Tichys Einblick
StGB 188

Beleidigungsparagraf: Abschaffung oder Verschärfung

Wie mit dem „Beleidigungsparagrafen“ umgehen? FDP und Linkspartei fordern die Abschaffung. Auch Armin Laschet und Hans-Georg Maaßen schalten sich ein. Eine SPD-Ministerin will dagegen eine Verschärfung, um noch umfangreicher gegen „Hasskommentare“ vorzugehen.

IMAGO

Die Debatte um den Beleidigungsparagrafen hält an. Das nicht erst seit den Anzeigen von Robert Habeck, Annalena Baerbock und Friedrich Merz. Schon in den Jahren zuvor konnte man vom anzeigefreudigen Verhalten von Marie-Agnes Strack-Zimmermann lesen. Aber auch das quasi ein alter Hut. Der Unterschied ist freilich, dass es früher zur Meinungsfreiheit oder Satire gehörte, einen türkischen Staatspräsidenten als „Ziegenficker“ zu titulieren und eine AfD-Parteichefin als „Nazischlampe“. Noch in der Corona-Krise durfte Jan Böhmermann Kinder grundsätzlich mit Pestratten vergleichen.

Es überrascht, dass die zahlreichen Verfechter dieser Äußerungen darin einen Mehrwert erkennen, hingegen ein Robert-Habeck-Meme als unerträglich bezeichnen. Dass das eine Satire, das andere Beleidigung sei, ist nur mit einer verliehenen Lizenz der Staatssender zu unterscheiden. Dass die „Verrohung“ der Gesellschaft auf der linken Seite geduldet, auf der rechten Seite ungustiös ist – der Austriazismus des Kollegen Goergen trifft es –, unterstreicht, dass es bei der Debatte doch vielmehr um Macht und Herrschaft, denn Anstand und Moral geht.

Dass die derzeit wieder im Mittelpunkt stehende Angela Merkel in ihren 16 Jahren Amtszeit nie durch Anzeigen aufgefallen ist, bleibt bezeichnend. Mit Sicherheit gab es genügend Momente dafür. Aber Merkel hat bereits von Helmut Kohl gelernt, dass man nicht den Kakao trinken sollte, durch den man selbst gezogen wurde. Der „Streisand-Effekt“ war als Meme nicht bekannt, sehr wohl aber das Phänomen.

In diese Tage fällt dann auch noch die Tirade von Peter Fischer, Ex-Präsident von Eintracht Frankfurt. In einem RTL-Interview wetterte er gegen die AfD und forderte auf: „Rennt denen die Türen und die Tore ein, gebt denen Ohrfeigen. Kotzt ihnen ins Gesicht!“ Eine Strafanzeige der AfD-Bundestagsabgeordneten Barbara Benkstein lehnte die Kölner Justiz ab.

Jetzt preschen FDP und Linkspartei mit einer bemerkenswerten Initiative vor. Sie warnen vor einer „Zweiklassenjustiz“ in Deutschland. Sie fordern die Rücknahme einer Gesetzesverschärfung aus dem Jahr 2021, die das Beleidigen von Politikern härter bestraft. „Die Verschärfung in dieser Form war ein Fehler und erschüttert das Vertrauen der Bevölkerung in das Recht auf freie Meinungsäußerung“, sagte der Vizechef der FDP, Wolfgang Kubicki, dem „Stern“.

Janis Ehling, Bundesgeschäftsführer der Linken, sagte: „Die Verschärfung von Gesetzen ist oft nur ein hilfloses Agieren, das wenig Nachhaltigkeit beweist.“ Er warnte: „Politiker wie Robert Habeck oder Friedrich Merz genießen offenbar eine nicht gerechtfertigte Sonderbehandlung.“

Armin Laschet (CDU) hatte sich schon früh in die Debatte eingeschaltet. Nicht zu Unrecht. Laschet galt im Wahlkampf 2021 als der meistbeleidigte Politiker. Doch der Ex-Kanzlerkandidat sieht deswegen keinen Grund zur Verschärfung. Im Gegenteil: „Wir als Politiker sollten die Einleitung von Strafverfahren gegen schimpfende Bürger behutsam und mit Maß und Mitte erwägen“, sagte Laschet dem „Stern“. „An jedem Stammtisch werden Regierende in allen Zeiten als Deppen, Idioten oder Schwachköpfe bezeichnet.“

Der ehemalige Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen (Werteunion), hat sich ebenfalls zu Wort gemeldet. „Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb Politiker privilegiert und besonders geschützt werden müssen, sie können sich in aller Regel sogar besser verteidigen, als es der Normalbürger vermag. Sie stehen auch nicht über dem Gesetz.“ Es gelte, allen Versuchen die Meinungsfreiheit einzuschränken oder sie gar durch Strafandrohungen zu unterbinden, „entschieden entgegenzutreten“. Maaßen: „Die Gesetze zu Volksverhetzung und Politiker-Beleidigungen gehören gestrichen.“

Doch ein Trend ist mit solchen Aussagen noch nicht abzusehen. Denn von SPD-Seite schallt der Ruf nach Verschärfung. So hat die niedersächsische Justizministerin Kathrin Wahlmann (SPD) sogar einen Beschlussvorschlag vorgelegt, der den Paragrafen 188 verschärfen soll. Legal Tribune Online berichtet, dass aus dem Strafgesetzbuch die Bedingung gelöscht werden soll, dass die Tat geeignet sei, das „öffentliche Wirken“ des Politikers „erheblich zu erschweren“. Das würde der Justiz gestatten, noch umfassender gegen verbale Attacken gegen Politiker vorzugehen.

Wahlmann sprach bei Welt von „widerlichen Hasskommentaren“, die „unerträglich seien“. „Wer sich in besonderer Weise für das Gemeinwesen einsetzt, dem soll auch der besondere Schutz des Gemeinwesens zugutekommen“, so die SPD-Politikerin.

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