Tichys Einblick
Zweifelhafte Methoden in Schwerin

Staatliche Klimastiftung zu 99% von Nord Stream 2 AG finanziert

Manuela Schwesig galt als Sonnenscheinpolitikerin. Jetzt gründet sie eine dubiose Stiftung, um den Bau von Nord Stream 2 durchzupeitschen - und erinnert eher an Silvio Berlusconi als an Helene Fischer.

Manuela Schwesig besichtigt die Bauarbeiten an Nord Stream 2

imago images / BildFunkMV

Ein bemerkenswerter Vorgang in Mecklenburg-Vorpommern: Während das Landeskabinett am Mittwoch eigentlich zu einer Sondersitzung zur aktuellen Corona-Lage zusammentrat, einigte sich die Rot-Schwarze Regierung auf die Gründung einer „Stiftung Klimaschutz MV“. Doch der tatsächliche Zweck der Stiftung ist ein ganz anderer.

Konkret werde die Stiftung „Aufgaben im Zusammenhang mit dem Weiterbau von Nordstream 2 wahrnehmen“, hieß es in der Beschlussvorlage des Kabinetts. Die Stiftung soll mit ihrem Kapital vor allem Unternehmen vor US-Sanktionen gegen das Pipelineprojekt schützen. Im Antrag der Landesregierung im Landtag heißt es: Ziel sei „die Gründung eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes in der Stiftung mit dem Ziel, einen Beitrag zum Fortgang der Arbeiten an der Pipeline Nord Stream 2 zu leisten“. Am folgenden Tag nickt das Parlament den Regierungsantrag ab. Die Koalitionsparteien stimmen zu, auch die Linkspartei votiert in alter Treue zu Moskau geschlossen mit „Ja“. Die AfD enthält sich – wohlwollend.

Heft 01-2021
Tichys Einblick 01-2021: Wer schützt unsere Demokratie vor Corona?
Heute nun packt Ministerpräsidentin Manuela Schwesig den eigentlichen Knaller aus: Die Stiftung werde mit 200.000 Euro durch das Land Mecklenburg-Vorpommern unterstützt. 99% des Stiftungskapitals kommt jedoch von der Nord Stream 2 AG: 20 Millionen Euro werde die Tochter des russischen Staatskonzerns Gazprom zum Stiftungsvermögen beitragen, erklärt die Landesregierung. Eine „Stiftung Klimaschutz“, die ihr Geld von einem russischen Erdgaskonzern erhält und in Wahrheit den Bau einer russisch-deutschen Pipeline vorantreiben soll. Das wirkt wie Geldwäsche. Dass die Stiftung nicht etwa beim Umwelt-, sondern beim Energieministerium angesiedelt sein wird, setzt da dem ganzen noch die Krone auf.

Erwogen wird zum Beispiel, durch die Stiftung Bauteile und Maschinen zu kaufen, die für die Fertigstellung der Gasleitung unerlässlich sind. So sollen US-Sanktionen umgangen werden, die sich zur Zeit nur gegen private, nicht aber staatliche Akteure richten können.

Doch zur Fertigstellung des Projektes ist Deutschland mittlerweile wohl jedes Mittel recht. Wie TE berichtete, peitschte die sonst so träge deutsche Verwaltung die Genehmigung für den Weiterbau der Pipeline trotz Einsprüchen von Umweltverbänden durch, die sonst selbst banale Projekte wie einen Autobahnbau um Monate, wenn nicht Jahre verzögern. Berlin will diese Pipeline unbedingt fertigstellen – gegen jede geopolitische Vernunft, aber vor allem auch gegen seine eigene Morallogik, mit dem man sich sonst so gerne zum Anti-Putin-Bollwerk aufschwingt.

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Schwerin hat jetzt für sein zwielichtiges Vorgehen wohl auch die volle Rückendeckung der Bundesregierung. Dabei sollen die Bürger auch noch veräppelt werden: “Die neue Stiftung ist ganz klar eine Einrichtung für Klima- und Umweltschutz und keine verkappte Nord Stream-Stiftung“, erklärte zum Beispiel der SPD-Landtagsabgeordnete Jochen Schulte. Wer das glaubt, hält Putin auch für einen „lupenreinen Demokraten“.

Zudem erklärte die Landesregierung, die Nord Stream 2 AG sei bereit, „die Arbeit der Stiftung nach Betriebsaufnahme der Pipeline jährlich weiter zu unterstützen“. Verschafft Deutschland also mit der Fertigstellung der Pipeline Russland lukrative Einnahmen, zahlt dieses Geld für unseren Klimaschutz – oder wofür auch immer die Stiftung dann verwendet wird. Vielleicht für eine Antialkohol-Stiftung, die in den Wodka-Vertrieb einsteigt.

Seit Jahren kritisieren nicht nur die USA, sondern auch viele europäische Partner wie Polen, die baltischen Staaten oder die Ukraine den Bau von Nord Stream 2. Die schwächt ihre Position gegenüber Russland nämlich erheblich. Auch die EU sieht Nord Stream 2 kritisch. Schon 2015 – also nach der russischen Annexion der Krim – hatten sich die EU-Staaten darauf verständigt, die Abhängigkeit vom russischen Gas zu verringern. Da kann die Bundesregierung noch so sehr betonen, dass die Energiebeziehungen zu Moskau auch ein „stabilisierendes politisches Element“ seien – Deutschland, das Land, das andere immer so gerne zur europäischen Kooperation ermahnt, ist zunehmend isoliert in Europa. Mafiaartige Tricks wie dieser werden diese Lage sicherlich nicht verbessern.

Vor allem ist es ein Eingeständnis für das Scheitern von Angela Merkels Energiewende: Raus aus Kohle und Atom, rein ins Russengas – über die lange Strecke von 7000 Kilometer gepumpt und verdichtetet und verdampft ist es kaum umweltfreundlicher als heimische Braunkohle, gar nicht zu reden vom Atomstrom. Und dafür muss diese monströse Pipeline gebaut werden und neue Gaskraftwerke? Den Deutschen kann man eben jeden Bären aufbinden. Hauptsache, er ist öko.

Über den jeweils aktuellen Irrsinn namens Energiewende halten wir Sie gerne auf dem Laufenden. 

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