Die Wirtschaft der Eurozone wird stärker unter den Folgen des Krieges in der Ukraine leiden als etwa die amerikanische Wirtschaft. Der frühere Bundesbank-Vorstand Andreas Dombret erwartet aber nicht nur ein geringeres Wachstum, sondern auch eine wachsende Staatsverschuldung. „Wir müssen sehen, dass der Ukraine-Krieg kurz- wie auch langfristig die Eurozone stärker betreffen wird als die USA. Nicht nur durch geringeres Wachstum, sondern auch durch eine sich weiter verstärkende Staatsverschuldung zur Abfederung dieser Effekte“, analysiert Dombret im Gespräch mit dem Monatsmagazin Tichys Einblick. Das erkläre auch den aktuellen Kapitalabfluss aus der Eurozone. „Dessen sind sich Investoren bewusst. Sie diversifizieren insofern aus der Eurozone hinaus. Klare Gewinnermärkte sehe ich aber zurzeit trotzdem noch nicht.“
Im Gegensatz zu den USA leide die Eurozone auch noch unter den Folgen der Schuldenkrise. „Auch wenn einige europäische Länder in den Jahren vor Corona gut gewachsen sind, leidet die Eurozone heute immer noch an den negativen Auswirkungen der Euroschuldenkrise. Wir haben in Europa im Gegensatz zu den USA immer noch eine Wachstumslücke. Zudem sind einige Eurozonenländer erheblich verschuldet“, sagt Dombret. Das erkläre auch, warum die EZB zögere, die Zinsen zu erhöhen. „Die EZB wird also sehr vorsichtig agieren müssen, während die Fed deutlich mehr Spielraum hat.“
Dennoch erwartet der frühere Bundesbank-Vorstand, dass auch die Europäische Zentralbank bald die Zinsen anhebt. „Es ist nach meiner persönlichen Einschätzung bereits absehbar, dass auch die EZB ihre Geldpolitik überdenkt und ändern wird. Ich verweise auf kürzliche Aussagen einer zunehmenden Zahl von Mitgliedern des EZB-Rats. Und es ist aus meiner Sicht auch tatsächlich angezeigt, so schnell wie möglich aus den Negativzinsen auszusteigen.“