Tichys Einblick
TE-Interview 10-2022

Michael Shellenberger: Klimabewegung hat religiösen Charakter angenommen

Shellenberger gehört zu den prominentesten Stimmen einer rationalen Umweltpolitik. Sein Buch „Apocalypse, Never“ stand auf der US-Bestsellerliste, als Journalist erreicht er ein Millionenpublikum. TE sprach mit ihm in Berlin über das Scheitern der deutschen Energiewende, menschenfeindliche Umweltideologie, die Vorteile der Kernkraft – und wohin die USA politisch treiben.

IMAGO/ZUMA Wire

Berlin. Die Umwelt- und Klimabewegung hat nach Meinung des amerikanischen Schriftstellers Michael Shellenberger religiöse Züge angenommen. Die grüne Bewegung habe den Glauben geschürt, dass man eine „hochenergetische Industriezivilisation mit erneuerbaren Energien aufrechterhalten kann“. Deutschland sei so „in die schlimmste Energiekrise seit 50 Jahren“ geraten, so Shellenberger im Gespräch mit dem Monatsmagazin Tichys Einblick.

Allerdings glaubt Shellenberger, dass mit Blick auf die Folgen die erneuerbaren Energien ihren Höhepunkt schon überschritten haben. „Der Wandel der öffentlichen Meinung ist außergewöhnlich. Ich denke, dass wir den Höhepunkt der erneuerbaren Energien erreicht haben und diese Erzeugungsarten zurückgehen werden“, so Shellenberger. „Die ausschließlich auf erneuerbare Energien ausgerichtete Klima­-Agenda steckt überall auf der Welt in der Krise: in Deutschland, in den USA, in Japan, Frankreich, Südkorea. Sie alle bewegen sich in Richtung Kernenergie, sogar in Deutschland, was die Stimmung in der Bevölkerung angeht. Meine Hoffnung ist, dass wir uns dem Ende der Erneuerbare­-Energien­-Manie nähern, die den Westen in den vergangenen 20 Jahren erfasst hat.“

Die Fokussierung auf die erneuerbaren Energien erklärt der Autor damit, dass der „Wunsch nach Religion eine tiefe Motivation für die grüne Bewegung darstellt. Wenn man nicht mehr an Gott glaubt und die traditionelle Religion ablehnt, konstruieren wir neue Religionen – neue säkulare Religionen – und versuchen, neue Moralvorstellungen zu schaffen, die oft auf sehr einfachen Annahmen beruhen und nicht die Art von Komplexität traditioneller Religionen haben. Die Idee der apokalyptischen Umweltbewegung lautet, dass die Gestaltung der Umwelt durch den Menschen eine Sünde ist.“

Die Natur nehme den Platz von Gott ein. „Das wurde von Friedrich Nietzsche ziemlich gut vorhergesagt. Er argumentierte, dass wir, wenn die Menschen aufhören, an Gott zu glauben, eine Phase des Nihilismus erleben würden, also eine Sinnkrise. Diesen Nihilismus sehen wir auch in der heutigen apokalyptischen Umweltbewegung.“


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