Tichys Einblick
Polizeianweisung von Landesbehörde

SPD-Bundestagsfraktion will Gesetz zur Abschiebung nur noch als „Kann-vielleicht-Gesetz“ anwenden

Wer sich wehrt, darf bleiben: Laut Anweisung für die Bundespolizei dürfen Ausreisepflichtige, die sich zur Wehr setzen, auf freien Fuß gesetzt werden. Diese Anweisung wird „bedauert“, aber SPD-Bundestagsfraktion und Innenpolitiker Helge Lindh verteidigen das Verfahren: Gesetze nur noch als Kann-Bestimmungen?

picture alliance / ZUMAPRESS.com | Sachelle Babbar

Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) hat Bedauern über ein internes Behördenschreiben der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen an die Bundespolizei geäußert, welches Zweifel an einer restriktiven Abschiebepolitik hatte aufkommen lassen. „Es gibt keine Anweisung der Niedersächsischen Landesaufnahmebehörde an die Bundespolizei, Rückführungen bei Widerstandshandlungen abzubrechen“, sagte Behrens der Welt (Freitagausgabe). „Das missverständlich formulierte Schreiben ist sehr bedauerlich.“

Innenpolitiker Lindh will Gesetze als „Kann-Bestimmung“

Ihr Ministerium teilte der Zeitung mit, das Schreiben werde in Zukunft nicht mehr verwendet. Dass es so an die Bundespolizei übersandt worden sei, „ist ein bedauerlicher Einzelfall“. Doch sehr ernst zu nehmen ist dieses dem medialen Protest geschuldete „Bedauern“ nicht. Die Bundestagsfraktion der SPD unterstützt nämlich das Vorgehen, unterstützt die dahinter stehende Absicht, dass bei Widerstand Gesetze einfach wegfallen können.

Die SPD-Fraktion teilte mit, dass sie zwar nachvollziehen könne, dass die Dienstanweisung für Empörung sorge. Doch die Bürger seien zu unverständig, den höheren Sinn dahinter zu verstehen.  „Zur nüchternen Betrachtung gehört aber auch die Feststellung, dass der Betroffene auf freien Fuß gesetzt werden kann – nicht gesetzt werden muss“, gab Innenpolitiker Helge Lindh zu bedenken. „Daher ist von der Behörde sinnvollerweise zu erwarten, dass sie dieses Kann-Ermessen nicht in der Weise nutzt.“

Man darf also in Zukunft ähnliche Kann-Vorschriften hoffentlich auch für Finanzämter erwarten: Die Behörden können, wenn sie wollen, Steuerbescheide einfach aussetzen, wenn der Bürger sich wehrt? Es wäre die Aufmunterung dazu, künftig jedem Polizisten, jedem Bescheid und jeder staatlichen Maßnahme mit körperlichem Protest zu begegnen und zu erwarten, dass die Maßnahmen bei Bedarf und nach Gusto der Beamten jederzeit „aufgehoben“ werden können.

Das Rechtsverständnis des prominenten SPD-Politikers ist etwas verwegen – jedenfalls was Nicht-Migranten betrifft. Oder haben wir das falsch verstanden – die Kann-Gesetze gelten nur für Migranten und andere von der SPD besonders geschützte Gruppen – nicht aber für sonstige Bürger? Gesetze „können“ zukünftig nach Belieben ausgesetzt werden, sie können aber vielleicht auch weiter gelten?

Der rechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Günter Krings, kritisierte das Schreiben scharf. „Niedersachsen fordert die Bundespolizei zum Rechtsbruch auf und ermuntert abzuschiebende Personen zum Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“, so Krings. „Die rot-grüne Landesregierung muss dieses skandalöse Verhalten ihrer Behörde sofort unterbinden.“

FDP-Innenpolitiker Konstantin Kuhle, Chef der Liberalen in Niedersachsen, sprach von einer „Kapitulation des Rechtsstaats“. Wenn die Durchsetzung des Rechts erschwert werde, dürfe der Staat die Durchsetzung nicht einfach aufgeben. „Das Innenministerium in Hannover sollte dieser Praxis sofort ein Ende bereiten, wenn es sich nicht dem Vorwurf ausgesetzt sehen will, Ordnung und Kontrolle in der Migrationspolitik gezielt zu sabotieren.“

BSW-Chefin Sahra Wagenknecht nahm die in Niedersachsen regierende SPD in die Verantwortung. „Dieser Hinweis zeigt, dass einige offenbar nicht begriffen haben, dass in Deutschland Gesetze gelten. Dass die Behörden in Niedersachsen offenbar in einer Parallelwelt leben, wirft auch ein Schlaglicht auf SPD-Ministerpräsident Weil“, so Wagenknecht. „Abschiebungen sind für den Betroffenen hart. Aber das Asylrecht gilt für Verfolgte und darf keine Einladung an die halbe Welt sein, sich nach Deutschland aufzumachen.“

Anzeige
Die mobile Version verlassen