Tichys Einblick
TE-Interview 09-2024

Professor Hoeres: SPD-Abgeordnete hat Kulturkampf gegen die freie Wissenschaft begonnen

Eine SPD-Politikerin beschimpft Verteidiger der Wissenschaftsfreiheit als „neurechts“ und verbreitet Verschwörungstheorien, der Chef der grünen Böll-Stiftung fordert das Verbot von X. Im Interview erklärt der Historiker Peter Hoeres, woher das autoritäre Gesellschaftsverständnis der Ampel kommt: „Sie stehen mit dem Rücken zur Wand.“

Carolin Wagner, SPD

picture alliance / dts-Agentur

Würzburg. Die SPD-Bundestagsabgeordnete Carolin Wagner hat mit ihren Behauptungen im Bundestag, es gäbe eine rechte Unterwanderung der Universitäten und das Netzwerk Wissenschaftsfreiheit sei ein neurechter Verein, der „gezielt rechtspopulistische Vorurteile an Hochschulen“ schüre, einen Kulturkampf gegen die freie Wissenschaft begonnen.

Der Würzburger Historiker Professor Peter Hoeres, Mitglied des Netzwerkes Wissenschaftsfreiheit, sagte dem Monatsmagazin Tichys Einblick: „Es ist Irrsinn, wenn eine Regierungspolitikerin derartige Behauptungen über uns verbreitet. Das lässt sich nur mit Böswilligkeit oder Ignoranz erklären – oder mit beidem. Wenn eine Vertreterin der Koalition eine überparteiliche Organisation, die sich für die grundgesetzlich verankerte Wissenschaftsfreiheit einsetzt, so angreift, dann stellt das eine neue Qualität dar. Sie hat damit ohne jeden Anlass einen Kulturkampf eröffnet.“

Hoeres hält die Vorwürfe umso mehr für unbegründet, als dass auch Mitglieder der SPD und der Grünen dem Netzwerk angehören. „Das einzige unserer Vorstandsmitglieder, das einer Partei angehört – Jan Barkmann, Professor für Risiko- und Nachhaltigkeitswissenschaften –, ist Mitglied der Grünen. Wir haben auch Sozialdemokraten unter unseren Mitgliedern, und der Rechtsphilosoph Reinhard Merkel, Mitglied bei uns, war auf Vorschlag der SPD in den Deutschen Ethikrat entsandt worden.“

Die Abgeordnete Wagner beziehe sich mit ihren Vorwürfen auf „ganz ähnliche Äußerungen der Präsidentin der TU Berlin, Geraldine Rauch, also auf eine Person, die bis heute in der Kritik steht, weil sie klar antisemitische Posts auf Twitter mit einem Like versehen hatte“, kritisiert der Historiker. „Die SPD-Abgeordnete wiederholt nun Äußerungen von Rauch; sie verwendet verschwörungstheoretische und vage Begriffe wie ‚unterwandern‘ und ‚neurechts‘, ohne zu sagen, was sie damit überhaupt meint.“

Kritisch sieht Netzwerk-Mitglied Hoeres, dass nicht einmal der FDP-Politiker und Wissenschaftsstaatssekretär Jens Brandenburg die Freiheit der Wissenschaft verteidigt. „Die Verteidigung der Wissenschaftsfreiheit hat in der Bundesrepublik eine lange Tradition: Der ‚Bund Freiheit der Wissenschaft‘, gegründet von Leuten wie Ernst Fraenkel, Richard Löwenthal und Wilhelm Hennis, verkörperte einen liberalen Geist. Politiker wie der FDP-Staatssekretär im Wissenschaftsministerium Jens Brandenburg repräsentieren diesen Geist nicht mehr.“


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