Nur eine einzige Amtshandlung hat der FDP-Ministerpräsident Thüringens geschafft:
„Wir möchten Sie darauf hinweisen, dass Ministerpräsident Thomas L. Kemmerich seine Teilnahme am ZEISS Jahresauftakt 2020 heute Abend in Jena aus Termingründen absagen musste“, teilte die Staatskanzlei in Erfurt heute mit. Thomas L. Kemmerich geht als Lachnummer in die Parteiengeschichte ein. Christian Lindner erklärt allen Ernstes, dass kein Amt beabsichtigt war. Warum tritt dann die FDP zu Wahlen an?
Denn der Kürzest-Zeit-Ministerpräsident Kemmerich will schon am Tag nach Wahl und Vereidigung die Auflösung des Landtags in Thüringen beantragen und Neuwahlen einfordern. Aber geht das so einfach?
Wird jetzt der Landtag gewählt, bis das Ergebnis stimmt und die LINKE eine Mehrheit hat? Spannend ist zweierlei: wie oft muss gewählt werden, bis der Bundesregierung das Ergebnis passt?
Und zweitens – geht das rechtlich, und wie geht es dann weiter:
Die Thüringer Landesverfassung ist eindeutig: Auflösung des Landtags und Neuwahlen müssen 1/3 der Abgeordneten beantragen. Das könnte klappen; aber diesem Antrag müssen zwei Drittel der Abgeordneten zustimmen, um den Landtag aufzulösen. Das wird knapp. Denn klar ist: Dann ist es aus mit der FDP. Wer braucht schon eine Partei, der die Macht in die Hände fällt und die sie dann verschmäht? Wer braucht schon eine FDP, zu der Angela Merkel sagt, die Wahl müsse korrigiert werden und schon wird sie korrigiert? So schnell geht das? Nun sind es ja nur fünf Abgeordnete. Fraglich, ob sie in geheimer Wahl zustimmen ihr Mandat sofort wieder abzugeben. Aber wie sieht es bei SPD und Grünen aus? Ja, sie stehen treu und fest zu Ramelow und seinen Linken. Es ist naheliegend, wer die umbenannte SED wählen will, wird dann das Original wählen. Das wird eng für beide Fraktionen. Kann sein, dass viele Abgeordnete lieber ihr Mandat plus Diäten nehmen statt Hartz IV vom Amt. Denn für Grüne, aber auch SPD, kann die Wahl des Originals Ramelow bedeuten, dass sie aus dem Landtag verschwinden. Da könnten einige bei der 2/3-Mehrheit fehlen. Und schon könnte es auch vorbei sein.
Voraussetzung ist, dass die Wahl geheim abgehalten wird. Davon ist nicht auszugehen. Wird namentlich abgestimmt, wäre klar, wer gegen die Auflösung stimmt. Das traut sich keiner von Linken, SPD, CDU, Grünen und FDP. Es sind brave Parteisoldaten. Ganz brav. Gescheitelt. Gehorsam.
Schwarz sieht es so oder so für die CDU aus. Viele Abgeordnete tendieren zur LINKEN, das hat die Aktionen ihres Landesvorsitzenden Mike Mohring so schwer gemacht. Sie wollen bei Ramelow unterkriechen, wie es die Kanzlerin empfiehlt. Aber auch diese Abgeordneten stehen vor der Tatsache, dass die CDU in Thüringen keine eigenständige politische Kraft mehr ist. Sie hängt an Merkels Schürzen-Bändel, folgt auf Pfiff. Wie genau wird die CDU dann benötigt? Auch hier gilt: Konservative werden bei der kommenden Landtagswahl dann die AfD wählen. Zu tief sitzt bei vielen die Abneigung gegen die SED-Erben, zu viele wurden geschunden, belogen, betrogen. Übrigens nicht nur in Thüringen; die CDU bewegt sich dann in allen fünf Bundesländern zurück auf das Niveau einer Blockpartei, die zwar mal aus Versehen nicht den Kandidaten der SED gewählt hat – aber nach Ermahnung dann doch. Deshalb will die CDU nun die Neuwahl offensichtlich doch nicht. Gibt es bei so viel Hin- und Her ein zurück? Eine Duldung oder Wahl von Bodo Ramelow ist jetzt nur noch peinlich für die CDU, eine Selbstkastration auf offener Bühne. So viel Komik war nie in der Politik.
Nun wird es ein harter Wahlkampf werden, wenn er es wird. Die gesamte Bundesprominenz wird in Thüringens Städten und Dörfern einfallen, kein Marktplatz bleibt unberührt, an jeder Haustür wird ein Vertreter der Parteien klingeln und Stimmen erpressen wollen. Der Verfassungsschutz wird die AfD beobachten, ein Stahlgewitter aus Medien auf die Bevölkerung niederprasseln. Man kennt das. Es wird kein Selbstläufer für die AfD. Sie wird schon etwas gewinnen. Vermutlich wird es am Ende ein Drei-Parteien-Landtag, in dem die Linke um die 40 Prozent, die CDU noch 20 Prozent haben wird, mehr oder weniger. Es reicht für eine Koalition unter linker Führung; sollte es die SPD doch noch schaffen, bekommt sie auch einen Minister. Der Rest der Wählerstimmen wird dann an die AfD gehen, die über 30 Prozent oder sogar noch mehr erhält, aber keine Gestaltungsoption hat. Dann bleiben die Regierungsparteien unter sich und die Meinungswelt ist wieder in Ordnung. In Thüringen, in Berlin und alle werden den Sieg der Demokratie bejubeln.
Bekanntlich ist Demokratie, wenn man wählt, bis das Ergebnis passt. Immer wieder.