Wurden die Bewohner im Landkreis Ahrweiler rechtzeitig vor der zerstörerischen Hochwasserflut gewarnt? Oder war bei der Unwetterkatastrophe im Ahrtal fahrlässige Tötung oder fahrlässige Körperverletzung im Spiel? Die Staatsanwaltschaft Koblenz prüft jetzt die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens. Es gebe entsprechende Anfangsverdachtsmomente. Wie der leitende Oberstaatsanwalt Kruse in einer Mitteilung ausführte, werden in die Prüfung neben Presseberichten auch die Ergebnisse von Todesermittlungsverfahren sowie allgemeine polizeiliche Hinweise aus der Katastrophennacht einbezogen.
Untersucht wird vor allem der Tod von zwölf Menschen in einer Betreuungseinrichtung der Lebenshilfe Rheinland-Pfalz in Sinzig. Dort ertranken in einem Wohnheim für Menschen mit geistiger Behinderung zwölf Personen, die nicht mehr rechtzeitig aus dem Hause gerettet werden konnten.
Vom Landesverband der Lebenshilfe Rheinland-Pfalz war zu hören, dass das Wasser innerhalb von einer Minute bis an die Decke des Erdgeschosses gedrungen sei. Während die Nachtwache noch mehrere Bewohner in den ersten Stock bringen konnte, war es schon zu spät, als er die nächsten holen wollte. Die Wassermassen seien zu schnell in das Gebäude eingedrungen. Rund um das Gebäude hatte die Flutwelle eine drei Meter hohe Schlammschicht abgelagert.
Währenddessen weist der heftig in der Kritik stehende Landrat des Landkreises Ahrweiler, Jürgen Pföhler (CDU), gegenüber dem Bonner »Generalanzeiger« die Vorwürfe als »völlig deplatziert und geschmacklos« empört zurück. Niemand könne derzeit im Bund, Land oder Kreis seriös die Fragen nach den Verantwortlichkeiten beantworten.
Landrat Pföhler trage ganz klar die Verantwortung, sagt der Kieler Krisenexperte Frank Roselieb gegenüber der in Koblenz erscheinenden Rhein-Zeitung. Als er die Bevölkerung aufgerufen habe, sich in höhere Stockwerke zu begeben, seien die ersten Häuser bereits von den Wassermassen mitgerissen worden. Doch Katastrophenschutzmanagement sei die Kernfunktion jedes Kreischefs und jedes Oberbürgermeisters. Roselieb: »Niemand kann sagen, dass es solche Flutwellen im Ahrtal noch nicht gegeben hat … Beim Hochwasser vor 200 Jahren waren die Dimensionen etwa noch gewaltiger.« Schon am frühen Abend hätte man einen Voralarm auslösen können, wie das Landräte im sturmfluterprobten Schleswig-Holstein seit Jahrzehnten zu tun pflegen.