Das Thema Senkung der Einkommensteuer steht mal wieder auf der Tagesordnung. Und das ist auch gut so. Denn es kann ja auf Dauer nicht gut sein, dass das Lohnsteueraufkommen ständig schneller steigt als Löhne und Gehälter, und dass auch das Gesamtaufkommen der Einkommensteuer insgesamt viel schneller wächst als die Wirtschaft. Dazu nur wenige Zahlen: Zwischen 2010 und 2016 nahm das Bruttoinlandsprodukt um 21 Prozent zu, das Aufkommen an Lohn- und Einkommensteuer aber um 47 Prozent.
Was die Steuern betrifft, sind die Parteien bereits im Wahlkampfmodus. Die Vielzahl der Vorschläge ist verwirrend. Verwirrend ist aber auch, was nicht gesagt wird, und welche Plattitüden auch diese Steuerdebatte „bereichern“. Dazu ein paar Feststellungen:
1. „Die Schwarz Null steht.“
Diese Behauptung ist richtig. 2014 und 2015 konnte der Bundesfinanzminister einen ausgeglichenen Etat vorlegen; 2016 und 2017 wird das nicht anders sein. Was gerne als Beleg für eine grundsolide Haushaltspolitik angeführt wird, hängt jedoch eng mit einem anderen Faktor zusammen: den Mini-Zinsen. 2009 musste der Bund noch 38 Milliarden Euro für Schuldzinsen aufwenden; in diesem Jahr sind es nur noch 24 Milliarden. Falls die Zinsen in naher Zukunft wieder anziehen sollten, sähe die Welt ganz anders aus.
2. Schuldenabbau ist nicht sexy.
Das gehört eigentlich zum kleinen steuerpolitischen Einmaleins: in Zeiten von Einnahmeüberschüssen die Schulden abzubauen, die der Staat in schlechten Zeiten zur Ankurbelung der Konjunktur gemacht hat. Wann, wenn nicht jetzt, will der Staat eigentlich seinen Schuldenberg von mehr als 2 Billionen Euro abbauen? Hier und da geschieht das schon, doch eher in homöopathischen Dosen als auf beherzte Weise. Denn Schuldenabbau ist nicht sexy – und deshalb kein Gewinner-Thema.
3. Niemand wagt einen großen Wurf.
Unser Einkommensteuer-System ist nach zig Reformen ein kaum mehr durchschaubares Geflecht, ein Steuerdschungel. Da müsste man mit der Machete ran, nicht mit der Nagelschere. Doch keine Partei wagt sich an einen konzeptionellen Neuanfang, an einen großen Wurf. Hier ein paar Veränderungen, da und dort eine kleine Vereinfachung – ansonsten soll weitergewurstelt werden wie bisher.
4. Die Beschenkten müssen ihr „Geschenk“ bezahlen.
Die Staatswirtschaftler auf der Linken, aus deren Sicht der Staat nie reich genug sein kann, wettern in bekannter Manier gegen „Wahlgeschenke“ in Form von Steuersenkungen. Was für eine Logik: Ein Staat, der seinen arbeitenden und steuerzahlenden Bürgern etwas weniger wegnimmt als bisher, macht keine Geschenke – er macht weniger Beute bei seinen Untertanen.
5. Der Staat hat gar nichts zu verschenken.
Der Staat ist leider keine Kuh, die im Himmel gefüttert wird und auf Erden Milch liefert; der Staat lebt allein von seinen Steuerbürgern. Die kann er also gar nicht beschenken. Selbst der tüchtigste Finanzminister und der großzügigste Sozialminister können den Bürgern nur das geben, was sie anderen weggenommen haben. Von wegen „Geschenke“.
6. Die Steuersenker wollen den Bürgern „etwas zurückgeben“.
Diese Formulierung ist ebenfalls nicht sinnvoll. Steuern sind, wenn wir der Definition des Kirchenlehrers Augustinus folgen, „ein erlaubter Fall von Raub“. Also gilt: Bei Steuersenkungen verteilt der Staat keine Geschenke – er raubt sie nur etwas weniger aus. Eine echte „Rückgabe“ würde so aussehen: Das Finanzamt erstattet den Steuerzahlern am Ende eines Jahres einen bestimmten Betrag der bereits gezahlten Steuern. Das wäre eine Rückgabe, die den Namen verdient.
7. Der gebetsmühlenartige Ruf nach „sozialer Ausgewogenheit“.
Schon jetzt warnen die „Umverteiler“ aus dem linken Spektrum vor einer drohenden sozialen „Unausgewogenheit“. Ihr Standard-Vorwurf: Bei einer Senkung der Steuersätze profitierten die „Reichen“ mehr als die „Armen“. Ja, so ist das: Wer mehr verdient, zahlt überproportional mehr Steuern als die Bezieher kleiner Einkommen – dank des progressiven Tarifs. Umgekehrt sparen die großen Steuerzahler bei Entlastungen auch überproportional – jedenfalls in absoluten Beträgen. Man kann halt nicht beides haben: eine progressive Besteuerung und eine degressive Steuerentlastung.
8. Das bekannte linke Mantra: Keine Steuersenkung ohne Steuererhöhung.
Irgendwie scheint die SPD gemerkt zu haben, dass sie nur mit der Forderung nach mehr Umverteilung und höheren Steuern in der Mitte nicht punkten kann. Also kommt aus ihren Reihen die Forderung nach Steuersenkungen für die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen sowie für Familien. Bezahlen sollen das u. a. die „Reichen“ mit höheren Steuern. Man merkt, wie schwer der Gabriel-SPD beziehungsweise der Nach-Schröder-SPD schon der Gedanke an niedrigere Steuern fällt. Da muss wenigstens an einer Stelle eine kräftige Erhöhung her. Denn anders als in der Bibel gilt bei diesen Staatswirtschaftlern: Nehmen ist seliger als Geben.