Tichys Einblick
"Den Betriebsfrieden gestört"

SWR entlässt Journalisten nach kritischen Äußerungen über Öffentlich-Rechtliche

Ein Journalist kritisiert die öffentlich-rechtlichen Sender: Sie würden manche Positionen nicht mehr darstellen und zulassen. Daraufhin entlässt ihn der SWR. Der Fall Ole Skambraks zeigt: Die Unzufriedenheit über die Einseitigkeit der öffentlich-rechtlichen Sender ist bei ihnen selbst angekommen.

IMAGO / Arnulf Hettrich

Der Twitter-Account von Ole Skambraks lässt nicht auf einen rechten Autoren schließen: Der Journalist lobt die TAZ für eine fundierte und bohrende Recherche, macht harmlose Witze über AfD-Chef Gauland oder würdigt Kollegen, die ein kritisches und aussagekräftiges Interview mit AfD-Vertretern geführt haben. Die Einträge sind aus dem Jahr 2018. Jetzt prägen Tweets mit dem Hashtag „#Ichkannnichtmehr“ den Account. Unter dieser Überschrift hat sich Skambraks zu. Anfang des Monats auf dem Portal Multipolar geäußert. Seine Kritik: Die öffentlich-rechtlichen Sender berichteten einseitig über die Pandemie. Sie würden Stimmen, die nicht die Meinung der Regierenden wiedergeben, unterdrücken und als rechtsaußen diffamieren, um so für die Meinung der Regierenden zu werben und andere Meinungen vorzuführen.

Die Folge sei zum einen, dass über wichtige Faktoren der Pandemie nicht berichtet würde. Systematisch. So erinnert Skambraks daran, dass die Öffentlich-Rechtlichen 2020 ausführlich über die Krankheitsverläufe von mit Corona Infizierten berichtet hätten – das Thema Impfdurchbrüche 2021 aber so gut wie gar nicht vorkomme.
Zum anderen vergifte die Einseitigkeit der Öffentlich-Rechtlichen auch die Atmosphäre. Der Diskussionsraum habe sich in den vergangenen anderthalb Jahren erheblich verengt; die gesellschaftliche Spaltung sei so, „dass (sie) ihresgleichen sucht“. Unliebsame Wissenschaftler würden als Wirrköpfe diffamiert. Skambraks erinnert an Jan Böhmermann, der in einer Diskussion gefordert hat, Wissenschaftlern wie Hendrik Streeck dürften die Medien gar nicht mehr zuhören. Interessanterweise hat selbst die Kanzlerin jüngst in einem Interview erklärt, es sei ihr größter Fehler in der Pandemie gewesen, nicht auf Streeck und andere zu hören, als diese im Herbst vor den besonderen Gefahren für Heime gewarnt haben.

Der SWR hat Skambraks nun entlassen, wie der evangelische Nachrichtendienst EPD gemeldet hat. Nicht weil er geredet habe, sondern weil er nicht geschwiegen habe, wie es der Sender mit ihm in einem Personalgespräch für zwei Wochen vereinbart habe. In diesem Zeitraum trat er in einer Talkshow des österreichischen Senders Servus TV auf und wiederholte dort seine Vorwürfe.

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Skambraks ursprünglicher Text ist für die Verhältnisse im Internet extrem lang. Trotzdem ist er lesbar. Es ist zu erkennen, dass ein Journalist ihn konzipiert hat. Skambraks diffamiert die Öffentlich-Rechtlichen nicht. Aber er fordert sie auf, ihren Job zu machen: Themen aufzugreifen, auch wenn sie nicht in die gewünschte Erzählung passen. Unterschiedliche Stimmen zuzulassen. Die Gesellschaft in ihrer Breite darzustellen.

Von „falschen Tatsachenbehauptungen“ und von einem „empfindlich gestörten Betriebsfrieden“ spricht der SWR gegenüber EPD. Skambraks habe gar nicht an redaktionellen Konferenzen teilgenommen, in denen über die Berichterstattung entschieden worden sei. Skambraks arbeite seit zwölf Jahren bei der ARD, davon den größten Teil davon beim WDR, zu Beginn 2020 wechselte er zum SWR2 ins Sounddesign Ein Kultursender mit niedrigen Einschaltquoten.

Weil er einen so ungewöhnlichen Namen trägt, haben viele „Skambraks“ für ein Pseudonym gehalten. Daraufhin hat er auf Twitter ein Foto seines Dienstausweises veröffentlicht. Er ist – er war Freier Mitarbeiter. Die Sender berichten zwar gerne über schwierige Arbeitssituationen in „der Wirtschaft“, stellen aber Mitarbeiter selbst oft über Jahre nicht fest an.

Auf Twitter veröffentlicht Skambraks zahlreiche Reaktionen von Kollegen. Hinter der Hand würden ihn viele loben, weil er Fehlentwicklungen endlich angesprochen habe. Öffentlich traue sich keiner, sich entsprechend zu äußern – aus Angst um den eigenen Arbeitsplatz. Der SWR hat bisher keine Pressemitteilung zu dem Fall veröffentlicht. Dass der Sender unliebsame Äußerungen nicht zulasse, weist dieser gegenüber EPD beleidigt zurück. Ob die Entlassung eines selbstkritischen Journalisten da zur Beweisführung dient, kann jeder für sich selbst beantworten.

Neuer Medien-Staatsvertrag in Arbeit – ZDF Neo und ARD alpha stehen auf der Kippe

Ende des nächsten Jahres soll es einen neuen Rundfunk-Staatsvertrag geben, mittlerweile liegt ein Arbeitsentwurf vor. Ob es dann noch Sender wie ZDF Neo oder ARD alpha gibt, ist offen. Auch erhalten die Gremienmitglieder Instrumente an die Hand, um auf eine neutrale und ausgewogene Berichterstattung hin zu wirken – es könnte die letzte Chance einer aktiven Medienpolitik der CDU werden.

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41 Minuten haben Menschen zwischen 14 und 29 Jahren an diesem Donnerstag im Schnitt ferngesehen. Alle Altersgruppen zusammen haben durchschnittlich 183 Minuten geschaut, wie die GFK mitteilt. Aus der Gesamtheit der Zahlen lässt sich leicht erkennen: Fernsehen ist eher eine Beschäftigung der Menschen über 49 Jahren. Vor allem wenn es um ARD und ZDF geht. Von den wenigen Zuschauern zwischen 14 und 29 Jahren hat die ARD in den ersten vier Wochen des Oktobers nur 6,5 Prozent im Schnitt erreicht – beim ZDF waren es sogar nur 5,0 Prozent. ARD und ZDF erreichen die Jungen nicht. Zumindest nicht mit Fernsehen. Das wissen sie selbst. Deswegen wurde unter anderem das Jugendportal Funk gegründet, das sich auf Klimaschutz, Antikapitalismus und ausgefallene Sexualpraktiken spezialisiert hat. Zwar veröffentlicht Funk ab und an Nutzerzahlen, sofern sie dem Portal schmeicheln. Aber ob sich hier Jugendliche ihre journalistische Grundversorgung abholen, ist fraglich.

Für SPD und Union gab es bei der Bundestagswahl einen Schock. Die Erstwähler laufen ihnen nicht nur zu den Grünen weg – sondern noch stärker zur FDP. Die einstigen Volksparteien sind dafür umso stärker in Alterskohorten, desto stärker diese für ARD, ZDF und Dritte offen sind. Der Kampf um die Öffentlichen-Rechtlichen ist für SPD und Union also auch ein Kampf um die eigene Zukunft.

Vor allem für die CDU. Diese durfte im Wahlkampf erfahren, dass die gleichen ÖR-Mitarbeiter, denen kein böses Wort zu Merkel über die Lippen gekommen wäre, Armin Laschet offensichtlich unfair behandelten. Linke Aktivisten wurden in Talk-Formaten als Vertreter der Bevölkerung dargestellt. Die brüsteten sich im Vorfeld auf Twitter offen damit, dass ihnen dieser Coup gelungen ist und sie die Chance nutzen wollen, Laschet vorzuführen. Die ARD griff nicht ein. Das Format lief so, wie es linke Aktivisten auf Twitter angekündigt haben.

Der aktuelle Entwurf des Staatsvertrags sieht nun vor, dass Zielvorgaben entwickelt werden sollen. Diese sollen den Mitgliedern in den Aufsichtsgremien von ARD, ZDF und Dritten objektive Instrumente an die Hand geben, um auf eine ausgewogene und neutrale Berichterstattung drängen zu können. Darüber hat zuerst die FAZ berichtet. In den Gremien sitzen Vertreter der Politik und gesellschaftliche Gruppen. Doch auch diese sind politisch meist eindeutig zuzuordnen. Der Gewerkschaftsbund DGB etwa schickt Sozialdemokraten oder Grüne, Arbeitnehmerverbände Christdemokraten und Liberale.

Wie die Zielvorgaben aussehen sollen, ist derzeit der Streitpunkt. Denn in der Objektivierung der Bewertung journalistischer Berichterstattung gilt, was Winston Churchill einst gesagt hat: Man solle nur Statistiken glauben, die man selber gefälscht habe. Schon jetzt müssen sich die Sender gegenüber ihren Gremien dafür rechtfertigen, wie stark sie dem Informationsanspruch quantitativ gerecht werden. Doch werden auch Talkshows zu diesem Angebot gezählt, selbst wenn die längst keine politischen Erkenntnisse mehr bringen, sondern reine Plattformen für Selbstdarsteller sind, die entweder das immer Gleiche jaenicken oder heute das Eine lauterbachen und morgen das Gegenteil davon.

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Große Einigkeit besteht unter SPD, Union, Grünen, FDP und Linken, dass der Auftrag reduziert werden soll. Er soll künftig nur noch für ARD, ZDF und die Dritten gelten. Spartensender wie ZDF Neo, ZDF Info oder ARD alpha könnten dann umstruktiert werden – oder ganz abgeschafft. Denn ob das Netz wirklich Plattformen für alte Monk-Folgen braucht oder die immer gleichen Hitler-Dokumentationen, ist fraglich. Auch dürften sie nur bedingt dazu beitragen, endlich junge Zuschauer für sich zu gewinnen.

Offen bleibt die Zukunf für Arte und 3Sat. Denn für diese gelten Kooperationen mit ausländischen Sendern. Sie können also nicht einfach abgeschafft werden. Allerdings hätten ARD und ZDF freie Hand, wenn der Staatsvertrag entsprechend geändert wird, diese Programme zu reformieren und zu reduzieren: Gäbe es ZDF Neo nicht mehr, könnten die Mainzer die Wiederholungen ihrer Schwarzwaldklinik auch auf Arte einspeisen. Dann würden Klaus und Udo Brinkmann zu Kunstobjekten.
Bis zum März muss der Entwurf der Ministerpräsidentenkonferenz vorliegen. Medienpolitik ist Ländersache. Bis zum Jahresende 2022 müssten dann die Landtage darüber abstimmen. Ob sich aus dem neuen Staatsvertrag eine Senkung der Gebühren ableiten lässt – oder auch nur ein künftiges Einfrieren – ist zwar offen. Doch die Hinweise aus den Ländern lassen eher nicht drauf schließen.

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