Tichys Einblick
Champagnersozialisten und Lumpenmillionäre:

Wie sich SPD-Genossen beim Staat bedienen

Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann, SPD, hat womöglich nicht nur seiner Frau zu einem hohen Gehalt verholfen, sondern auch seinen Wahlkampf mit Geld finanziert, das die AWO als Spenden eingesammelt hatte.

IMAGO / Michael Schick

In Frankfurt, da kommt das Essen auf Rädern mit 600 Pferdestärken. Also, zumindest fuhr der Chef der örtlichen Arbeiterwohlfahrt (AWO), Jürgen Richter, als Geschäftsführer einen derart motorisierten Jaguar und ließ sich die dienstliche Nutzung mit monatlich 4.500 Euro erstatten – obwohl ihm auch ein Dienstwagen zur Verfügung stand. Dieser deutlich kleinere Dienstwagen wurde aber von seiner persönlichen Referentin gefahren, um ihren Chef zu AWO-Anlässen zu chauffieren.

Die Arbeiterwohlfahrt ist fest in der Hand der Lumpenmillionäre der SPD: Sie schieben sich einander Geld zu, geben vor, sich um die Arbeiterbewegung (oder zumindest ihre vergreisten Reste) zu kümmern – und plündern die Sozialetats. Hannelore Richter, Geschäftsführerin in Wiesbaden, soll allein für diese Arbeit 340.000 Euro im Jahr verdient haben. Nebeneinkünfte aus ihrer Arbeit als Vorstandsvorsitzende der AWO Frankfurt, Beratertätigkeiten für die AWO (140.000 Euro pro Jahr) und andere Quellen nicht mit eingerechnet.

All das ist gedeckt von höchster Stelle: Peter Feldmann, Genosse aus der SPD und Oberbürgermeister Frankfurts ist mit dabei. Auch er war einmal bei der AWO angestellt: Für ihn war eine Stabsstelle eingerichtet worden, die vor ihm nicht existierte und seit seinem Wechsel ins Rathaus unbesetzt geblieben ist. Verdeckte Wahlkampffinanzierung?

Durchsuchung ohne Suchen

Am Montag erst wurden Feldmanns Geschäftsräume durchsucht, jedenfalls wurde ein Durchsuchungsbeschluss ausgestellt. Zu einer Durchsuchung des Rathauses oder seiner Wohnräume kam es dann doch nicht. Vertreter der Staatsanwaltschaft und ein einzelner Polizeibeamter statteten ihm einen Besuch ab. Man gab sich mit einem Gespräch mit Feldmann zufrieden, er händigte einige Dokumente aus – so Feldmanns Sprecher gegenüber der FAZ. Den Akt der Durchsuchung zu vollziehen, hielt man dann nicht mehr für nötig, so die Staatsanwaltschaft; denn die gesuchten Dokumente wurden ja gefunden.

Feldmann wird zweierlei vorgeworfen: Sein Wahlkampf soll durch Gelder finanziert worden sein, die die AWO als Spenden eingesammelt hatte. Hannelore Richter hatte ihre Mitarbeiter aktiv dazu aufgefordert, für seinen Wahlkampf zu spenden. „Im Gegenzug soll der Angeschuldigte mit der damaligen Verantwortlichen der AWO stillschweigend übereingekommen sein, dass er bei seiner Amtsführung künftig die Interessen der AWO Frankfurt wohlwollend berücksichtigen werde“, so die Staatsanwaltschaft. In dieser Zeit war Feldmann möglicherweise auch in der AWO auf der oben beschriebenen Stabsstelle tätig, doch davon hat die Staatsanwaltschaft noch nichts bekannt gegeben.

Hannelore Richter weist die Vorwürfe zurück; sie habe die Gelder – 50.000 bis 60.000 Euro – als „überzeugte Genossin“ eingetrieben und war dazu von den SPD-Kreisverbänden Wiesbadens und Frankfurt beauftragt worden. Doch Wiesbaden ist eine eigenständige Stadt samt eigenem OB, ja sogar Landeshauptstadt. Warum sammelt man dort für den Frankfurter Wahlkampf?

Der andere Vorwurf lautet, dass Feldmann sich über den Umweg seiner Frau einen weiteren Vorteil verschafft haben soll. Seine Frau Zübeyde Feldmann stieg ungewöhnlich schnell zur Kita-Leiterin einer deutsch-türkischen integrativen Kita auf. Dann übersprang sie kurzerhand 17 Jahre Gehalts-Progression: Denn die AWO zahlt nach Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes. Dort sind die Gehälter nach Dienstjahren minutiös aufgeschlüsselt. Kein Problem für die Frau des OB, die außerdem mit einem Dienstwagen (Ford Focus) in den Mutterschutz verabschiedet wurde.

Fest steht: Feldmann hat den Betrug der AWO erst möglich gemacht.

Schon als Stadtverordneter war er es, der zusammen mit drei anderen SPD-Stadtverordneten einen Antrag im Stadtparlament einbrachte, der die AWO der Kontrolle weitgehend entzog. Denn nun konnte der sogenannte „Verwaltungs-Overhead“ also alle Personalkosten ab Erzieherinnen und aufwärts pauschal mit der Stadt Frankfurt abgerechnet werden. Eine Aufschlüsselung nach Person und Position – und damit Rechenschaft über Gehälter – war nicht nötig.

Die Konsequenz: Die FAZ berichtet von 40 Verdachtsfällen der Scheinarbeit in der AWO Frankfurt. Also 40 Fälle von Personen, die ein Gehalt bezogen haben, ohne eine angemessene Arbeitsleistung dafür zu erbringen. Im Umfeld der AWO Wiesbaden sollen es gar 80 Verdachtsfälle sein. Bisher kam es zu drei Verurteilungen zu Rückzahlungen von insgesamt mehr als 900.000 Euro – allein an die AWO Wiesbaden. Das dürfte aber nur die Spitze des Eisbergs sein.

Wo die AWO ist, da ist die SPD nicht weit

Bei der AWO hielt ein jeder die Hand auf. Bei weitem nicht nur SPD-Soldaten. So soll der Wiesbadener Stadtverordnete Wolfgang Gores (CDU) seiner Tochter eine Scheinanstellung verschafft haben. Sie wurde zu einer Rückzahlung von 70.000 Euro verurteilt (Zinsen inbegriffen). Der Schaden für die AWO Wiesbaden betrug aber aufgrund der Arbeitgebernebenkosten mehr als 100.000 Euro. Gores trat zurück, als die Scheinanstellung bekannt wurde.

Anders Ansgar Dittmar, Politiker der SPD. Er war acht Jahre lang der Vorsitzende des Bundesarbeitskreises der Lesben und Schwulen in der SPD, damals Schwusos, heute SPDqueer. Er war ehrenamtlicher Vorsitzender des AWO Kreisverbands Frankfurt. Seine Aufgabe wäre es gewesen, die Machenschaften Jürgen Richters, des Frankfurter Geschäftsführers, und seiner Frau, die in Frankfurt stellvertretende Vorstandsvorsitzende war, zu verhindern. Zeitgleich kassierte er für Beratungsdienstleistungen von der AWO Wiesbaden jährlich 25.704 Euro. Diese Kosten wurden dann der AWO Frankfurt in Rechnung gestellt. In Wiesbaden war Jürgen Richter im Vorstand der AWO und Hannelore Richter die Geschäftsführerin. Dittmar entzog sich dem Skandal schon 2019, indem er in die Geschäftsführung des übergeordneten Bezirksverbands Hessen-Süd wechselte und damit den Geschäftsführer und Generalbevollmächtigten Thorsten Hammann ablöste. Dort wurde Dittmar 2020 dann seinerseits auf massiven Druck der Bundesebene der AWO dann abgelöst. Seine Skandale hatten ihn eingeholt.

Hammann war ab 2019 als Berater des Vorstands der AWO Hessen-Süd tätig und kassierte wohl 200.000 Euro im Jahr. Nun wird ihm vorgeworfen, sich um 1,8 Millionen Euro bereichert zu haben: So verkaufte er als Generalbevollmächtigter Gebäude an sein eigenes Unternehmen und vermietete sie an die AWO zurück. Er verkaufte der AWO ihren Strom. Hammann soll mit bis zu sechs Unternehmen mit der AWO in geschäftlicher Beziehung gestanden haben – und damit mit sich selbst. Ein weiterer AWO-Skandal, der wie eine Vielzahl anderer Skandale vom Frankfurter komplex überschattet wird.

Möglich wurde der Frankfurter AWO-Raubzug auch, weil die theoretisch unabhängigen Kontrollgremien komplett versagten. Revisorin der AWO Frankfurt war die damalige Bundestagsabgeordnete Ulli Nissen – natürlich SPD. Sie merkte selbst allerdings an, dass es „illusorisch sei“, von Ehrenamtlichen zu erwarten, dass sie die Bücher eines Unternehmens wie der AWO prüfen. Das ist durchaus wahr, die AWO ist in Wirklichkeit einer der größten Arbeitgeber Deutschlands. Doch statt ihr Amt niederzulegen oder auf eine professionelle Prüfung zu bestehen, sprach sie sich dennoch für eine Entlastung des Vorstands und der Geschäftsführung aus. Dass SPD-Politiker Ämter nicht ausführen können, aber sie dennoch wahrnehmen wollen, ist mittlerweile gang und gäbe.

Die damalige Juso-Genossin Myrella Dorn wurde 2016 Stadtverordnete. Seit 2015 arbeitete sie bei der AWO als studentische Mitarbeiterin. Noch vor Abschluss ihres Studiums (laut eigener Angabe auf LinkedIn 2021 errang sie den Bachelor) wurde sie 2019 bei der AWO zur Abteilungsleiterin befördert. Bis dahin wurde sie noch als studentische Mitarbeiterin geführt. Noch 2019 äußerte sich der Pressesprecher dazu: „Einer erfolgreichen Frau aus ihrem berufsbegleitenden Studium und ihrem ehrenamtlichen Engagement fehlende Führungskompetenz zu unterstellen, ist ebenfalls höchst diskriminierend.“

Auch ein anderer Student wurde von der AWO fürstlich entlohnt. Johannes Frass, zu dieser Zeit noch Student, bezog laut Hessenschau ein Jahresgehalt von knapp 100.000 Euro, dazu einen Dienstwagen. Frass qualifizierte sich jedoch mit einer besonderen Gegebenheit: Er war zu dieser Zeit Bezirksvorsitzender Hessen-Süd der Arbeitsgemeinschaft „SPDqueer“.

Aufklären sollte den ganzen Komplex eine Task Force, angeführt von einer SPD-Grande. Herta Däubler-Gmelin, ehemalige Bundesjustizministerin, wurde vom Bezirksverband eingesetzt, um in Frankfurt und Wiesbaden aufzuräumen. Unterstützt wurde sie dabei von Stephanie Becker-Bösch, SPD-Politikerin aus dem Frankfurter Umland – Becker-Bösch übernahm auch den Vorsitz des Bezirksvorstands.

Eine Trennung zwischen Führungs- und Aufkläungsposition wurde also auch hier nicht gewährleistet. Die systematischen Probleme, die Verwobenheit der Positionen der AWO und der Politik werden nicht adressiert. Die schlimmsten Übeltäter werden Presse und Staatsanwaltschaft zum Fraß vorgeworfen.

Doch die SPD im Rathaus Frankfurt hat bisher nicht die Meuterei gegen den eigenen korrupten Bürgermeister gewagt.

Es lässt sich getrost sagen: Die AWO ist der verlängerte Arm der SPD. Wer einen Posten in der AWO innehat, der hat ein SPD-Parteibuch. Und dieses Schema ist es, dass die AWO-Skandale erst ermöglicht. Genossen in der Geschäftsführung werden kontrolliert von Genossen im Vorstand, werden kontrolliert von Genossen in den Stadtparlamenten und im Rathaus. Wenn dann doch ein nicht SPD-ler darüber stolpert, so wird auch er ruhiggestellt, bekommt ein Stück vom Kuchen. Oder sieht über die Vergehen der AWO hinweg, um „ihren Ruf nicht zu beschädigen“.

So passiert 2017 in Frankfurt, als Sozialdezernentin Birkenfeld – von der CDU – auf Unregelmäßigkeiten aufmerksam wurde. Sie vergab zwar keine neuen Aufträge mehr an die AWO – Flüchtlingsheime wurden fortan von anderen Sozialträgern in Frankfurt unterhalten. Das Sozialdezernat und die Genossen-Wohlfahrt schlossen sogar einen Vertrag über eine gemeinsame Sprachregelung. Es war vielleicht keine Vertuschung, aber sicherlich ein gewolltes Wegschauen vom Betrug. Es trage „zur Verunsicherung bei, wenn man da ein Fass aufmacht”, so die Pressesprecherin Birkenfelds gegenüber der Frankfurter Rundschau. Da die Frankfurter CDU zu dieser Zeit als Junior der SPD in Frankfurt mitregierte, drängt sich der Verdacht auf, dass der Koalitionsfrieden nicht bedroht werden sollte.

So bereichern sich die Genossen: Im Namen der Wohlfahrt werden sie zu Millionären, die Lumpen überstreifen und sich so in Kitas, Altersheimen, gemeinnützigen Einrichtungen zeigen. Die Kontrollinstanzen versagen konsequent, denn sie werden ausgehebelt.


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