Sechs Minuten spricht Frank-Walter Steinmeier (SPD). Das ist einerseits nicht viel und wirkt andererseits wie eine Ewigkeit, wenn es der amtierende Bundespräsident tut. Seine Worte sind so gestelzt wie tot. Steinmeier hat noch nie das Volk erreicht, er war der Kanzlerkandidat mit dem größten Stimmenverlust aller Zeiten. Wenn er spricht, spricht er zum Apparat, dessen Teil er seine ganze Karriere lang war.
Wie einst in den Reden der SED-Funktionäre liegt das, was Steinmeier sagt, zwischen den Zeilen. Genauer gesagt: Es muss interpretiert werden. Er fordere, dass der Wahlkampf „fair und mit transparenten Mitteln“ geführt werde. So weit, so Floskel. Dann aber kommt der entscheidende Moment: Das Staatsoberhaupt erwähnt die Wahl in Rumänien, die annulliert wurde – nachdem rechte Parteien gesiegt hatten. Unter dem Vorwand, die Wahl sei von außen manipuliert worden. Eine solche Manipulierung findet laut Steinmeier aktuell „offen und unverhohlen“ auf der Plattform X statt. Zudem fordert er die Bürger auf, so zu wählen, als ob von ihrer Stimme die Regierungsbildung abhängen würde.
Schält man das Überflüssige von Steinmeiers Worten ab, bleiben drei Sätze übrig, die reines Gift für die Demokratie darstellen: Die Wahl kann nach äußeren Einflüssen annulliert werden. Diese äußeren Einflüsse liegen bereits vor. Der Bürger soll so wählen, wie es der Sozialdemokrat Steinmeier erwartet. Das ist eine Drohung. Kompliziert ausgedrückt, aber unverhohlen gemeint.
Dass Steinmeier den 20. Bundestag auflösen würde, war jedem klar. Noch bevor sein Parteifreund Kanzler Olaf Scholz die Vertrauensfrage gestellt hat, hat der Bundespräsident den 23. Februar als Wahltermin ins Spiel gebracht. Seine nachfolgende Prüfung, ob es andere Mehrheiten im Parlament gebe, war Formsache – auch, um sich vor möglichen Klagen abzusichern. Die Prüfung ist nun abgeschlossen und hat zum gewünschten Ergebnis geführt.
Der 20. Bundestag bleibt bestehen, bis sich der neu gewählte, 21. Bundestag konstituiert hat. Die Regierung bleibt im Amt, bis das neue Parlament eine neue Regierung gewählt hat. Der Rest von Steinmeiers sechsminütiger Rede sind Floskeln wie: „Politische Stabilität in Deutschland ist zu Recht ein hohes Gut.“ Wobei die Wahrheit hinter diesen Floskeln zu suchen ist. Etwa die: Steinmeier will Stabilität, Stabilität bedeutet, dass die Parteien an der Macht bleiben, die schon an der Macht sind oder waren, und falls das nicht passiert, kommt das Staatsoberhaupt nochmal auf die „offene und unverhohlene“ Einmischung der Plattform X zurück.