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SPD-Politiker Helge Lindh gibt Erdogans Propagandasender Interviews

Der SPD-Politiker Helge Lindh gibt Erdogans Propagandasender Interviews über Rassismus und Muslimfeindlichkeit. Gleichzeitig besucht er Moscheen, die vom Verfassungsschutz wegen Islamismus, Rassismus und Antisemitismus beobachtet werden. Damit wird er selbst Teil der Propaganda.

Screenprint: Twitter

Wieso gibt ein deutscher Politiker dem türkischen Staatssender TRT – berüchtigt für seine Propaganda – Interviews? Ist es Naivität oder Sympathie für autoritäres und rassistisches Regime? Erst letztes Jahr hetzte der türkische Staatssender TRTDeutsch gegen den CDU-Politiker und Erdogan-Kritiker Ali Ertan Toprak. In einem Artikel wurde Toprak vorgeworfen „öffentlichkeitswirksame Sympathien für Terrororganisationen“ zu haben, gemeint war die PKK. Wie TE aufdeckte, handelte es sich bei dem Autor um einen AKP-Lobbyisten. Der Fall zeigte, dass der Sender TRTDeutsch hier in Deutschland eng mit der AKP-Lobbyorganisation zusammenarbeitet, um eine Hetzjagd von Erdogans Anhängern gegen Regime-Kritiker auszulösen.

Vor kurzem gab nun der SPD-Politiker und Bundestagsabgeordnete Helge Lindh diesem Staatssender TRTDeutsch ein fast neunminütiges Interview.

Ein SPD-Politiker mitten in einer Inszenierung

Helge Lindh befindet sich mitten in der TRT-Redaktion in Berlin. Erdogans Staatssender sitzt im Haus der deutschen Bundespressekonferenz. Lindh ist links im Bild platziert, rechts befindet sich eine große unübersehbare Logo-Skulptur „TRTDEUTSCH“ in XL-Format. Wenn man es nicht besser wüsste, würde man meinen, Lindh mache damit Werbung für Erdogans Propagandasender. Die Kameraeinstellung samt Perspektive ist bei einem regierungshörigen Staatssender alles andere als bloßer Zufall. Hinter Lindh befinden sich zwei große Fernseher an der Wand.

Gleich zu Beginn erklärt Lindh, dass Muslime in Deutschland als „Sicherheitsproblem“ wahrgenommen würden, gleichzeitig seien aber Muslime durch Rechtsextremisten bedroht. „Der richtige Zustand wäre, dass muslimische Einrichtungen Sicherheit erfahren, viel besser geschützt werden.“ Muslime sollten nicht zum Sicherheitsproblem erklärt werden, dies sei eine Frage von Grundrechten und Religionsfreiheit. Währenddessen läuft hinter Lindh über die Fernseher die ganze Zeit die türkische Original-Version des Senders TRT. Während der SPD-Politiker spricht, wird also im Hintergrund eine propagandistische Berichterstattung ausgestrahlt.

Beihilfe zur Diskursmanipulation

Es ist typisch und regelhaft für die türkische Propaganda Erdogans, den Spieß in Diskursen geschickt umzudrehen. Seitdem es seit 2020 die deutsche Version von TRT gibt, lässt sich beobachten, wie strategisch versucht wird, allen Muslimen in Deutschland eine Opferrolle zuzuschreiben. Das Ziel ist vor allem, von den vom Verfassungsschutz beobachteten Moscheen abzulenken, indem versucht wird, im medialen Diskurs den Fokus auf Muslimfeindlichkeit zu lenken. Auffällig ist die vermehrte Berichterstattung von TRT sowie islamistischen Akteuren über Angriffe auf Moscheen in Deutschland. In Deutschland existiere eine ernstzunehmende Muslimfeindlichkeit, die 2020 erneut zugenommen habe.

Allerdings muss dem Staatssender TRT unterstellt werden, dass es diesem weniger um eine besorgniserregend Feindlichkeit gegenüber Muslimen geht. Das AKP-Regime instrumentalisiert vielmehr das real existierende Problem einer Muslimfeindlichkeit auf beinahe dieselbe Art und Weise, wie es legalistische Islamisten in Deutschland tun, die mit Krawatte und Anzug versuchen, über legale Wege ihre Ziele durchzusetzen. Das propagandistische Telos dahinter ist derselbe:

Muslime und muslimische Einrichtungen sollen einen Opferstatus als Schutzschirm erlangen, damit legitime Kritik von Verfassungsschützern, Wissenschaftlern und Journalisten mit dem Vorwurf eines „Antimuslimischen Rassismus“ oder der „Islamophobie“ deligitimiert werden kann. Die Begriffe „Antimuslimischer Rassismus“ und „Islamophobie“ kommen deshalb größtenteils aus dem islamistischen Spektrum und sind fester Bestandteil in Erdogans Wortschatz.

Helge Lindh unterstützt mit seinen im Interview gegebenen Aussagen dieses propagandistische Vorhaben und die versuchte Diskursmanipulation. In einem zweiten Interview von Lindh mit TRTWorld wird geschickt ein von Attacken betroffener DITIB-Verein eingeblendet, während Lindh über Muslimfeindlichkeit und „Attacken“ auf Muslime spricht. (https://www.trtworld.com/video/featured-documentaries/german-politician-helge-lindh-slams-anti-muslim-hatred/5fd3d31046e7130017c20bee) Die „Türkisch Islamische Anstalt für Religion“ (DITIB) ist die Auslandsabteilung der türkischen Religionsbehörde Diyanet, die unmittelbar dem türkischen Präsidenten untersteht.

Propagierende Spaltung der Gesellschaft

Doch in dieser Propaganda und Diskursmanipulation geht es ebenso um eine Spaltung der deutschen und westlichen Gesellschaft. Mit der in den Mittelpunkt gestellten Muslimfeindlichkeit, die von der deutschen Bevölkerung ausgehe, wird bewusst innerhalb der Gesellschaft Stimmung gemacht. Der Eindruck wird propagiert, dass Muslime anders seien und nicht in diese Gesellschaft gehören, in der sie nicht akzeptiert würden. Solche vermittelten Botschaften sind höchst spaltend und werden auch gezielt von islamistischen Akteuren verbreitet, um durch diesen Opferstatus einen fruchtbaren Boden für die Verbreitung des Politischen Islam zu bereiten, neue Anhänger zu rekrutieren und die bisherigen zu radikalisieren.

Bereits die erste Frage, die TRTDeutsch an Helge Lindh stellt, bestätigt diese genannten Ziele: „Menschen mit Migrationsgeschichte werden in Deutschland nicht in der Gesellschaft anerkannt. Woran liegt das?“ Lindh springt sofort auf das Schlagwort des Rassismus auf: „Das rassistische Denken hat nicht geendet mit dem Zweiten Weltkrieg. Wir haben einen ethnisch orientierten Rassismus und einen solchen, der bei der Religion einsetzt. Und bei Menschen, die zum Beispiel aus der Türkei gekommen sind (…), kommt beides zusammen.“ Diese würden Wellen der Türkenfeindlichkeit erleben. In den sozialen Medien nutzt der türkische Staatssender diese Aussagen. Beispielsweise wird in Instagram das Interview von TRT kommentiert mit: „Im TRT Deutsch-Interview erklärt der SPD-Politiker Helge Lindh, wie Rassismus und Muslimfeindlichkeit die gesamte Gesellschaft vergiften.“

Auch spielt Lindh mit seinen Aussagen über den Fußballer Mesut Özil dem AKP-Regime in die Hände. Özil, der für die deutsche Nationalmannschaft gespielt hat, ließ sich gemeinsam mit Staatschef Erdogan ablichten – während des Wahlkampfs in der Türkei. Erdogans Partei AKP veröffentlichte die Fotos. Erdogan wollte mit dem berühmten Mesut Özil taktisch für seinen Wahlkampf unter türkischstämmigen Personen in Deutschland werben. Helge Lindh bringt jedoch im TRT-Interview die berechtigte Kritik an Özil mit der Muslimfeindlichkeit in Verbindung: „Er wurde gefeiert, solange er Tore geschossen hat, und dann gab es plötzlich Debatten, wie äußert er sich politisch.“ Er hätte die Botschaft „Du gehörst nicht dazu“ erhalten.

Dass Erdogan jedoch die Türkei enddemokratisiert und dort ein autoritäres Regime erschaffen hat, welches zutiefst rassistisch ist, davon scheint Helge Lindh nichts zu wissen oder wissen zu wollen. Lindh spricht in beiden Interviews mit dem Staatssender TRT über Rassismus und Muslimfeindlichkeit, doch verschweigt er den Rassismus, der von der türkischen Regierung ausgeht. Erdogan unterstützt zum einen die rechtsextremen Grauen Wölfe, die rassistisch und antisemitisch, ja sogar ideologisch durch den Nationalsozialismus inspiriert sind. Die Feindlichkeiten richten sich gegen Armenier, Kurden und Juden, aber auch gegen Christen und liberale, säkulare Muslime. Andererseits unterstützt Erdogan Terrororganisationen wie den Islamischen Staat (IS), der „Ungläubige“, gleich ob Christen oder Muslime, auf dem Gewissen hat, sowie die Hamas, die den jüdischen Staat Israel auslöschen will. Gleichzeitig führt er seit 2014 exzessiv einen Kampf gegen Kurden, den er dann auch gegen Armenier ausweitete. Erdogans türkischer Nationalismus wurde längst brutale Wirklichkeit, seitdem er gewaltsam gegen kurdische und armenische Völker vorgeht und auch Terrororganisationen unterstützt.

Ist Lindh islamistischen Diskursmanipulationen verfallen?

„Dass es jetzt einen Unabhängigen Expertenkreis gegen Muslimfeindlichkeit gibt, das wäre vor Jahren wahrscheinlich nicht denkbar gewesen. Andererseits ist es nur dazu gekommen, weil es eben Hanau gab“, sagt Lindh. Er spricht sich dafür aus, dass noch mehr Einrichtungen gegründet werden müssen. Auch Lindh scheint von der Diskursmanipulation islamistischer Akteure, darunter Erdogan-nahestehenden Akteuren, erfasst zu sein. Denn in Wirklichkeit waren es legalistische Islamisten, die einen solchen Expertenkreis forderten. Die Initiative CLAIM – nach eigenen Angaben eine „Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit“ – hatte solch einen Expertenkreis gefordert und Politiker im Bundestag und Wissenschaftler gewinnen können. Gleichzeitig versuchte CLAIM wie andere islamistische Akteure, den Anschlag in Hanau einzig als Akt eines „Antimuslimischen Rassismus“ zu interpretieren. CLAIM muss als eine mutmaßlich islamistische Organisation angesehen werden, da die Initiative über islamistische Verbindungen verfügt. So sitzt im Expertengremium ein ehemaliger Funktionär der islamistischen, Ankara-nahen „Islamischen Gemeinschaft Milli-Görüs“ (IGMG). Auch Helge Lindh arbeitete im Juni 2020 mit CLAIM zusammen, während der „Aktionswoche gegen Antimuslimischen Rassismus.“ (https://muslimisches-jugendwerk.de/blog/heute-wieder) Die mutmaßlich islamistische Organisation CLAIM wird vom Bund finanziert.

Ist Lindh nur naiv oder empfindet er Sympathien für ein autoritäres Regime, islamistische Akteure und gesellschaftsspaltende Strategien? Lindh gibt nicht nur Erdogans Propagandasender TRT Interviews, sondern er besuchte Vereine, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Dazu zählt die islamistische IGMG – die essentielle Basis der AKP in Deutschland – und der Verband ATIB (Union Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa), der vom Verfassungsschutz den rechtsextremen Grauen Wölfen zuordnet wird und dem Regime von Präsident Erdogan nahestehend gilt. Wie viel Nähe oder Sympathie besitzt der Sozialdemokrat Helge Lindh zu Erdogans Regime? Durch sein Agieren wird er selbst Teil der Propaganda.

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