Vor Selbstständigkeit ist zu warnen. Das scheint zumindest die „Agentur“ für Arbeit Kaiserslautern so zu sehen. Die suchte im Sommer nach Kursleitern. Was diese die Arbeitssuchenden lehren sollten, teilte das Amt gleich in der Ausschreibung mit: „Die Selbständigkeit als Alternative zu einem regulären Arbeitsverhältnis soll während der Maßnahme sehr kritisch betrachtet werden.“ Während die Digitalisierung zunehmend flexible Anbieter erfordert, setzt das deutsche Amt für Arbeit auf „Neun-bis-Fünf“-Beschäftigung mit staatlich geregelten Frühstücks-, Zigaretten-, Mittags- und Kaffeepausen.
Dazu passen die Zahlen, die das Statistische Bundesamt veröffentlicht hat. Unternehmertum und Selbstständigkeit sind in Deutschland demnach auf dem Rückzug: So wurden in Deutschland zwischen Januar und August dieses Jahres 80.200 Unternehmen gegründet, die auf eine größere Bedeutung schließen lassen. Das sind fünf Prozent weniger als im gleichen Zeitraum 2019, also vor der Corona-Krise.
Auch bei den mutmaßlichen Kleinunternehmern ging die Zahl im Vergleich zu 2019 zurück. Zwischen Januar und August meldeten sich 93.400 solcher Betriebe an – das sind 17,5 Prozent weniger als vor der Pandemie. Zu Menschen, die sich nur im Nebenjob selbstständig machen, bietet das Statistische Bundesamt nur den Vergleich zum Vorjahr an. Demnach haben zwischen Januar und August 202.800-mal Menschen eine selbstständige Arbeit im Nebenerwerb angemeldet – das sind zehn Prozent weniger als im gleichen Zeitraum 2021.
Selbstständigkeit ist ein Stiefkind in Deutschland. Die Ausschreibung des Amts für Arbeit Kaiserslautern ist dafür nur ein Beleg. Sowohl in der Pandemie als auch bei den „Entlastungspaketen“ waren es die Solo-Selbstständigen, die vom Staat weitgehend oder sogar komplett ignoriert wurden. Ohnehin erklärt der Staat ihnen schon am ersten Tag ihrer Anmeldung den Papierkrieg. Solo-Selbstständige haben in Deutschland einen derart hohen Verwaltungsaufwand zu bewältigen, dass sie dafür eigentlich die Unterstützung einer eigenen Abteilung benötigten – nur sind sie halt alleine.
Die Umstände sind zum einen bitter für die, die selbstständig arbeiten wollen. Sie schaden zum anderen aber auch der Überlebensfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Gerade durch die Digitalisierung brauchen größere Betriebe zunehmend Personal, das über hohes Spezialwissen verfügt und dann zugebucht wird, wenn Auftragsspitzen entstehen. In den USA oder Großbritannien ist das problemlos möglich. In Deutschland müssen diese Fachkräfte vorher erst die Umsatzsteuererklärung über Elster verschicken, der Kammer ihre Umsatzdaten melden, die Gewerbeaufsicht über die Größe ihrer Toilette aufklären und die Umsatzsteuererklärung ausdrucken, um sie dem Finanzamt zusätzlich noch per Post zu schicken.
Digitaler Verkehr mit Behörden ist in Deutschland 2022 immer noch massiv eingeschränkt. Obwohl die Politik immer wieder Fortschritte versprochen hat. Apropos nicht eingelöste Versprechen: Die FDP wirbt für sich damit, dass sie die Selbstständigen von Bürokratie entlasten will. Da müssen sich die Liberalen nur noch gegen Grüne und SPD durchsetzen. Deren Arbeitsminister Hubertus Heil hat übrigens jüngst ein Gesetz durchgebracht, nachdem die Arbeit von Menschen im Home-Office auf die Minute erfasst werden muss. Mit genauer Angabe der geleisteten Tätigkeit. Das alles muss der Arbeitgeber wiederum ausdrucken, von Hand unterzeichnen und einreichen. Dafür darf er sogar das Fax benutzen. Denn bis zum Fax ist die Digitalisierung in Deutschland schon vorgedrungen.