Clans-Chefs ganze nette ältere Herren mit gepflegtem Bart und besten Absichten. Sie sind Mitglieder unter anderem der Familien Mery, El-Zein, Omeirat, Remmo, Fakhro, Osman. Diese Familien sind libanesisch-kurdischer Abstammung, und etliche haben einen Ruf, der eindeutiger nicht sein könnte. Die Polizei verbindet mit ihnen Drogenhandel, Vergewaltigung, Raub und Mord, berichtete schon 2011 der Tagesspiegel.

Die Clans haben ihr Betätigungsfeld und ihre Größe seit 2015 weit ausgedehnt. Es folgten demonstrative Polizeiaktionen in NRW und Berlin, die zu gelegentlichen Lokalschließungen führten, immerhin. Jetzt also sind die Clans sogar Ansprechpartner des Oberbürgermeisters; übrigens hatten sie auch den Wahlkampf dieses Essener CDU-Kandidaten unterstützt.

Die Lehren aus Bonn und Essen

Bonn und Essen zeigen: Die Gegengesellschaften haben sich in Deutschland, insbesondere in NRW fest etabliert. Ihnen ist mit der Polizei und Gerichten kaum bis nicht mehr beizukommen. Sie haben es sogar geschafft, dass sie offizielle Ansprechpartner der Kommunalverwaltung sind. Und natürlich halten sie zusammen, wie der Fall Niklas in Bonn zeigt. Die Staat hat abgedankt. Er ist machtlos, die Täter und ihre Hintermänner feixen.

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