Tichys Einblick
Selbstzensur

Stefan Kretzschmar: Regierungskritik in Deutschland unerwünscht

„Welcher Sportler äußert sich denn heute noch politisch? Es sei denn, es ist die Mainstream-Meinung, mit der man nichts falsch machen kann. Eine gesellschafts- oder regierungskritische Meinung darf man in diesem Land nicht mehr haben.“, so Stefan Kretzschmar.

© Getty Images

Die deutsche Handball-Ikone Stefan Kretzschmar arbeitet heute u.a. als Medienexperte für seine Sportart. Der gebürtige Leipziger Ex-Nationalspieler war schon während seiner aktiven Zeit als aufsässiger Charakter bekannt. Ausgestattet mit einem satten Pfund Berliner Schnauze, hat er neben seiner überragenden sportlichen Leistung auch mit seinem unorthodoxen Auftreten viel für den deutschen Sport getan: Kretzschmar ist bis heute prominentester Vertreter des Handballs geblieben.

Gegenüber t-online gab der 45-Jährige zuletzt ein Interview in bemerkenswert ungeschminkter Offenheit.

Die Fragensteller wollten von Kretzschmar beispielsweise wissen, wie er heute die Situation eines Profisportlers in der Öffentlichkeit beschreiben würde. Und warum es so schwer sei, seine Meinung zu sagen. Der in seiner Jugend selbstbewusst und phasenweise auch mit linker Attitüde auftretende Sportler sagt heute:

„Für jeden Kommentar bekommst du eins auf die Fresse. Wenn du eine polarisierende Meinung hast, finden die 50 Prozent scheiße. Für alles, was dich von der Masse abhebt, erntest du einen Shitstorm.“

Das Resultat wäre, dass die meisten Sportler heute den gemütlichen Weg wählen würden, „keiner streckt den Kopf höher heraus, als er muss.“ Und Kretzschmar fragt zu Recht: „Welcher Sportler äußert sich denn heute noch politisch? Es sei denn, es ist die Mainstream-Meinung, mit der man nichts falsch machen kann. Eine gesellschafts- oder regierungskritische Meinung darf man in diesem Land nicht mehr haben.“

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Und Kretzschmar hat eine weitere Erklärung für den Niedergang irgendeines Rebellentums im Sport: Eine Meinungsfreiheit im eigentlichen Sinne gäbe es nicht mehr, so sein Fazit. „Wir müssen immer mit Repressalien von unserem Arbeitgeber oder von Werbepartnern rechnen. Deswegen äußert sich heute keiner mehr kritisch.“ Den deutschen Medien prophezeit die deutsche Handball-Legende nichts Gutes: „Die Zeit, in der Zeitungen und Fernsehsender die wichtigsten Medien waren, ist vorbei.“ Ein Mesut Özil hätte mit seiner eigenen Facebook-Seite eine höhere Medienrelevanz als die „Bild“-Zeitung selbst.

Sportler wären inzwischen alle eigene Marken und die würden zunehmend von Marketing-Agenturen gesteuert und, so Kretzschmar, damit würde »die „Verkünstlichung“ weiter zunehmen.« Abschließend wünscht er sich, dass der einzelne Sportler wieder mehr Verantwortung zu übernehmen bereit wäre: „Über den Tellerrand hinausblicken und sich auch mal in eine Talkshow setzen, die nichts mit Handball zu tun hat.“

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