Tichys Einblick
Tichys Einblick hat nachgefragt

Warum Insekten im Bier? Supermarktketten zur neuen EU-Ekel-Ess-Verordnung

Viele Lebensmittel dürfen künftig bis zu 10 Prozent Insekten als Beimischung enthalten. Viele Konsumenten ekeln sich davor. Was sagen die Händler dazu? Und die Konsumenten? EDEKA jedenfalls lässt die Würmer krabbeln – Hauptsache, gegendert.

IMAGO / Pixsell

Kaum ein abgepacktes Lebensmittel aus dem Supermarkt oder der Restaurant-Küche, das zukünftig nicht mit Pulver oder Paste aus Insekten versetzt werden darf: Die Liste der Produkte ist lang, in die bis zu zehn Prozent vermahlene Heuschrecken, Mehlwürmer oder Getreideschimmelkäfer eingesetzt werden dürfen.

Und das ist die keineswegs vollständige Liste der mit Schädlings-Pulver ergänzten früheren Lebensmittel:

Beruhigend ist es nicht wirklich, dass diese Krabbeltiere 24 Stunden vor ihrer Verarbeitung nicht mehr gefüttert werden sollen, um so die schlimmsten Formen der Verkettung zu verhindern – da die Tiere komplett verarbeitet werden, bleibt ihr Magen-Darm-Trakt erhalten und wird in menschliche Nahrung umgewandelt. Es ist eine gemeinsame Verordnung von EU-Parlament und EU-Rat – ohne Teilhabe der Öffentlichkeit. Die wurde mit der „Novel-Food-Verordnung“ überrollt; ehe sich Widerspruch regen konnte. Über die Gründe mag man spekulieren. Das Ergebnis schockiert Verbraucher.

Die von TE befragten Supermarktketten erklären unisono, dass eine Deklarationspflicht besteht – aber das ist auch alles. Künftig muss also die ekelerregende Beimischung mit deutschen Namen und nicht nur unter ihrem lateinischen Tarnbegriff aufgeführt werden. So versucht etwa „mein Real“ Kunden mit folgendem Text zu beruhigen:

„Wie für jedes Lebensmittel, gelten auch für Lebensmittel mit Insekten als Zutat die Kennzeichnungsvorgaben der Lebensmittelinformationsverordnung. Diese sieht neben weiteren Kennzeichnungselementen auch ein vollständiges Zutatenverzeichnis für zusammengesetzte Produkte vor. Bei der Zulassung des Pulvers aus der Hausgrille wurde festgelegt, dass dieses Produkt mit der Bezeichnung ‚Teilweise entfettetes Pulver aus Acheta domesticus (Hausgrille)‘ bezeichnet werden muss und in dieser Form im Zutatenverzeichnis aufgeführt sein muss. Des Weiteren wurde festgelegt, dass in unmittelbarer Nähe zur Zutatenliste ein Hinweis erfolgen muss, dass die Zutat ‚Teilweise entfettetes Pulver aus Acheta domesticus (Hausgrille)‘ bei Verbrauchern, die bekannterweise gegen Krebs- und Weichtiere und Erzeugnisse daraus sowie gegen Hausstaubmilben allergisch sind, allergische Reaktionen auslösen kann. Produkte, die dieses neuartige Lebensmittel enthalten, müssen daher stets entsprechend gekennzeichnet sein.“

Es ist nicht beruhigend, sondern alarmierend: Allergische Reaktionen werden von der EU hingenommen. Statt Konsumenten, die über ihre Befindlichkeit noch nicht ausreichend Bescheid wissen oder die immer längeren und immer kleiner gedruckten Angaben unter Zutaten nicht wahrnehmen (können), vor solchen Produkten zu schützen, nimmt man gegebenenfalls auch tödliche Reaktionen in Kauf. Es stand ja in der Zutatenliste.

Ungeziefer soll zum Alltagsmenü werden

Dazu: Neu ist die Breite der Produkte, in die Insektenmehl eingerührt werden darf. Wer bislang seiner Hausmarke treu war, kann plötzlich eine unangenehme Überraschung erleben; und wie so häufig in der EU steckt der Teufel im Kleingedruckten. Einkauf wird immer mehr zur Detektivarbeit. Wer schaut schon ganz genau auf die genauen Zutaten, wenn er wie seit Jahren sein gewohntes Frühstücksmüsli kauft – in dem dann stickum Haferflocken mit Heimchen versetzt werden? Auch Craft-Beer darf künftig Insektenpaste aus den Larven des Getreideschimmelkäfers zum Trunk zugesetzt werden. Wehe, wer nicht auf das Kleingedruckte achtet. Und Hand aufs Herz: Welcher Schokoladen-Käufer hat die Liste der Zutaten aufmerksam studiert? Es liegt in der Natur des Verbrauchens, bei Bier an Hopfen und Malz zu denken, bei Schokolade an Zucker und Kakaobohnen, bei Tomatensuppe an Tomaten – und nicht an getrocknete Wanderheuschrecken.

Besondere Gefahr besteht für Backmischungen für Kuchen und Brot: Statt Mehl und Backpulver kommt auch hier der gelbe Mehlwurm in die Tüte und das nicht zu knapp – wobei seit Jahrhunderten Müller und Bäcker versuchen, derartige Schädlinge aus ihren Produkten fernzuhalten und ausgefallene Methoden wie Sieben, Säubern, Schleudern und andere Techniken entwickelt haben, um saubere Ware anbieten zu können: Die EU begeht eine Art Kulturbruch, indem sie bekämpfte Insektenschädlinge zum Nahrungsmittel umdefiniert. Ungeziefer soll zum Alltagsmenü werden.

Auch in Restaurants und Kantinen können Heuschrecken breit eingesetzt werden, diese Insekten gelten als besonders billig – und dürfen dann in die Suppe gerührt oder der Sauce beigefügt werden; für Vegetarier selbstverständlich als „Proteinbeilage“ in Fleischersatzprodukten. Natürliche Lebensmittel – das war einmal; Essen aus der Region wird Vergangenheit, wenn der vietnamesische Nahrungsmittelproduzent erst seine Insekten durch die Produktkette drückt.

Wie reagieren die Händler?

Man „beobachte die Entwicklung aufmerksam“, erklärt Nestlé auf Anfrage, mit hunderten von Marken von Maggi bis Alete weltgrößter Nahrungsmittelkonzern und Treiber vieler Entwicklungen in diesem Bereich. Noch seien keine entsprechenden Produkte geplant. Auf diesen ersten Satz folgt: „Allerdings sehen wir Potential im Bereich Tiernahrung und haben bereits erste Erfahrungen gesammelt.“ Es soll beruhigen, nur Hund und Katz und Goldfisch also?

Eine weitere Warnung kommt im nächsten Satz: „Insekten werden in vielen Teilen der Welt regelmäßig gegessen. Sie sind eine alternative Proteinquelle … Seit ungefähr anderthalb Jahren dürfen bereits der gelbe Mehlwurm und Heuschrecken in der EU verarbeitet werden. Zugelassen ist ein Anteil von maximal zehn Prozent in Keksen, Nudeln, Brot, Frühstücksflocken.“ Das klingt wenig beruhigend – Nestlé arbeitet also längst an der Einführung; erst das Tier, dann der Mensch, Hauptsache billig.

Distanzierter klingt es bei REWE, einem der Big Three im deutschen Lebensmittelhandel: „Die REWE Group hat sich mit dem Thema beschäftigt und sieht, wie viele Experten auch nur eine geringe Relevanz für die Verarbeitung in Lebensmitteln.

Es gibt aktuell in der REWE Group keine Eigenmarkenprodukte, bei denen Pulver aus Insekten eingesetzt wird und es bestehen auch keine Überlegungen dies zu tun.“ Klingt seriös.

Beim zweimaligen Lesen fällt auf: REWE wird sich nicht sperren, wenn Lieferanten wie Nestlé auf Ekel-Food umschwenken – wie denn auch? Die Macht der Großproduzenten zwingt die Händler, EU-Ekel-Food in die Regale zu stellen. Lediglich die Bio-Kette Alnatura hebt vorsichtig den Finger: So sei es „derzeit nicht geplant, Insekten in unseren Alnatura Produkten einzusetzen. Auch Produkte anderer Hersteller die Insekten enthalten bieten wir in unseren Alnatura Super Natur Märkten nicht an.“ Die Betonung liegt aber auch hier auf „derzeit“.

Der mittlerweile zum Schweizer Migros-Konzern gehörende und nur in einigen Regionen bekannte Händler „tegut…“ klingt bei Anfrage eine Spur härter: „Als Insekten in 2018 zugelassen wurden, hatten wir mal eine Zeit lang verschiedene Insektenprodukte gelistet (z.B. Mehle, Burger-Patties). Diese waren selbstverständlich ganz klar als solche erkennbar, sodass keinerlei Verwechslungsgefahr bestand. Aufgrund der geringen Nachfrage wurden diese Produkte zwischenzeitlich aber schon wieder ausgelistet. Für unsere tegut… Produkte gibt es keine Überlegungen, Insekten als Zutat aufzunehmen.“

Am offensten und brutalsten mit den Wünschen geht Marktführer EDEKA um:

„Als Vollsortimenter führen wir ein großes Sortiment verschiedenster Produkte und können daher nicht ausschließen, dass Produkte von Markenhersteller:innen entsprechende Zutaten aus Insekten enthalten oder deren Rezepturen zukünftig angepasst werden.“ Konsumenten interessieren EDEKA nicht, statt um Verbraucherschutz kümmert man sich lieber um genderkorrekte Unsinnssprache. Lebensmittel jedenfalls liebt das Unternehmen nicht – allenfalls Gendersternchen. Da weiß man wenigstens, woran man ist.

Langsam regt sich Widerstand

Aber auch hier gilt: In Fremdprodukte schaut man nicht hinein; kommt Zeit, kommt Insekt.

Doch langsam baut sich Widerstand auf. Viele Tageszeitungen versuchen, ihre Leser noch zu beruhigen: Das sei eben unumgänglich, um den Klimawandel zu bekämpfen. Kritik an der EU gilt in vielen Leitmedien als igitt, statt über den EU-Ekel zu berichten. Aus ökologischer Sicht habe es enorme Vorteile, Insekten zu essen, bilanzieren BUND und die Grünen-nahe Heinrich-Böll-Stiftung, und ein Portal für „Ökolandbau“ jubelt dazu.

TE-Wissenschaftsredakteur Holger Douglas weiß: Auch Insekten sind Lebewesen mit Stoffwechsel, nur eben kleiner. Dafür braucht man viele, was zusammen mit der kurzen Lebensdauer Mutationen und Weitergabe von Krankheiten fördert. Was in warmen Ländern gut funktioniert, erfordert in Deutschland hohen Energie- und Antibiotika-Einsatz. Die Öko-Bilanz ist trügerisch. Die Evolution hat dafür gesorgt, dass in kälteren Breitengraden Rinder und Schweine die Funktion des Proteinlieferanten übernehmen.

Mittlerweile beginnt sich trotz der Schönrednerei Widerstand zu regen. Im Internet sammeln Kritiker des Ekel-Foods Produkte, die Insektenkadaver enthalten. Andere erwägen, mit aufklebbaren Käfer-Stickern die Konsumenten darüber zu informieren, was ihnen da untergeschoben wird. Wieder ist es ein Widerstand normaler Bürger gegen Riesenkonzerne und die EU-Kommission, die die Interessen der Verbraucher jedenfalls nicht vertritt.

TE wird über die politische Verantwortlichkeit, die gesundheitlichen Folgen und die ökologische Belastung berichten.


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