Tichys Einblick
Nach Gestapo-Vergleich

SWR: Podcast mit Anpalagan wird nicht fortgesetzt

Der ehemalige SWR-Mitarbeiter Stephan Anpalagan hat die Bundespolizei als Nachfolgeorganisation der Gestapo bezeichnet. Der Sender distanziert sich „ausdrücklich“ von der Äußerung und kündigt an, das Podcast-Format nicht fortzusetzen. Auch ein Folgeformat sei nicht geplant.

IMAGO / Sven Simon

Seit Jan Böhmermann für die öffentlich-rechtlichen Anstalten arbeitet, ist es üblich geworden, dass ein Mitarbeiter von ARD oder ZDF wegen brisanter Äußerungen mal im Mittelpunkt steht. Es ist auch noch nicht so lange her, dass Sarah Bosetti in ihrem ZDF-Format Ungeimpfte als „Blinddarm“ bezeichnete. Wenn sich jedoch zwei Vorsteher von Polizeigewerkschaften und die Bundesinnenministerin einschalten, dann ist das eine bemerkenswerte Eskalation.

Verursacher des Aufruhrs ist Stephan Anpalagan. Anpalagan war bisher Host des SWR-Podcasts „Gegen jede Überzeugung“. Er betreibt das Format zusammen mit Nicole Diekmann. Man will dort nach eigener Aussage über „konstruktives Streiten“ reden. Wer Anpalagan auf Twitter folgt, wundert sich darüber. Denn schon in der Vergangenheit fiel er auf dem Social-Media-Dienst immer wieder mit polemischen Äußerungen auf. Claudia Pechstein warf er nach ihrer Rede vor, „rassistischen Müll“ zu reden. Und als Manuel Ostermann von der Deutschen Polizeigewerkschaft kritisierte, dass „Friedensrichter im Hinterzimmer“ agierten, warf der Diplom-Theologe den Polizeigewerkschaften Aktionismus vor, wenn „sich die Gelegenheit bietet, seinen Rassismus offen zur Schau zu stellen“.

Über eine Äußerung von Ostermann entbrannte auch der aktuelle Streit. Ostermann wies darauf hin, dass er vom thüringischen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow geblockt worden sei und bezeichnete ihn als führenden Genossen „der SED-Nachfolgepartei“. Darauf twitterte Anpalagan: „Vielleicht sollte ein Mitglied der Gestapo-Nachfolgeorganisation kleinere Brötchen backen“. Ostermann reagierte: „Bezeichnen Sie gerade die Polizeien der Länder und des Bundes als Gestapo? Laufen Sie noch richtig in der Spur? Ich bin selten fassungslos, aber hier ist es soweit! Überdenken Sie diesen geistigen Tiefflug und löschen Sie diesen pietätlosen Ausfall besser.“

Ostermann stellte anschließend eine Strafanzeige. Heiko Teggatz, Chef der Bundespolizei-Gewerkschaft, nannte den Vorgang eine „Schande für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk“. Jeder Bundespolizist wäre für eine solche Aussage aus dem Dienst entfernt worden. „Wenn jetzt schon Journalisten des SWR die Bundespolizei als Nachfolgeorganisation der GeStaPo bezeichnen, ist das symbolhaft für die Qualität dieser Sender“, so Teggatz gegenüber NIUS. Anpalagan würde aus öffentlichen Mitteln bezahlt werden. Es stelle sich die Frage, ob sein Verhalten mit seiner Berufsehre in Einklang zu bringen sei. Teggatz forderte Bundesinnenministerin Nancy Faeser dazu auf, sich in die Causa einzuschalten.

Auch der Berufsverband Unabhängige in der Polizei meldete sich in der Diskussion zu Wort und verwies darauf, dass Anpalagan sie als „NSU 3.0“ bezeichnet hätte. Auf eine Strafanzeige hätte es keine Reaktion der Strafverfolgungsbehörden gegeben. Anpalagan hatte im Mai darauf hingewiesen, Lehrbeauftragter an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung in NRW zu sein. Dort hatte Anpalagan die Dozentin Bahar Aslan verteidigt, nachdem ihr die Hochschule den Lehrauftrag entzogen hatte. Aslan hatte getwittert: „Ich bekomme mittlerweile Herzrasen, wenn ich oder meine Freund:innen in eine Polizeikontrolle geraten, weil der ganze braune Dreck innerhalb der Sicherheitsbehörden uns Angst macht. Das ist nicht nur meine Realität, sondern die von vielen Menschen in diesem Land.“

Mittlerweile hat sich auch Innenministerin Faeser geäußert. Zwar nannte sie Anpalagan nicht direkt, doch lässt ihre Aussage den naheliegenden Schluss zu, dass sie sich auf den Fall bezieht. „Jeden Tag halten zehntausende Polizistinnen und Polizisten in Bund und Ländern ihren Kopf hin für unsere Sicherheit und unsere Demokratie. Sie verdienen unseren Respekt und keine Beschimpfungen“, sagte Faeser auf Twitter.

Bemerkenswert ist neuerlich, mit welcher Nonchalance die Grenze des Sagbaren verschoben wird. Dabei ist Anpalagans Behauptung nicht nur polemisch und insinuiert, dass die Bundespolizei eine düstere Nazi-Vergangenheit habe. Sie ist auch historisch schlicht falsch. Die Bundespolizei ist Nachfolger des Bundesgrenzschutzes und diese wiederum des Zollgrenzschutzes. Der wurde zwar tatsächlich 1937 und damit in der Zeit des Nationalsozialismus gegründet. Er ist aber eben weder identisch noch in seinen Kompetenzen mit der Geheimen Staatspolizei zu vergleichen.

Dem bemühten Angriff auf die deutsche Polizei fehlt damit die sachliche Unterfütterung, die Anpalagan so häufig von politisch Andersdenkenden wie auch von Zuschauern seines Podcasts einfordert. TE hat deswegen die SWR-Redaktion mit der Äußerung Anpalagans konfrontiert. Wir dokumentieren den Wortlaut in Gänze:

Stephan Anpalagan war Host des Podcasts „Gegen jede Überzeugung“ (SWR), der im Januar dieses Jahres an den Start ging. Der Podcast endete mit der letzten Ausgabe am 19. Juni 2023.
Die Redaktion bestätigt: Es ist weder eine Fortführung des Formats noch ein Folgeformat in Planung. Herr Anpalagan produziert aktuell keine Inhalte im Zusammenhang mit dem SWR. Seinen privaten Twitteraccount und seine Inhalte hat er ausschließlich selbst zu verantworten.
Der SWR teilt seine auf Twitter geäußerte Ansicht ausdrücklich nicht.

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