Was immer in Bonn rauskommt bei der SPD, ich nehme die Botschaft mit, die ich in den Gesichtern auf Phoenix sehe. Schulz, Nahles und Stegner folgen jedem, der spricht, mit hochnervöser Körpersprache und Mimik.
Wird klar, der Redner ist für NoGroKo, erstarren die Gesichter, Enttäuschung bis Zorn unterdrückend. Ergibt sich nach diesem und jenem aber, das pro GroKo-Verhandlungen, entspannen sich die Mienen, addieren sich zum freundlich-konspirativen Nicken für den vom Rednerpult Abtretenden.
Stegner sitzt schräg hinter Schulz und interessiert sich für dessen Gesichtssprache noch mehr als für alles andere. Nahles sehe ich bei manchen Aussagen gegen die GroKo an, dass sie sich beherrschen muss, nicht zuzustimmen. Schulz schüttelt den Kopf, wenn etwa ein ostdeutscher SPD-Bundestagskandidat sagt, den von Schulz verkündeten Bruch mit dem Neoliberalismus habe er im Sondierungspapier nicht gefunden – im Gegenteil.
Beck, Müntefering und Scharping auf einer Oldie-Bank (mit Gabriel als Anwärter) demonstrieren heitere Gelassenheit. Scharping selbst am Rednerpult: Nicht auszudenken, er wäre als SPD-Parteivorsitzender so authentisch aufgetreten. Er hätte Erfolg gehabt.
Schwesig stellt ihr politisches Leichtgewicht zur Schau. Auf ihre Weise auch authentisch. Sie spricht gar nicht zum Thema, sondern über sich. Frau Barley ist das Gegenprogramm inhaltlich und in der Korrektheit der deutschen Sprache.
Hätten die Jungsozialisten jemand, der reden kann, wäre schon alles für NoGroKo klar. Aber selbst dann, wenn sie ein starkes Argument haben, geht das in ihrem Stil der hin geratterten Seminarreferate in nicht-produktiven Wissenschaftszweigen unter.
Stegner: Was er überlaut zwischen dem zahllosen „Genossinnen und Genossen“ sagt, habe ich nicht wirklich gehört – wie viele Jusos, die auf ihren Smartphones irgendwas taten – zusammen mit Aso Schulz.
Ich kenne Parteitage besser, als ich möchte (sie sind bei der SPD so wie überall). Hat das Nacheinander der Redner begonnen, nimmt die Aufmerksamkeit der Delegierten ab und ab und ab. Es muss schon jemand ans Pult treten, von dem man weiß, der ragt aus der Masse heraus, oder jemand, der das unerwartet tut, ansonsten verlagert sich das Geschehen zur Unterhaltung untereinander im Saal und außerhalb desselben.
Das ist einfach zu erklären. Mindestens 90 Prozent sind mit einer festen Absicht angereist, pro oder kontra zu stimmen. Auf dem Parteitag der SPD wie jedem anderen entscheiden sich die Allerwenigsten anders. Deshalb sagen die Gesichter, hoffentlich sind die Reden bald vorbei und wir können abstimmen.
Rituale. Wohl unvermeidbare. In die Gesichter schauen und auf die Körpersprache ist jedenfalls erkenntnisreicher als zuhören. Denn das Visuelle haben wir weniger bis gar nicht unter Kontrolle. Die alles unter Kontrolle haben, haben nichts zu kontrollieren.
Übrigens: Die laute, Medien werden schreiben, engagierte Wortmeldung von Frau Nahles hat mir vor allem eines gesagt – die Tage von Herrn Schulz als Vorsitzender sind gezählt. Gabriel gefiel das gar nicht. Müntefering lächelte wissend und Beck anhnungsvoll.
Die Tage von Parteien als Träger der politischen Willensbildung sind abgelaufen. Wir verfolgen Abwicklungsereignisse.