Tichys Einblick
Der tägliche Einzelfall

Tagesschau-Gniffke im Faktencheck: durchgefallen

Laut Chefredakteur der Tagesschau Kai Gniffke, handelte es sich bei Maria L. um einen Fall von "regionaler Bedeutung", der damit nicht den Relevanzkriterien der Tagesschau entspreche. Ist das so?

Screenprint: tagesschau

Nach Polizeiangaben suchte der 26-jährige Asylbewerber aus Somalia zielstrebig und ohne Termin die Praxis des Arztes Dr. Joachim T. in Offenburg auf. Er griff dann den 51-jährigen Mediziner in einem der Behandlungszimmer unvermittelt mit dem Messer an. Ob der Tatverdächtige Patient des ermordeten Arztes war, ist noch nicht geklärt. In der Badischen Zeitung wird Dr. Joachim T. als Mediziner mit Leib und Seele beschrieben, der sich auch um Menschen gekümmert habe, die andernorts nicht so leicht eine offene Tür finden. Sein Wartezimmer sei „multikulti“ besetzt gewesen. Auch viele Flüchtlinge und Migranten hätten bei ihm Rat und Hilfe gefunden.

Nach Maria L. ist diese schockierende Tat bereits der zweite Mord eines Asylbewerbers in der Region Freiburg, über den zwar in der New York Times aber nicht in der Tagesschau berichtet wird. Laut Chefredakteur der Tagesschau Kai Gniffke, handelte es sich bei Maria L. um einen Fall von „regionaler Bedeutung“, der damit nicht den Relevanzkriterien der Tagesschau entspreche. Im aktuellen Fall veröffentlichte Gniffke hierzu eine ausführliche Erklärung. So heißt es unter anderem:

Wir berichten in der Tagesschau über Dinge von gesellschaftlicher, nationaler oder internationaler Relevanz. Dinge, die für die Mehrzahl der rund 83 Millionen Deutschen von Bedeutung sind. Dabei können wir nicht über jeden Mordfall berichten. Ich glaube, da würde wohl auch die Mehrzahl unserer Kritiker noch mitgehen. Wo die Meinungen auseinander gehen, ist die Frage, ob wir darüber berichten sollten, wenn es sich beim Tatverdächtigen um einen Asylbewerber handelt. Aus meiner Sicht sollten wir das dann tun, wenn Asylbewerber überproportional an Tötungsdelikten beteiligt wären. Das ist, soweit wir es recherchieren können, nicht der Fall. Deshalb haben wir uns gegen die Berichterstattung entschieden.

Offensichtlich sind die Recherchekapazitäten der Tagesschau-Redaktion trotz üppiger GEZ-Finanzierung sehr begrenzt (ARD Aktuell bekommt 25 Cents der EUR 17.50 monatlichen GEZ Gebühren). Zum einem gibt es natürlich nicht 83 Millionen Deutsche, da ca. 11 Millionen der 83 Millionen starken Bevölkerung Deutschlands Nichtdeutsche sind. Zum anderen lässt sich die Beteiligung von Asylbewerbern an Tötungsdelikten durch einen kurzen Blick in die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) leicht ermitteln. Laut Tabelle 61 gab es im Jahr 2017 insgesamt 2.678 Tatverdächtige in den Kategorien Mord (823) und Totschlag (1.855). Davon waren 1.534 Deutsche und genau 365 Asylbewerber. Im Schnitt gibt es also jeden Tag einen Asylbewerber, der eines Mordes oder Totschlags verdächtigt wird. Jeden Tag ein Einzelfall.

Kriminalstatistik, genau gelesen
Kriminalstatistik (PKS) für 2017: Kriminalität Asylbewerber
Ist dies nun überproportional oder nicht, Herr Gniffke? Um dies festzustellen, müssen Sie nicht einmal die Bevölkerungsstatistik bemühen. Proportional bedeutet relativ zur Anzahl der jeweiligen zu vergleichenden Gruppen. Ist zum Beispiel einer von 1.000 Asylbewerbern tatverdächtig, so müssten 72.000 von 72 Millionen Deutschen tatverdächtig sein, um dieselbe Proportion aufzuweisen. Da 1.534 Deutsche eines Mordes oder Totschlags verdächtigt werden, müsste es ca. 72 Millionen/1534*365, also ungefähr 17 Millionen Asylbewerber in Deutschland geben, damit diese nicht überproportional an Mord oder Totschlagsdelikten beteiligt wären.

Wissen Sie etwas, das wir nicht wissen, Herr Gniffke? Oder wissen Sie etwa nicht was überproportional bedeutet und verwechseln es mit absolut? Nach dem Motto: Alles halb so schlimm, schließlich werden Deutsche ungefähr viermal so oft eines Mordes oder Totschlags verdächtig (1.534 mal) wie Asylbewerber (nur 365 mal). Oder auch: Keine Sorge, die Mehrheit der Asylbewerber bringt niemanden um. Solche verharmlosenden Aussagen wurden in der Vergangenheit sehr oft verwendet. Sehr beliebt ist zum Beispiel die Aussage: “die Mehrheit der Asylbewerber ist nicht kriminell”. Bedeutet dies doch nur, dass der Anteil krimineller Asylbewerber weniger als 50% ist. Aber selbst dies stimmt inzwischen nicht mehr, wie eine detaillierte Analyse der PKS zeigt, wonach 62% der Asylbewerber im Jahr 2017 tatverdächtig waren (ohne Berücksichtigung von ausländerrechtlichen Verstößen).

Zusammenfassend kann man sagen, dass die sehr wohlüberlegte und auch differenzierte Aussage des Chefredakteurs der Tagesschau eindeutig Fake News ist. Was dies für die Glaubwürdigkeit der Tagesschau bedeutet, kann sich jeder selbst denken. Konsequenzen wird dies aber natürlich, wie in Deutschland üblich, keine haben.

Für alle, die es genauer wissen wollen, im Folgenden noch eine kurze Analyse von Mord und Totschlag in Deutschland anhand der PKS 2017. Im Jahr 2017 gab es 1.030 Mordopfer (625 versucht, 405 vollzogen) und 1.834 Opfer von Totschlag (1.520 versucht, 314 vollzogen), also insgesamt 719 Personen wurden getötet (davon 544 Deutsche, 75,7%), 2.145 Personen haben einen Tötungsversuch scheinbar überlebt (davon 1.309 Deutsche, 61,0%). Das heißt, ca. 40% der Mordopfer wurden getötet, aber nur 17% der Totschlagopfer, im Schnitt also 25%.

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Diese Daten sind aus Tabelle 911 der PKS, in der auch die Staatsangehörigkeit der nichtdeutschen Opfer genau aufgeschlüsselt wird. Herkunftsländer der meisten Getöteten waren: Türkei 21, Polen 15, Syrien 13 und Afghanistan 11. Bei den Tatverdächtigen (siehe PKS Tabelle 61) wird nicht danach aufgeschlüsselt, ob es sich um einen Mordversuch oder einen vollendeten Mord bzw. Totschlag handelt. Es gab 2017 insgesamt 823 Tatverdächtige für Mord (davon 516 Deutsche, 62,7%) und 1.855 für Totschlag (davon 1.018 Deutsche, 54,9%). Bei Totschlag entspricht dies ungefähr der Anzahl der Opfer, bei Mord dagegen nur ca. 80% der Opferzahl, wobei es natürlich auch Fälle mit mehreren Opfern gibt. Die Aufklärungsquote bei Mord und auch bei Totschlag liegt bei ca. 95.5% (siehe PKS Tabelle 01). Das heißt, die Tatverdächtigen bei Mord und Totschlagsdelikten sind sehr wahrscheinlich auch die Täter. Das oft gehörte Argument, dass es sich bei der PKS ja nur um Tatverdächtige handelt und nicht um Täter, gilt in diesem Fall also sicherlich nicht.

Die Herkunftsländer der meisten Tatverdächtigen waren: Türkei 184, Syrien 107, Afghanistan 92, Rumänien 61 und Polen 57 (siehe PKS Tabelle 61). Bei Deutschen ist das Verhältnis von Tatverdächtigen zu Getöteten 1534:544, also etwa 2,8:1. Bei Nichtdeutschen ist das Verhältnis 1.144:175, also etwa 6,5:1. Bei Syrern ist das Verhältnis 8,2:1, bei der Türken 8,8:1, bei Afghanen 8,4:1, bei Polen 3,8:1 und bei Rumänen 12,2:1.

Betrachtet man nur Asylbewerber, so gibt es wie schon erwähnt 365 Tatverdächtige, davon 348 Männer und 17 Frauen (siehe PKS Tabelle 62). Man muss aber berücksichtigen, dass Asylbewerber im Sinne der PKS nur Personen sind, bei denen ein Asylantrag anhängig ist. Das heißt, Personen, die einen Asylantrag gestellt haben, über den noch nicht entschieden wurde (siehe PKS Jahrbuch 3). Wurde über einen Asylantrag entschieden, so gehört derjenige nicht mehr zur Kategorie Asylbewerber, sondern zur Kategorie “International/national Schutzberechtigte und Asylberechtigte”, falls der Antrag genehmigt wurde, beziehungsweise zur Kategorie “Duldung”, falls der Antrag abgelehnt wurde.

Asylbewerber gemäß dieser Definition gab es 2017 im Jahresschnitt aber laut offiziellen Dokumenten nur 191.443 (Quellen hier und hier). Damit sind Asylbewerber relativ zur Anzahl ca. 89-mal so häufig Tatverdächtige eines Mord- oder Totschlagdelikts wie Deutsche (ca.17 Millionen/191.443, siehe oben).

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Wenn dies für Herrn Gniffke und die Redaktion der Tagesschau nicht überproportional ist, dann muss man ernsthaft an deren Eignung oder Aufrichtigkeit zweifeln. Nimmt man Herrn Gniffke beim Wort und fordert aufgrund der überproportionalen Anzahl, dass über diese Fälle in der Tagesschau berichtet wird, so müsste jeden vierten Tag ein Bericht über einen vollendeten Mord oder vollendeten Totschlag eines Asylbewerbers gesendet werden: dies unter der Annahme, dass auch bei Asylbewerbern 25% der Mord- und Totschlagsfälle vollendet wurden. Bedenkt man, was dies für politische und gesellschaftliche Konsequenzen hätte, so ist eindeutig, dass der wahre Grund, in der Tagesschau nicht über diese Fälle zu berichten, ein anderer ist.

Noch eine abschließende Anmerkung zum üblichen Erklärungsversuch, dass Asylbewerber nur scheinbar krimineller sind, da es sich hauptsächlich um junge Männer handelt und junge Männer immer krimineller sind als der Rest der Bevölkerung. Tabelle 40 der PKS gibt die Belastungszahlen der Deutschen nach Alter und Geschlecht an, also wie viele Tatverdächtige es je 100.000 Personen der unterschiedlichen Altersgruppen gibt. Für Mord und Totschlag ist die am meisten belastete Gruppe Deutscher die der Männer im Alter von 21 oder 22 Jahren mit 11,4 Tatverdächtigen je 100.000 Personen. Bei Frauen sind es die 23- und 24-jährigen mit 2,3 Tatverdächtigen je 100.000 Personen. Bei Asylbewerbern sind die Tatverdächtigen nicht nach Alter aufgeschlüsselt, man muss es also abschätzen. Im Jahresdurchschnitt 2017 gab es ungefähr 115.823 männliche und 75.620 weibliche Asylbewerber (Quellen: hier und hier), davon waren nun 348 Männer und 17
Frauen Tatverdächtige von Mord und Totschlag. Umgerechnet auf 100.000 Personen ist die Belastungszahl bei männlichen Asylbewerbern dann bei ca. 300 und bei weiblichen Asylbewerbern bei ca. 22,5. Das heißt, unabhängig vom Alter sind männliche Asylbewerber 26-mal so oft Tatverdächtige wie deutsche Männer im Alter von 21 oder 22 Jahren und weibliche Asylbewerber 10-mal so oft Tatverdächtige wie deutsche Frauen im Alter von 23 oder 24 Jahren. Dies berücksichtig nicht, dass 2017 etwa 28,7% der männlichen und 40,6% der weiblichen Asylbewerber Kinder unter 11 Jahren waren. Der oben genannte Erklärungsversuch trifft also auf Asylbewerber offensichtlich nicht zu.

Zum Ende noch einige interessante Fakten:

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