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Städtetag: Nach Registrierung wird Unterbringung das große Thema

Niemand weiß, wie viele Flüchtlinge und Neu-Migranten derzeit nach Deutschland kommen. Denn Innenministerin Nancy Faeser verhindert die nötige Registrierung. Nun warnt der Städtetag: Nach der Registrierung droht Wohnungsnot als nächstes Problem.

Geflüchtete aus der Ukraine in der Warteschlange vor dem Amt für Wohnen und Migration, München, 16. März 2022 Deutschland, München, 16.03.2022

IMAGO / Wolfgang Maria Weber

Niemand weiß, wie viele Flüchtlinge und Migranten seit Beginn des Ukraine-Kriegs nach Deutschland gekommen sind. Zwar veröffentlichte die Bundespolizei eine Zahl, nach der Ende März bereits über 250.000 Menschen „mit Ukraine-Bezug“ im Land waren. Aber natürlich könnten es zu diesem Zeitpunkt auch schon doppelt so viele gewesen sein, wie auch der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei, feststellte. Die verweigerten Grenzkontrollen und die verweigerte Registrierung der Ankommenden führen zu einer massiven Erkenntnislücke des Bundes, die am Ende vor allem Länder und Kommunen betreffen wird. Die Länder hätten es allerdings in der Hand, selbst durch die Landespolizeien selbst etwas zur Kontrolle beizutragen.

Die Ungewissheit der Zahlen wird derweil zum Damoklesschwert über den Kommunen. Der Vize-Präsident des Deutschen Städtetages, zugleich Oberbürgermeister von Kiel, Ulf Kämpfer, bleibt dennoch auf seine Weise optimistisch. Sobald „die Registrierung geschafft ist, wird die Unterbringung das ganz große Thema“, stellte Kämpfer (SPD) nun gegenüber der Welt fest (Plus-Artikel). Es wird demnach wieder so losgehen wie einst 2015: Turnhallen und Messehallen werden provisorisch gefüllt werden wie jetzt schon der leerstehende Flughafen Tegel in Berlin. Am Ende steht eine weitere Verknappung des kauf- und mietbaren Wohnraums zusammen mit den entsprechenden Preissteigerungen an. Die Wohnungsknappheit ist längst nicht mehr auf die großen Städte beschränkt.

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Abschiebungen sind für Kämpfer dagegen kein Mittel der Wohnraumpolitik. Auch das war zu erwarten gewesen. Der Kieler Oberbürgermeister bestätigte gar, dass man schon heute das Gefühl haben könnte, als ob die Ukrainer in Deutschland eher willkommen wären als „mehrere andere Zuwanderergruppen“. Dieses Gefühl will er nicht noch durch Abschiebungen bestärken. Andere Länder machen kein Geheimnis daraus, dass sie die ukrainischen Flüchtlinge von anderen Migranten unterscheiden wollen – zumal solchen, deren Aufenthaltsrecht inexistent ist.

Auf die immensen Kosten der Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen und Asylbewerbern weist der OB allerdings auch hin. Die wollen die Städte und Kommunen nach 2015 nicht noch einmal tragen. Kämpfer schiebt sie präventiv schon mal dem Bund zu und verlangt eine „Vollentlastung der Kommunen“. Noch ein Scheck, den Christian Lindner irgendwie decken muss.

Deutschland baut Aufnahmezentren, Griechenland schließt seine

Dabei gibt es tatsächlich „mehrere andere Zuwanderergruppen“, die nach objektiven Maßstäben ausreisepflichtig wären. Laut Bundesregierung trifft das auf 292.672 Personen zu, in der Hauptsache abgelehnte Asylbewerber (186.614). Vollziehbar ausreisepflichtig sind derzeit knapp über 50.000 Personen, sie besitzen also auch keine sogenannte „Duldung“. Der Bundestagsabgeordnete Gottfried Curio (AfD) machte Innenministerin Faeser, live im Bundestag, den Vorschlag, die Ausreisepflicht zu vollziehen. Eine sachlich-substantielle Antwort der Ministerin ist nicht erinnerlich.

Zu denken ist aber auch an eine weitere Gruppe, von der nicht einmal klar ist, ob sie nun zu den (vollziehbar oder nicht) Ausreisepflichtigen gehört: Anerkannte oder geduldete Asylbewerber aus Griechenland sind in den vergangenen Monaten in großer Zahl nach Deutschland eingereist. Das ist formal und rechtlich möglich. Allerdings weiß das BaMF nichts mit ihren Zweit-Asylanträgen anzufangen, die folglich nicht einmal bearbeitet werden. Da sind sie aber dennoch. Ministerin Faeser weiß, dass es 43.000 von diesen Fällen gibt.

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Wieviele aus anderen EU-Ländern noch dazuzurechnen sind, weiß auch die Ministerin laut Welt nicht. Dass sie existieren, wissen wir durch gerichtliche Entscheidungen, die die Abschiebung solcher Zweifach-Asylbewerber nach Italien ablehnten. Das logische Verfahren wäre nun, den Aufenthalt dieser Menschen nach den vorgesehenen 90 Tagen zu beenden. Doch das passiert seit Monaten nicht. Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Alexander Throm, forderte Faeser nun auf, „den tausendfachen Missbrauch des Asylrechts durch erneute Antragstellung in Deutschland zu unterbinden“. Wenn er das nur seiner Parteifreundin im Bundeskanzleramt rechtzeitig gesagt hätte. Vielleicht hätte sein Fraktionsfreund im Innenministerium dann rechtzeitig etwas in der Sache tun können.

Natürlich besetzen auch die Doppel-Flüchtlinge derweil Wohnraum, den die Länder und Kommunen gut anderweitig gebrauchen könnten. Schon Anfang des Jahres wurden stillgelegte Unterkünfte in verschiedenen Bundesländern reaktiviert, weil die illegale Zuwanderung so stark angestiegen war. So errichtete das Berliner Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) 14 neue Containerdörfer und andere Unterkünfte mit 3.000 Plätzen. Auch Bayern richtete sich geistig und materiell bereits an der „Migrationspolitik der neuen Bundesregierung“ aus und schob ein neues Aufnahmezentrum in Oberbayern an. Auch in die „Anschlussunterbringung“ investiert man inzwischen wohl fleißig. In Niedersachsen ergibt sich ein ähnliches Bild.

Dagegen konnte Griechenland, wie Migrationsminister Notis Mitarakis im Januar verkündete, im letzten Jahr 86 Aufnahmezentren auf den Inseln und auf dem Festland schließen. Die derzeit bestehenden Einrichtungen seien nur zur Hälfte gefüllt. Im Laufe des Jahres 2021 hat sich die Gesamtzahl der beherbergten Migranten halbiert. Waren es im Dezember 2020 noch 64.627, so waren ein Jahr später nur 32.647 in staatlichen Einrichtungen verblieben. Wie die Wochenzeitung Proto Thema berichtet, konnte man daneben auch die illegalen Einreisen an Evros und Ägäis um insgesamt 41 Prozent senken (minus 58 Prozent auf den Inseln).

Nicht mehr abschiebefähig

Derweil werden die wenigen erfolgreichen Abschiebungen in Deutschland fast überall wegen ihrer großen „Härte“ kritisiert, so etwa vom „Abschiebebeobachter“ der Hamburger Diakonie, der die 122 Abschiebungen vom Hamburger Flughafen im letzten Jahr beklagt. Da heißt es doch tatsächlich: „Die Zahl der problematischen Rückführungen ist im Vergleich zu den Vorjahren gestiegen.“ Auch weitere Schlagzeilen aus den vergangenen 24 Stunden weisen in eine ähnliche Richtung:

„Abschiebung gestoppt: Stralsunderin aus Honduras heiratet Freund Nico“ (Ostsee-Zeitung)
„Abschiebung nach Pakistan: Trotz Suizidgefahr abgeschoben“ (taz)
„Hüfingen: Syrischer Familie mit schwerkrankem Kind droht Abschiebung nach Italien“ (Südkurier)
„Entsetzen in Bad Berleburg: Familienvater droht Abschiebung“ (Westfalenpost)
„Abschiebung nach Bangladesch: Kreis mahnt ehrenamtliche Helfer ab“ (Ruhr Nachrichten)
„Abschiebung sorgt für Entsetzen“ (inFranken)

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Schließlich kann auch die Augsburger Allgemeine nicht fehlen, die sich zwischen den Zeilen für einen „verurteilten Straftäter“ einsetzt, dem in seinem Heimatland Türkei Gewalt und Folter drohen sollen. Ein Großteil der deutschen Presse sieht rechtmäßige Abschiebungen inzwischen offenbar als schlechthinniges Übel schlechthin an. Ohne Zweifel handelt es sich um hartes Verfahren, das allerdings nach festen Regeln gehandhabt wird. Straftaten im Gastland sind ein eindeutiger Indikator für schlechte Integration. Daneben ist es durchaus die Härte, wenn der deutsche Staat sich ungesetzliche Einreisen gefallen lassen muss, von Menschen, die hier niemals Asyl bekommen können und es folglich auch nicht verdienen. Auch diesem Treiben müssen Riegel vorgeschoben werden. 2021 blieb es mit 11.982 Abschiebungen übrigens immer noch bei einem Tiefstand in diesem Geschäftsbereich. 2019 hatte es immerhin 22.100 Abschiebungen im Jahr gegeben, 2020 hatte sich diese Zahl mehr als halbiert. Auf diesem Niveau blieb man auch 2021.

Zudem wurden nun auch ganz offiziell Abschiebungen nach Weißrussland und Moldau ausgesetzt, wie das bayerische Innenministerium laut der Zeit mitteilte. Auch in die EU-Staaten Polen, Tschechien, die Slowakei und Rumänien soll nicht mehr abgeschoben werden, weil diese Länder derzeit besonders viele Flüchtlinge aus der Ukraine aufnehmen. Das System breitet sich aus, aber eigentlich wird damit nur eine längst geübte deutsche Enthaltsamkeit bei Abschiebungen und Rückführungen offiziell gemacht.

Auch in Griechenland beginnt man, Abschiebungen in Frage zu stellen

Daneben macht auch in Griechenland in diesen Tagen ein Abschiebungsfall Schlagzeilen: Dem sechzehnjährigen Guineer Saidou Camara droht die Abschiebung, sobald er volljährig ist. Da er angeblich mit guten Schulleistungen glänzte und an der Spitze der jährlichen Schulparade mitmarschieren durfte – tatsächlich spricht er aber nur gebrochen Griechisch –, wird sein Fall gerade zum nationalen Exempel gemacht. Camara war nun beim Premierminister, der sich persönlich für den „Flüchtling“ einsetzen will. Das Geschehen ist Teil eines mehr oder minder koordinierten Versuchs, das Land auf ein größeres Verständnis für Zuwanderer aus aller Welt zu trimmen. Einige wenden ein: In Guinea herrsche kein Krieg, Saidou Camara könne also kein „Flüchtlingskind“ sein. Dagegen rief Alexis Tsipras von der linksradikalen Oppositionspartei Syriza aus: „Es leben tausende Saidous in Griechenland.“ Syriza verlangt offenbar eine veränderte Praxis für alle ausreisepflichtigen Ausländer.

Saidou Camara lebte übrigens, „bis er 18 war“ (?), in einer von einer US-amerikanischen NGO geführten Unterkunft. Für anerkannte Asylbewerber und Flüchtlinge über 18 Jahren sind solche staatlich gepäppelten Unterkünfte allerdings nicht vorgesehen. Daran wird sich vermutlich auch weiter nichts ändern. Die wenigen Sozialbauten für diese Klientel bleiben Feigenblätter zugunsten der Europäischen Union bzw. Deutschlands. Allerdings ernten auch diese Bauten immer wieder Kritik, vor allem in den Grenzgebieten in der Ägäis und am Evros, in denen man stärker als anderswo auf die eigene Demographie achtet.

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