Jens Spahns Auftritt vor der Bundespressekonferenz erschien zu Anfang fast wie eine Werbeveranstaltung für den Impfstoff von Moderna. Der geschäftsführende Bundesgesundheitsminister zitierte „manche impfenden Ärzte“, die angeblich sagten: „Biontech ist der Mercedes unter den Impfstoffen und Moderna ist der Rolls-Royce.“ Angesichts der offensichtlichen Enttäuschung der ursprünglichen Erwartungen, die die Regierenden an Corona-Impfstoffe als Ausgang der Pandemie geweckt haben, könnte man eher an Auto-Marken wie Trabant und Wartburg denken.
Das Bundesgesundheitsministerium hatte zuvor angekündigt, die Bestellmengen für den Biontech-Impfstoff zu begrenzen. Ab kommender Woche können niedergelassene Ärzte pro Praxis nur höchstens 30 Dosen Biontech pro Woche erhalten. Impfzentren und mobile Impfteams können wöchentlich gut 1.000 Dosen bestellen. Bestellungen für Moderna-Impfstoff sind dagegen nicht beschränkt.
Letztlich, das sagt Spahn nicht, aber so muss man ihn wohl verstehen, deckt sich eben die Vorliebe der Impfwilligen einfach nicht mit den Impfstoffverfügbarkeiten. Der Staat muss also eine Impfstoffbewirtschaftung („Deckelung“) betreiben und Impfwillige dazu bringen, möglichst einen anderen als den beliebtesten Impfstoff an sich heranzulassen – und trotzdem zufrieden zu sein. Man hat absehbar nicht genug Mercedesse, oder sagen wir lieber Wartburge, auf Lager und verkauft darum den Trabbi als angeblich noch viel bessere Lösung: ein Rolls-Royce für alle. Also nochmal der Bundesgesundheitsminister als oberster Impf-Werber im O-Ton: „Moderna ist ein guter, sicherer und sehr wirksamer Impfstoff.“
Die beiden mitgekommenen Experten, Leif Erik Sander von der Berliner Charité und Klaus Cichutek, Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts, machen nicht ganz so offen Moderna-Werbung wie Spahn. Sander betont, dass bei der Auffrischimpfung nicht derselbe Impfstoff verwendet müsse wie bei den ersten beiden: „Ob man jetzt Moderna oder Biontech bekommt, ist im Grunde genommen egal“, sagte er. Cichutek behauptet, wir seien „in Deutschland im Schlaraffenland“, weil es genug Impfstoff gebe, und darüber zu streiten, welcher Stoff besser ist, sei nicht angemessen. Stattdessen „die Botschaft der Saison“: Alle sollen sich impfen lassen.
Spahn selbst gibt sich übrigens in der Frage einer allgemeinen Impfpflicht nicht als Hardliner wie einige seiner Parteifreunde in den Landesregierungen in Kiel und München. Die helfe akut in den bevorstehenden Wochen nicht, die vierte Welle zu brechen. Wichtig seien dafür Kontaktreduzierungen, entschiedenes staatliches Handeln und die Auffrischimpfungen. Für die Ungeimpften stellte Spahn keinen unmittelbaren staatlichen Zwang durch eine allgemeine Impfpflicht in Aussicht, sondern die Prophezeiung, sie würden sich in jedem Fall infizieren: „Wahrscheinlich wird am Ende dieses Winters jeder geimpft, genesen oder gestorben sein.“ Immunität, so Spahn, werde in jedem Fall erreicht; es sei nur die Frage, ob durch Impfung oder Infektion.