Die Spitzen von Union und SPD kämpfen (noch) einen Kampf. Sie wollen die Zwischenstände der Koalitionsverhandlungen geheim halten. Deswegen haben sie strikte Verbote verhängt. Nicht einmal Selfies soll es aus den Verhandlungsräumen geben. Das dürfte spannend werden. Zum einen gibt es rund 250 Mitglieder in den 16 Arbeitsgruppen, die in den jeweiligen Themenbereichen Ergebnisse erzielen sollen. Sie alle könnten der Versuchung erliegen, sich bei Journalisten durch Durchstechen lieb Kind zu machen. Denn zum anderen sind „Exklusiv-Geschichten“ eine beliebte Währung im Journalismus. Weshalb ein Heer von Hauptstadtjournalisten nun darauf angesetzt ist, doch noch spannende Informationen liefern zu können.
Das führt zu amüsanten Zwischenergebnissen. Etwa der Spiegel, die Schreckschusspistole unserer Demokratie hat brisante Angaben zu verbreiten: Größe 11, schwarz, Calibri, 1,5 Zeilenabstand – in diesem Format soll der künftige Koalitionsvertrag verfasst werden. Der mögliche nächste Kanzler Friedrich Merz (CDU) verspricht, mit ihm werde die Bürokratie im großen Stil abgebaut – und legt als Erstes die Schriftgrößen fest. Wenn der Mann ankündigt, Vegetarier werden zu wollen, sollte man in die Aktien von Wurstfirmen investieren.
Ihr verheerendes Wahlergebnis in Hessen oder ihre katastrophale Bilanz scheiden als Gründe für die Degradierung Faesers aus. Nicht, weil das Wahlergebnis nicht verheerend gewesen wären – oder die Bilanz. Sondern, weil Wahlergebnisse und politische Bilanzen in der SPD offensichtlich nichts mehr gelten. Katarina Barley hat bei der Europawahl das historisch schlechteste Ergebnis für die Partei eingefahren und führt nun die Arbeitsgruppe Europa an. Klara Geywitz hat als Ministerin einen Einbruch im Bauwesen zu verantworten – und führt nun für die SPD die Gruppe an, die über die Zukunft des Bauwesens auswürfelt. Die Bild handelt sie auch weiterhin als mögliche Ministerin. Immerhin lässt ihr Vorname drauf schließen, dass sie die Frauenquote bedient – aber nach drei Jahren Ampel und „Selbstbestimmungsgesetz“ samt Strafverfolgung sollte man darüber öffentlich besser nicht mehr sprechen.
Stichwort Tabu-Themen: Jens Spahn führt für die CDU die Arbeitsgruppe Wirtschaft an, was die Vermutung bestärkt, dass er unter Merz Wirtschaftsminister wird. Unter Angela Merkel war er Gesundheitsminister. Als solcher war er so erfolgreich, dass er heute nur noch mit Journalisten spricht, die ihm versichern, ihn darauf nicht mehr anzusprechen. Als Gesundheitsminister war er dafür bekannt, Panik in Sachen Pandemie zu verbreiten. Das würde er heute nicht mehr tun. Heute macht er das mit der Kriegsgefahr. Die neue Koalition will mit der ungebremsten Aufnahme von Schulden Deutschland verteidigen, weil „der Russe vor der Tür“ stünde. Buh! Den Mann macht Merz zu dem Minister, der Zuversicht in der Wirtschaft verbreiten soll – lässt man sich auf die Logik der CDU 2025 ein, passt das irgendwie wieder.
Apropos verquere Logik. Wie wichtig ihm der Bürokratieabbau ist, beweist Merz mit der Besetzung der entsprechenden Arbeitsgruppe. Die leitet für die CDU der ewige Nachwuchspolitiker Philipp Amthor. Zur Seite steht ihm Ralph Brinkhaus. Von Merz geschasster Fraktionsvorsitzender und einer der wenigen in der Union, die sich noch trauen, den kommenden Kanzler zu kritisieren. Zumindest intern.
Die Verhandlungen über die neue „große Koalition“ begannen am späten Donnerstag-Nachmittag. Das sollte ein Symbol sein. Kurz zuvor hatte der Bundestag in erster Lesung das geplante Aufweichen der Schuldenbremse und ein Schuldenpaket von rund einer Billion Euro in erster Lesung verhandelt. Der Start direkt danach sollte Aufbruch signalisieren. Das war eine gescheiterte Idee von Friedrich Merz. „Gescheiterte Idee von Friedrich Merz“ nennen die Germanisten übrigens eine Tautologie. Also einen „weißen Schimmel“.
Bis Dienstag muss Merz nun die Grünen überzeugen, der totalen Neuverschuldung doch noch die Stimmen für eine Änderung der Verfassung zu geben. Zeitgleich muss er die Horrormeldungen aus der Wirtschaft ignorieren. Etwa jetzt den massiven Gewinneinbruch von BMW. Solche Horrormeldungen hat die Ampel verursacht, indem sie die strukturellen Probleme gedeihen lassen und versucht hat, die Wirtschaft in drei Jahren mit Schuldenpaketen von 500 Milliarden Euro auf die Beine zu bekommen. Seitdem schrumpft die Wirtschaft. Merz hat nun eine Idee, wie sich das ändern soll. Er will die 500 Milliarden Euro auf einen Schlag ausgeben. „Verquere Logik“ wäre eine ebenso hübsche wie passende Überschrift für den Koalitionsvertrag. Wobei, ganz wichtig: Schriftgröße 11, Schriftfarbe schwarz, Schrifttyp Calibri und Zeilenabstand 1,5. Die Bürokratie muss in einer Koalition von CDU, CSU und SPD immer ihren Platz haben.